Geschmack

[201] Geschmack bezeichnet sowol die schmeckbaren Eigenschaften eines Körpers, als den Sinn, vermöge dessen wir diese Eigenschaften wahrnehmen. Das wesentliche Organ des Geschmackssinns ist die Zunge (s.d.). Außer derselben hat noch das ganze Innere der Mundhöhle, sowie selbst der Schlund einigen Antheil an der Empfindung, die wir Geschmack nennen. Was den Nutzen des Geschmackssinnes betrifft, so dient er in Gemeinschaft mit dem Geruchssinne dazu, über die Zuträglichkeit der Speisen und Getränke zu urtheilen, vorausgesetzt, daß beide Sinne nur der Stimme der Natur folgen. Der Geschmackssinn steht in inniger Beziehung zu dem Magen, überhaupt zu der Verdauung. Seine Warnungen verdienen daher Beachtung. In der Regel verdaut man sehr schlecht, was man mit Widerwillen nimmt, ja meistens wird solches durch Erbrechen bald wieder ausgeworfen. Die meisten Verdauungsstörungen haben Widerwillen gegen die gewöhnlichen Nahrungsmittel und mannichfaltige Verstimmungen des Geschmackssinnes in ihrem Gefolge. Dies beweisen der bittere, fade, salzige, saure, faulige, ekelhafte Geschmack, welcher die Krankheiten des Magens und des Darmkanals begleitet. Die Wiederkehr des natürlichen Geschmacks kündigt in der Regel die Wiederherstellung der Gesundheit an. Der Geschmackssinn entwickelt sich nur langsam und bedarf öfterer Übung, ja einer wirklichen Erziehung. Daher zeichnen sich Leute, die sich bei Besorgung ihrer Berufsgeschäfte seiner oft bedienen müssen, wie Köche, Weinhändler, Destillateure, Chemiker u.s.w. durch eine große Feinheit des Geschmackssinns aus. Sie schmecken Unterschiede heraus, die kein Anderer wahrnimmt. Eine bekannte Sache ist, daß der Geschmack im ersten Kindesalter trotz der beträchtlichen Entwickelung seines Organs, der Zunge, doch sehr unvollkommen ist. Zu seiner vollständigen Ausbildung gelangt er erst mit dem reisen Alter, ja scheint im Greisenalter nicht, wie die andern Sinne, an Schärfe ab-, sondern eher zuzunehmen. Dagegen wird er durch häufigen Genuß starker geistiger Getränke, sowie sehr reizender, stark gewürzter Speisen abgestumpft.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 201.
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