Ganges

[140] Ganges, einer der größten und merkwürdigsten Flüsse der Erde (vergl. Fluß), welcher seine Quellen auf den ungeheuern Höhen des Himalâyagebirges hat, und aus der Vereinigung der beiden kleinern Flüsse Baghirathi und Alakananda, die bei Srinagar (Serinagur) zusammenkommen, entsteht, anfangs südl., dann immer mehr in östl. Richtung im Norden von Hindostan strömt und sich endlich durch unzählige Mündungen in den bengal. Meerbusen ergießt. Diese Mündungen verzweigen sich so und werden dadurch so klein, daß nur der westl. bei Kalkutta, der Hugly und der östl. mit Seeschiffen befahren werden können. Sämmtliche Mündungen bilden das Ganges-Delta (s. Delta), welches die Indier Sunderbund nennen. In ihm setzt sich aller Schlamm ab, welchen der große Strom mit sich führt; der Boden ist von unzähligen natürlichen Kanälen durchschnitten, unter denen man acht Hauptarme des Ganges unterscheidet; dichte Waldungen bedecken die Ufer, welche von wilden Thieren, namentlich von dem großen bengal. Tiger, aber nur von wenigen, in steter Todesgefahr schwebenden, Menschen bewohnt werden. Außer den reißenden Thieren sind die pestartigen Dünste, welche die heiße Sonne aufregt, verheerend. Unter den vielen Nebenflüssen des Ganges ist der Buramputer, eigentlich Brahmaputra, am merkwürdigsten, der auf den Schneegebirgen der chines. Grenze entspringt und sich kurz vor seiner Mündung erst mit dem östlichsten Strome des Ganges verbindet. Bedeutend sind auch die Nebenflüsse Testa, Cosi, Gunduk, Gozra und Dschumna. Ähnlich wie der Nil (s.d.) wird der Ganges ungemein segensreich für die um ihn liegenden Gegenden durch die jährlich regelmäßig eintretenden Überschwemmungen, die von dem Schmelzen des Schnees im Himalayagebirge und von dem während der Regenzeit herabfallenden Wasser erzeugt werden. Der Strom erreicht bei denselben oberhalb des Deltas eine Wasserhöhe von über 30 F. Das Land wird durch diese Überschwemmungen nicht nur fruchtbar gemacht, sondern auch in seiner Gestalt vielfach [140] verändert; Strecken werden weggerissen und andere angeschwemmt, und der Strom selbst verändert sein nur in lockeres Erdreich gegrabenes Bett. Das Wasser des Ganges soll sich durch angenehmen Geschmack und dadurch auszeichnen, daß es sich lange hält, ohne zu verderben. Es ist überdies wie der ganze Fluß ein Gegenstand religiöser Verehrung bei allen Hindus und macht daher einen wichtigen Handelsartikel in Indien aus. Waschungen im Ganges werden für heil- und segenbringend für dieses und jenes Leben gehalten, Kranke suchen durch sie Genesung zu erlangen und es ist namentlich für das Heil der Sterbenden wichtig, daß sie von dem heiligen Wasser genießen oder in den Fluten des Ganges baden, ehe sie den Geist aufgeben. Die Asche der Todten wird zum Heile derselben in den Strom gestreut. Wallfahrten, zu denen sich oft eine ungeheure Menschenmenge zusammenfindet, welche nebenbei auch noch Handelszwecke haben, werden nach den Mündungen des heiligen Stromes zu unternommen. Unzählige Pagoden stehen daher an den Ufern des Ganges und namentlich heilig gehalten sind die Wallfahrtsorte Hurdwar, Allahabad und Benares (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 140-141.
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