Kupferstich; Kupfer

[640] Kupferstich; Kupfer.

Diese Namen giebt man den Abdrüken der Kupferplatten, diese mögen gestochen, geäzt, oder in schwarzer Kunst gearbeitet seyn. Sehr ofte werden auch die von Holzschnitten gemachten Abdrüke mit darunter begriffen. Eine Sammlung aller Gattungen von Kupfer oder Holz abgedrukter Zeichnungen, wird eine Sammlung von Kupfern, oder Kupferstichen genannt. Die Kupfer der ältesten Meister sind durchaus mit dem Grabstichel gearbeitet; weil das Aezen späther, als das Stechen aufgekommen ist: aber unter den neuern Kupferstichen sind ganz gestochene Blätter sehr selten. Man hat gefunden, daß die historischen Stüke, Landschaften, auch Portraite mit einigen Nebensachen besser ausfallen, wenn einige Theile davon radirt und geäzt, die andern mit dem Grabstichel gearbeitet werden. Ganz geäzte Kupfer sind meistentheils Werke der Mahler; große Blätter aber, die durchaus geäzt sind, haben noch die lezte Hülfe des Grabstichels nöthig, ohne welche die Stellen, wo das Dunkele am stärksten seyn soll, nicht kräftig genug werden. Im Gegentheil haben auch wieder die Landschaften, wovon der größte Theil geäzt ist, an den leichtesten Stellen, wo eine sehr dünne Luft und leichtes Gewölk anzuzeigen ist, den Grabstichel nöthig, weil das Aezwasser gar zu leicht die daselbst erforderlichen sehr zarten Striche zu stark machen würde. Also muß zu einem vollkommenen Kupferstich beydes das Stechen und das Radiren zusammenkommen. Man hat von einigen der fürtreflichsten Werke des berühmten Edelink, nicht ohne Grund angemerkt, daß sie durch den Grabstichel zu schön geworden, und daß es besser gewesen wäre, wenn einige Stellen durch die Radiernadel flüchtiger und mit weniger einförmigen Strichen wären behandelt worden.

Es ist eine so angenehme Sache die Werke der größten Mahler in guten Kupferstichen mit so großer[640] Gemächlichkeit zu betrachten, daß man sich nicht wundern därf, wenn man den Geschmak an Kupferstichen so allgemein ausgebreitet antrift. Aber man stößt auch hier, wie bey allen andern Liebhabereyen, bisweilen auf große Mißbräuche. Man findet in allen Ländern eine seltsame Art Liebhaber, die Kupferstiche sammeln, wie etwa die Kinder bunte Steine, oder andre ihnen völlig unnüze Dinge mit großen Eyfer sammeln, blos um sich mit etwas zu beschäftigen, und ohne den geringsten Vortheil daraus zu ziehen, als eine völlig gleichgültige Thätigkeit zu befriedigen. An Oertern wo ein solches Sammlen Mode worden, sieht man ein wunderbares Bestreben unter den Sammlern, wodurch jeder es andern zuvorthun will: und dieses Nacheyfern wird nicht selten bis zu einer Art der Raserey getrieben. Es giebt Sammler, die sich nur auf gewisse Gattungen der Kupferstiche einschränken, die etwa die Sammlung von einer Schule, oder auch nur von einem Künstler vollständig zu haben wünschen, denen also ein fehlendes Blatt, wenn es an sich auch nicht den geringsten Werth hätte, unruhige Nächte macht, und die es bey aufstoßender Gelegenheit um einen Preis anschaffen, der seinen wahren Werth hundertmal übersteiget. Man trift auch nicht selten bey diesen Sammlern noch andre Arten von Thorheiten an. Aber anstatt dergleichen Mißbräuche zu rügen, wollen wir lieber versuchen einige Vorschläge zu thun, wie noch neue Gattungen nüzlicher Sammlungen von Kupferstichen zu machen wären.

Vor allen Dingen wünschte ich, daß einer von den geschiktesten Kupferstechern sich die Mühe gäbe ein Verzeichnis einer solchen Sammlung zu geben, aus welcher man den Anfang und Fortgang der Kunst, nach den verschiedenen merkbaren Stufen, durch welche sie zur Vollkommenheit gestiegen ist, sehen könnte. Diese Sammlung würde eine Folge von Blättern ausmachen, darin jedes folgende in der Behandlung etwas hätte, das den vorhergehenden noch fehlet, und wodurch die Kunst des Stechens, oder des Aezens um einen Schritt weiter gebracht worden. Eine solche Sammlung würde die wahre Geschichte der Kunst auf das Deutlichste darstellen.

Man könnte auch Verzeichnisse solcher Sammlungen machen, deren jede vornehmlich einen Theil der Kunst in seiner Vollkommenheit darstellte. In die eine kämen nur solche historische Stüke, die sich durch eine fürtrefliche Erfindung, oder solche die sich durch eine vollkommene Anordnung auszeichneten; eine andre wäre den Kupferstichen gewidmet, wo die Austheilung des Lichts und Schattens vorzüglich glüklich angebracht worden. Für Portraite könnte eine Sammlung gemacht werden, darin jedes Blatt wegen der Stellung etwas vorzügliches hätte.

Es läßt sich leicht begreifen, wie nüzlich dergleichen Sammlungen dem Künstler und dem Liebhaber seyn würden. In die Sammlungen jeder Gattungen dürften nicht eben immer dieselben Stüke kommen; denn ofte hat man viel Stüke, davon jedes tüchtig wäre, eine gewisse Lüke der Sammlung auszufüllen. Also müßten die Verzeichnisse so eingerichtet werden, daß für jeden besondern Theil der Kunst mehrere Stücke als Beyspiele darin verzeichnet wären, damit der Liebhaber wenigstens eines, oder ein Paar derselben anschaffen könnte. So könnten z.B. zur Geschichte der Kunst, mehrere Sammlungen gemacht werden, davon keine dieselben Blätter enthielte, die schon in einer andern sind. Allgemeine Sammlungen, die sich auf alle Zweyge der Kunst und auf alle Schulen erstreken, sind Unternehmungen, die man öffentlichen Anstalten überlassen muß, weil der dazu nöthige Aufwand die Kräfte der reichsten Privatpersonen übersteigen.

Die Materie von den verschiedenen Absichten, die man bey Kupfersammlungen haben kann, von der besten Art dieselben zu erreichen, von der Wahl der Stüke, von der Anordnung der Sammlung und vielen andern dahin gehörigen Dingen, verdiente eine vollständige Ausführung, und würde ein Werk von beträchtlichem Umfange werden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 640-641.
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