Schulter

1. Auf der schwächsten Schulter ruht oft die schwerste Last.

Holl.: Die de zwakste schouders heeft, moet het zwaarste pak dragen. (Harrebomée, II, 260b.)


2. Auf Einer Schulter kann man nicht zwei Bürden tragen.

Zwei Wassermelonen finden nicht Raum unter einer Achsel, sagen die Osmanen. (Schlechta, 116.)


3. Auf fremden Schultern ist leicht tragen.

Die Russen: Die Last ist leicht auf der Schulter des andern. (Cahier, 1895.)


4. Je mehr auf den Schultern liegt, je mehr der Kopf sich zur Erde biegt.


5. Man muss nicht mehr auf die Schultern nehmen als man tragen kann.


6. Setzt man einen auff die Schultern, so wil er gar auff den Kopff steigen.Petri, II, 520.


7. Wat em geit dört Schuller, dat geit äuk dört Aesgatt. (Sauerland.)

8. Wen man auf die Schulter steigen lässt, der will gar auf den Kopf.

Dän.: Tit den du sætter paa din axel, vil sætte sig paa dit hoved. – (Prov. dan., 303; Bohn I, 460.)


[385] 9. Wenn die Schultern es nicht tragen, muss der Kopf sich auch mit plagen.

Von den Lastträgern, die oft auf Kopf und Schultern zugleich tragen.


10. Wer breite Schultern hat, kann viel tragen.

Böhm.: Kdo jest širokých plecí mnoho unese. (Čelakovsky, 112.)


11. Wer die schwächsten Schultern hat, muss die grössten Päcke tragen.Winckler, V, 52.


12. Wer einem andern auff den Schultern stehet, der kan weiter sehn dan er.Petri, II, 699.


13. Wie die Schultern, so die Last.

Ein Sprichwort des Talmud sagt: Je nachdem das Kamel beschaffen ist, legt man ihm die Last auf. (Ketubot.)


*14. Auf anderer Schultern treten.

Lat.: Alienis uti soleis. (Philippi, I, 19.)


*15. Auf beiden Schultern (Wasser) tragen.

Gott und der Welt zugleich dienen vollen, es mit verschiedenen Parteien halten. Wie A. Ruge einen solchen sagen lässt: »Ich bin weder Republikaner noch Royalist, ich fahre, wenn ich bezahlt werde, für beide den Mist

Frz.: Donner une chandelle à Dieu et une au diable. – Homme qui porte le feu et l'eau. (Leroux, I, 164.)

Holl.: Het is een man, die op twee schouders draagt. (Harrebomée, II, 260b.)

Lat.: Duabus se venditat partibus. (Phaedrus.) (Binder II, 851.)


*16. Auf der rechten Schulter unsern Herrgott und auf der linken den Teufel tragen.


*17. Auf eigenen Schultern tragen.Eiselein, 557.

Lat.: Humeris sustentare. (Eiselein, 557.)


*18. Breite Schultern haben.Eiselein, 557.

Er kann schon eine gute Last tragen.

Frz.: Il a de bonnes épaules, il portera bien tout. (Kritzinger, 281a.)

Holl.: Hij heeft breede schouders. (Harrebomée, II, 260b.)


*19. Den süt se kûm över de Schullern an.Dähnert, 417b.

Begegnet ihm verächtlich.


*20. Einem die kalte Schulter zeigen.

Ihn zurücksetzen, kalt behandeln. »Sie schloss sich der Presbyterianerkirche an, da man ihr jedoch die kalte Schulter zeigte, ging sie zur Trinitykirche.« (Wächter am Erie, Cleveland 1868, Nr. 49.) »B. ist als Flüchtling in Neuyork eingetroffen, sein Freund hat ihn nicht empfangen; sollte man ihm nun in Washington die kalte Schulter zeigen?« (Wächter am Erie, Cleveland vom 15. Jan. 1874.) »Gouverneur Davis wandte sich um Hülfe nach Washington, aber man zeigte ihm die kalte Schulter.« (Wächter am Erie, Cleveland vom 22. Jan. 1874.)


*21. Einem etwas auf die Schulter legen.

Frz.: Charger quelque chose sur son coû (ses épaules). – Mettre un fardeau sur les épaules de quelqu'un. (Kritzinger, 125b u. 281a.)


*22. Einen an Schultern und Lenden schlagen.


*23. Einen über die Schultern ansehen. (S. Achsel 8.)

Holl.: Hij kijkt hem over den linker schouder. – Iemand over schouder aanzien. (Harrebomée, II, 261a.)

*24. He driegt op twe Schullern, he hisset un tüsset1.Woeste, 83, 41.

1) Tüssen, dänisch tysse, zum Schweigen bringen. Verwandt mit dem hochdeutschen vertuschen.


*25. He mot et van der ênen Schuller up de annere schmîten.


*26. Over de lenke Scholder. (Deutz.)

Die Sache ist anders.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 385-386.
Lizenz:
Faksimiles:
385 | 386
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon