Monochord

[775] Monochord. (Musik)

Ein Instrument von einer einzigen Sayte mit einem beweglichen Stäg und mit Eintheilungen, wodurch man sehen kann, wie der Ton der Sayte nach Verhältnis ihrer ab- oder zunehmenden Länge höher oder tiefer wird. Die Alten nannten diese Sayte den Canon. Man macht die Monochorde bisweilen von drey oder vier Sayten, damit man nach genau abgemessener Länge jeder Sayte den Grundton mit seiner vollen Harmonie auf dem Instrument haben könne. Bessern Klanges halber wird dasselbe hol, mit einem Resonanzboden, und mit Tasten zum Anschlagen der Sayten gemacht.

Wiewol in der Musik das Gehör in Absicht auf den Wolklang der einzige Richter ist, auch vermuthlich alle alten und neuen Tonleitern und Temperaturen, in so fern die Instrumente würklich danach gestimmt sind, blos durch das Gehör gefunden worden; so muß sich dadurch Niemand verführen lassen zu glauben, daß die mathematische Bestimmung der Intervalle, die das Monochord an die Hand giebt, etwas unnüzes sey. Sie leitet nicht nur auf die Entdekung der wahren Ursachen aller Harmonie,1 sondern dienet auch noch zu verschiedenen nüzlichen Beobachtungen, wie wir bald zeigen werden; besonders wenn man ein Monochord hat, auf welchem die Sayten durch Gewichter können gespannt werden.

Man stelle sich vor ABCD sey der Kasten zu einem Monochord, ab, cd, ef, gh seyen vier

Monochord

gleich lange und gleich stark gespannte Sayten; bb', dd', ff', hh', seyen die Tasten, vermittelst deren die Sayten durch Federn, oder Hämerchen können in Klang gesezt werden; ik und lm seyen Schieber, an den Enden k und m mit Stägen versehen, so daß von dem Anschlagen der Tasten dd' und ff', von der zweyten und dritten Sayte nur die Längen kd und mf klingen; endlich sey auch bey n genau auf der halben Länge der vierten Sayte, ein Stäg gesezt, so daß nur die halbe Sayten nh klinge.

Um nun den Gebrauch eines solchen Monochords zu begreifen, ist vor allen Dingen zu merken, daß die Töne solcher gleich diken und gleich gespannten Sayten, um so viel höher werden, als die Sayten in der Länge abnehmen. Man seze, die Sayten ab, cd, ef und gh seyen alle im Unisonus gestimmt und geben den Ton an, der gemeiniglich mit dem Buchstaben C bezeichnet wird. Würde man nun auf einer Sayte gh den Stäg gerade auf der Hälfte der Sayte in n sezen, so würde die halbe Sayte nh den Ton c, die Octave von C angeben; und wenn der Schieber lm so weit eingeschoben würde, daß mf gerade 2/3 der ganzen Länge der Sayte ef oder [775] ab wäre, so gäbe die Sayte mf die reine Quinte von C oder G; und wenn ik so weit eingeschoben würde, daß die Länge kd genau 4/5 der ganzen Sayte wäre, so gäbe kd die reineste große Terz von C. Bequämer für den würklichen Gebrauch wär es, wenn die vier ledigen Sayten, ehe die Stäge daran kommen, so gestimmt wären, daß der Ton der erstern ab, eine reine Octave tiefer, als die Töne der drey andern wäre.

Dieses vorausgesezt, kann man leichte sehen, wie ein solches Instrument zur Prüfung einer Temperatur könne gebraucht werden. Ein Beyspiel wird die Sach am besten erläutern. Gesezt also, man wollte die Kirnbergerische Temperatur prüfen, nachdem man sie einmal durch Zahlen nach den Längen der Sayten ausgedrükt hat.2 Da die Reinigkeit der Harmonie hauptsächlich auf der Beschaffenheit des Dreyklanges beruhet, indem die Consonanzen die wenigsten Abweichungen von der vollkommenen Reinigkeit vertragen: so ist es hinlänglich, um eine Temperatur zu prüfen, wenn man alle darin vorkommende Dreyklänge durch das Gehör beurtheilet. Denn wenn diese gut consoniren, so ist gewiß auch die ganze Temperatur gut.

Zufoderst also suche man alle darin vorkommende kleine und große Terzen heraus, und bezeichne sie durch die ihnen zukommende Zahlen, als kleine Terzen: C- bE, 27/32 Cis - E, 1024/1215, Fis - A; 135/161 A - c, 161/192 E - G, 5/6; große Terzen; C -E, 4/5, B - d, 64/81 E - Gis, 404/512 F - A, 128/161 A - Cis, 13041/16384 hernach auf gleiche Weise die Quinten, derer in dieser Temperatur viererley vorkommen, nämlich C - G, 2/3; D - A, 108/161 A - e, 161/240 und Fis - Cis, 10935/16384. Hierauf trage man auf dem Monochord längst der zweyten Sayte cd, alle kleinen und großen Terzen auf; das ist, man trage von d nach k, 27/32 von der ganzen Länge der Sayte cd; hernach nach k' trage man 1024/1215 von der ganzen Länge; nach k", 161/192 derselben Länge und so fort, bis man gar alle großen und kleinen Terzen längst der Sayte cd hat. Auf eben diese Weise trägt man die Quinten längst der Sayte ef auf.

Um nun die Temperatur auf die Probe zu sezen, so darf man nur die Dreyklänge aller 24 Töne durch das Gehör prüfen. Man fängt von C dur an, schiebet ik so, daß der Steg k auf den Punkt der Eintheilung 4/5 stehe, l m schiebet man auf den Punkt 2/3, so hat man den vollkommen reinen großen Dreyklang von C. Hierauf nehme man Cis dur, und schiebe zu dem Ende ik auf die Eintheilung 64/81 lm aber lasse man auf 2/3 stehen, so hat man einen Dreyklang der dem von Cis dur völlig ähnlich ist. Schiebet man nun wechselsweise ik, auf 4/5, und denn auf 64/81 so wird ein feines Gehör bald fühlen, in wie weit im leztern Falle, wenn er sogleich auf den ersten folget, die Harmonie noch gut sey. So kann man durch alle 24 Töne verfahren.

Man kann also jede Tonleiter, und jedes einzele Intervall nach den auf das genaueste bestimmten Verhältnissen, auf das Monochord tragen, und denn an dem Gehör prüfen. Angehende Sänger könnten es brauchen, um Ohr und Kehle zu gewöhnen, die verschiedenen Intervalle auf das genaueste zu treffen. Denn es ist doch kein Intervall, die Octave ausgenommen, das blos durch das Gehör in der höchsten Reinigkeit könnte gestimmt werden.

Quelle:
Sulzer: Allgemeine Theorie der Schönen Künste, Band 2. Leipzig 1774, S. 775-776.
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