Ersticken

[690] Ersticken heißt eine durch Aufhebung des Athmens bedingte Todesart, die in Folge von Krankheiten, aber auch gewaltsam und absichtlich oder durch außerordentliche Umstände zufällig herbeigeführt werden kann. In Krankheiten erfolgt der Erstickungstod gewöhnlich langsam und verräth seine Nähe durch große Beängstigung, pfeifenden und röchelnden Athem, Schwindel, Betäubung, Roth-, Violett-, oder Blauwerden des Gesichts, Anschwellung der Blutgefäße am Halse und Kopfe und verwandte Erscheinungen und tritt endlich unter krampfhaften Zuckungen ein. Wird der Erstickungstod willkürlich herbeigeführt, wie z.B. wenn sich ein Mensch erhängt oder ertränkt, so treten die oben genannten Erscheinungen weit rascher nacheinander ein, oder fehlen auch zum Theil ganz. Anders verhält es sich beim Ersticken durch Kohlendampf; am schnellsten aber erfolgt der Tod, wenn ihn äußere Gewalt, wie z.B. gewaltsame Erdrosselung erzwingt und durch Einwirkung der sogenannten deleteren oder zerstörenden Gasarten. Meist gesellt sich zu der Erstickung noch Schlagfluß. Der Erstickende stirbt entweder aus Mangel an Luft überhaupt, oder weil die Luft zum Athmen untauglich ist, oder auch, weil die Wege, durch welche die Luft bis zu den Lungen gelangen soll, verstopft sind. Aus Mangel an Luft überhaupt erstickt z.B. der Ertrinkende (s. Ertrinken) und das Kind im Verlaufe der Geburt, beide indeß langsamer, als man gewöhnlich glaubt, namentlich scheinen eben zur Welt kommende Kinder ein auffallend geringes Athmungsbedürfniß zu haben und bewahren daher den Lebensfunken vergleichsweise am längsten. Wegen Mangel an athembarer Luft ersticken Diejenigen, die in eine Luftschicht gerathen, welche zum Athmen unbedingt untauglich ist, mithin dasselbe unmöglich macht, wie z.B. das Kohlenoxydgas, aus welchem der aus glimmenden Kohlen entwickelte Kohlendunst besteht, das kohlensaure Gas, das Ammoniakgas u.s.w. Diese Luftarten tödten indeß ebensowol durch Vergiftung, als durch Erstickung und kommen auch wol an Orten vor, wo thierische oder Pflanzenstoffe faulen oder gähren, wie in Abtritten, Schwindgruben, in Bier- und Weinkellern, an Orten, wo der freie Luftstrom gehemmt ist, in Bergwerken, Höhlen, Brunnen u.s.w. Die mechanische Verschließung der das Eindringen der Luft in die Lungen vermittelnden Luftwege geschieht entweder absichtlich und gewaltsam, wie bei Selbstmorden, oder zufällig, indem irgend ein fremder Körper in den Kehlkopf und die Luftröhre schlüpft und diese verstopft, oder in Folge von Krankheit durch Entzündung und Anschwellung der die Luftwege auskleidenden Schleimhaut, durch Ausschwitzung und Bildung hautähnlicher Gebilde, wie dei der häutigen Bräune (s.d.), sowie durch Krampf und Lähmung der die zum Athemholen nöthigen Bewegungen ausführenden Organe. Die Versuche, Erstickte wieder zum Leben zu bringen, müssen sich natürlich nach der Ursache der Erstickung richten. Die in nicht athembaren Luftarten Erstickten müssen so schleunig als möglich in eine sich immer erneuernde Luft, aller fest anliegenden Kleider entledigt und dann in eine halbsitzende Lage mit herabhängenden Füßen gebracht werden. Hierauf besprengt man Gesicht und Herzgrube mit kaltem Wasser und Essig, hält dem Verunglückten stark riechende Mittel vor die Nase, bläst ihm Luft ein, gibt stark reizende Klystiere, wäscht den ganzen Körper mit Essig und sucht durch stellenweise, starke Reizung der Haut eine unter solchen Umständen sich oft hülfreich bewährende Ableitung nach der äußern Oberfläche des Körpers zu machen. Erhängte und Erwürgte, die indeß ebenso oft oder öfter durch Blutschlagfluß, Lähmung des Herzens, zuweilen auch Verrenkung der Halswirbel und dadurch bedingten Druck auf das Rückenmark sterben, wo dann jeder Belebungsversuch vergeblich ist, müssen vor allen Dingen von dem etwa noch einschnürenden Stricke, Tuche oder sonstigem Kleidungsstücke befreit und dann ebenfalls von allen fest anliegenden Kleidern entledigt werden. Man blase ihnen Luft ein, bürste und frottire sie am ganzen Körper und öffne ihnen nöthigenfalls eine Ader. Fremde Körper, die etwa im Schlunde, Kehlkopfe oder der Luftröhre stecken, müssen so rasch als möglich beseitigt werden. Was neugeborene Kinder betrifft, die wegen Mangel an Luft scheintodt zur Welt kommen, so wende man sogleich ein warmes Bad an, bürste und reibe sie, namentlich auf den Fußsohlen, tröpfele oder gieße ihnen eiskaltes Wasser, Essig oder Schwefeläther und dergl. auf die Herzgrube, blase ihnen behutsam Luft ein und suche auf diese und ähnliche Weise den schlummernden Lebensfunken zu wecken.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 690.
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