Kinderzeugen

1. Kinderzeugen bricht Ehestiftung und löst eigenthümliche Gütergemeinschaft in misbräuchliche auf.Pistor., I, 19; Eisenhart, 145; Hillebrand, 164, 228.

Unter Ehestiftungen werden die Verträge verstanden, welche die Ehegatten vor der wirklichen Vollziehung der Ehe miteinander gemacht haben und worin besonders über die gegenseitige Beerbung die nöthigen Bestimmungen enthalten sind. Diese Verträge konnten nur mit beider Bewilligung geschehen. Davon enthält nun das Sprichwort die Ausnahme, indem es sagt, dass, wenn auch in der Ehestiftung ein Ehegatte den andern auf den Fall des Todes zu seinem Erben ernannt hätte, diese Bestimmung ausser Kraft treten würde, sobald ihre Ehe mit einem Kinde gesegnet worden sei, weil man dadurch vielleicht hat sagen wollen, dass die Kinder gleichsam ihr Erbrecht mit auf die Welt brächten. Jetzt findet das Sprichwort nur dann seine Anwendung, wenn in der Ehestiftung der Kinder gar nicht Erwähnung geschehen ist, die etwa in der Ehe gezeugt werden könnten, sonst macht Kinderzeugen gegen ausdrückliche Bestimmungen die Ehestiftung nicht ungültig. (Vgl. über dies Sprichwort auch G.A. von Halem in den Blättern vermischten Inhalts, Oldenburg 1791, Bd. 1, Hft. 3.) Das Sprichwort drückt sich auch zu unbestimmt aus. Nicht das Kinderzeugen, sondern die Geburt des Kindes bricht, und zwar nicht die Ehestiftung überhaupt, sondern nur die vorher abgeschlossenen Erbverträge. (S. Kindtaufe 2.)

Lat.: Liberorum procreatio rumpit pacta dotalia. (Pistor., I, 19.)


[1332] 2. Kinderzeugen ist keine Zwangsarbeit.Eiselein, 376; Simrock, 5637; Reinsberg VII, 8.

Die Russen: Kinderzeugen ist keine Arbeit, aber Kindererziehen eine doppelte. (Altmann VI, 392.)

Böhm.: Roditi dítky není trhati kvitky. (Čelakovsky, 406.)

Lat.: Procreare liberos lepidum est onus. (Binder II, 2666; Eiselein, 376.) – Ultroneus dolor est procreare liberos.


3. Kinderzeugen ist leichter als Kinder gebären.

Die Russen meinen: Kinder gebären ist nicht Blumen pflücken. Und behaupten: Zwei Kinder tragen ist leichter als eins gebären. Denn man schüttelt die Kinder nicht von sich ab, wie die Nüsslein von der Haselstaude. (Reinsberg VII, 13.)

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870, Sp. 1332-1333.
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