Fontanelle

[70] Fontanelle wird eine künstlich verursachte und durch das Einlegen von Erbsen und dergleichen absichtlich in Eiterung gesetzte und unterhaltene Wunde genannt, die man anlegt, um bei drohenden oder schon vorhandenen Krankheitszuständen innerer edlerer Theile des Körpers eine heilsame Ableitung nach der äußern Oberfläche desselben zu machen, so z.B. bei langwierigen Entzündungen, Eiterung oder Verschwärung in den Lungen, in der Schleimhaut des Kehlkopfs und der Luftröhre, bei hartnäckigen Augenentzündungen u.s.w. Je nach dem gefährdeten Eingeweide wählt man zur Anlegung einer Fontanelle verschiedene Stellen des Körpers, immer aber gern solche, wo viel Zellstoff unter der Haut liegt und die Gegenwart einer Wunde am wenigsten belästigen kann, so z.B. an der äußern Seite des Oberarms, an der innern des Schenkels, an den Waden, an der Brust zwischen zwei Rippen u.s.w. Die Fontanelle muß ein- oder zweimal täglich, je nachdem sie mehr oder weniger stark eitert, verbunden und immer gehörig rein gehalten werden. Wird die Eiterung zu beträchtlich, so müssen einen oder zwei Tage hindurch die Erbsen weggelassen werden; bildet sich, wie dies zuweilen bei starker Eiterung der Fall ist, im Umfange der kleinen Wunde sogenanntes wildes Fleisch, so wird die Entfernung desselben durch Ätzen mit Höllenstein nothwendig; magert endlich der Theil, an welchem sich die Fontanelle befindet, ab, so ist es das Beste, diese in einer andern Körpergegend anzulegen; nie darf man aber eine Fontanelle schnell zuheilen lassen. – Fontanelle nennt man auch die häutigen Zwischenräume, welche bei dem ungeborenen und neugeborenen Kinde in den Gegenden des Schädels vorhanden sind, wo sich später nach vollendeter Verknöcherung die Winkel der Knochen finden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 70.
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