Kanäle

[541] Kanäle sind künstlich angelegte Wasserwege, in denen gewöhnlich das Wasser mittels Schleusen auf einer solchen Höhe erhalten wird, daß es fortwährend Schiffe und Kähne zu tragen im Stande ist. Die Kanäle tragen besonders zur Förderung des Handels vortheilhaft bei. Schon in sehr alten Zeiten hatte man Kanäle, wie es denn bekannt ist, daß das alte Ägypten von einer Menge von Kanälen durchschnitten war, welche theils den Zweck hatten, zum Transport für Menschen und Güter zu dienen, theils das nicht unmittelbar am Nil liegende Land zu bewässern. Die Ägypter unternahmen es sogar, durch einen Kanal den Nil mit dem rothen Meere zu verbinden, auf welche Weise eine Schifffahrtsverbindung zwischen Europa und dem südl. Asien hergestellt worden wäre bei welcher Afrika nicht umfahren zu werden brauchte. Noch älter als die ägyptischen sind vielleicht die chinesischen Kanäle, unter denen der große oder kaiserl. Kanal, welcher Pe-kin und Kanton verbindet, der bedeutendste ist. In neuerer Zeit haben in Europa zuerst die Italiener Kanäle angelegt, besonders in der Lombardei im 10.–13. Jahrh., welche jedoch vorzugsweise den Zweck der Bewässerung hatten. Die meisten Kanäle hat im Verhältniß zu seiner Größe Holland, wo sie fast die Straßen anderer Länder ersetzen und ebenso stark benutzt werden. Frieren diese Kanäle zu, so werden sie von Schlittschuhläufern und Schlitten belebt. Man hat berechnet, daß Holland von seinen Kanälen einen so großen Gewinn ziehe, daß auf die Meile gegen 4000 Thlr. jährlich kommen. In der Regel sind diese Kanäle 60 F. breit und 6 F. tief, werden sorgfältig rein gehalten, indem man den aus ihnen gewonnenen Schlamm als Dünger benutzt. Ungeheuer dicke und starke Dämme bilden die Einfassung derselben, um das tiefliegende Land vor Überschwemmung zu schützen. Der größte Kanal, den es vielleicht in der Welt gibt, ist der, welcher von Amsterdam nach dem Nieuwe Diep bei Helder geht. Derselbe ist über 12 deutsche Meilenlang, an der Oberfläche 120 rhein. F. breit und 20 F. 9 Z. tief. Er wurde 1819–25 ausgeführt. In Dänemark ist der holsteinische Kanal, welcher die Eyder mit der kieler Bai verbindet, von Wichtigkeit, weil durch ihn Nord- und Ostsee in Verbindung stehen, sodaß die Fahrt um Jütland durch das Kattegat und den Sand vermieden ist. In Schweden zeichnet sich der berühmte Göthakanal (s.d.) aus. Frankreich hat mehre bedeutende Kanäle, unter denen der Kanal von Languedoc zur Herstellung einer Verbindung des mittelländischen Meeres mit dem atlantischen Ocean dient und von Toulouse bis zum Hafen von Cette in einer Länge von 44 franz. Meilen sich erstreckt. Er ist 6 F. tief und hat ursprünglich 114 Schleusen. Der längste Kanal Frankreichs ist der von Besançon, welcher die Rhone[541] mit dem Rheine verbindet und eine Länge von 50 Meilen hat. Spanien hat wenig Kanäle, obgleich dieselben nicht wenig dazu beitragen würden, den gesunkenen Handel zu beleben; der wichtigste ist der von Kaiser Karl V. begonnene, aber immer noch zum Theil unvollendete Ebrokanal. England ist vortrefflich mit Kanälen versorgt und seine Haupthandelsstädte: London, Liverpool, Manchester, Hull und Bristol, sind durch Kanäle in Verbindung gesetzt. (Vgl. Großbritannien und Irland.) In den Vereinigten Staaten von Nordamerika hat man ebenso großartige als vortheilhafte Kanalverbindungen angelegt. Der Eriesee wird mit dem Hudson durch einen 73 deutsche Meilen langen Kanal mit schönen Schleusen verbunden. Noch großartiger wird der 1828 begonnene Chesapeak- und Ohiokanal, der eine Länge von über 70 Meilen erhalten soll und eine Breite von 60–80 F., bei 6–7 F. Wassertiefe. – In Deutschland ist der Kanalbau nicht bedeutend und nur die größern Staaten haben einige bedeutende Anlagen der Art gemacht. In Ungarn sind zwei große Kanäle angelegt worden, nämlich der Begakanal, welcher ungefähr 18 Meilen lang ist, und der Kaiser-Franzenskanal. Im preuß. Staate sind eine Anzahl kleinerer, für den Verkehr wichtiger Kanäle. Der von Mühlrose, welcher schon 1662 unternommen wurde, verbindet die Oder mit der Spree. Friedrich der Große verband durch den Finowkanal die Oder mit der Havel, und diese steht durch den plaueschen Kanal mit der Elbe bei Magdeburg in Verbindung. Bedeutend ist noch der von Friedrich II. angelegte bromberger Kanal, welcher die Netze und die Brahe und dadurch die Weichsel mit der Elbe in Verbindung setzt. Die bedeutendste Kanalanlage in Deutschland wird der bereits begonnene Main-Donau-Kanal, der bei Kehl an der Altmühl beginnen, Nürnberg, Erlangen berühren und bei Bamberg in die Regnitz führen, also 231/2 deutsche Meilen lang werden soll. In Rußland ist der von Peter dem Großen angelegte, 15 deutsche Meilen lange Ladogakanal zu bemerken. – Der Vortheil, welchen die Kanäle dem Handel gewähren, ist längst anerkannt und wenn auch die Anlage von Eisenbahnen die Kanäle in solchen Gegenden zu ersetzen vermag, in denen letztere sich nicht wohl anbringen lassen, so werden die Eisenbahnen doch den bestehenden Kanälen keinen Schaden zufügen, um so mehr, da auch die Schiffahrt auf den Kanälen noch mannichfach vervollkommnet zu werden vermag, und der Transport auf denselben wohlfeiler als der auf Eisenbahnen ist. Versuche auf einem der unbequemsten Kanäle in Schottland haben gezeigt, daß man auf Kanälen bequem 21/2 deutsche Meilen in der Stunde zurücklegen kann. – Der Kanal wird vorzugsweise die Meerenge genannt, welche England und Frankreich scheidet, die Meerenge von Calais (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 541-542.
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