Geschmack

[269] Geschmack, 1) derjenige Sinn, welcher die chemischen Eigenschaften der Körper, u. zwar durch Vermittelung einer Flüssigkeit, kennen lehrt. Das deutliche Schmecken wird bedingt durch den Geschmacksnerven u. das in den Feuchtigkeiten des Geschmacksorgans aufgelöste Geschmacksobject (das sogenannte Schmeckbare), jedenfalls aber nicht ohne gewisse Seelenactionen (Geschmacksurtheile). Fast mehr noch als die anderen Sinne ist der G. dunkel, indem man noch nicht einmal über den Sitz dieses Sinnes einig ist. Obgleich mehrere Theile der Mundhöhle die Fähigkeit zu besitzen scheinen, Geschmackseindrücke aufnehmen zu können, so sind doch alle Angaben darüber so unsicher, daß man immer wieder die Zunge als einziges, wenigstens einzig nachweisbares Geschmacksorgan nennt, u. vorzugsweise deren Spitze u. Wurzel u. deren Seitenränder besitzen die Fähigkeit zu schmecken, während der mittlere Theil des Zungenrückens fast gar nicht schmeckt[269] Der hintere Theil der Zunge schmeckt am lebhaftesien, das Tastgefühl an der Spitze u. die Empfindlichkeit für ekelerregende Einflüsse ist an der Wurzel am deutlichsten. Ebenso sind aber auch die Ansichten über den den Geschmack vermittelnden Nerven höchst verschieden; von den drei zur Zunge gehenden Nerven ist der Hypoglossus unbestritten Bewegungsnerv, die beiden anderen aber, der Zungenast des Trigeminus u. der Zweig des Glossopharyngeus, sollen beide Geschmacksempfindungen vermitteln können; jedoch scheint der erstere dieser beiden mehr Gefühlsnerv u. eigentlicher Geschmacksnerv nur der letztere, der Schlundzungennerv, zu sein. Der Geschmackssinn ist der Art, daß man zwei Geschmackseindrücke zugleich od. kurz hintereinander auffassen kann, ferner kann man den G. durch Aufmerksamkeit deutlicher machen u. selbst Geschmacksempfindungen sich ins Gedächtniß zurückrufen. Die die Geschmacksempfindungen bedingenden u. durch die Geschmacksobjecte hervorgerufenen Vorgänge auf der Zunge sind ebenfalls noch unerforscht. Man bezeichnet auch durch G. 2) die bestimmte u. charakteristische Art u. Weise, wie die verschiedenen Stoffe den Geschmackssinn erregen, welche dann den schmeckbaren Substanzen als ein unterscheidendes Merkmal beigelegt wird. Der hauptsächlichste der verschiedenen Arten von G. ist der saure G.; als Gegensatz gilt der alkalische G., obgleich dieser seiner Eigenheit nach ein sehr undeutlicher ist; aus beiden zusammen geht der salzige G. hervor Meist wird aber dem saueren G. der süße G. entgegengesetzt; doch bilden Süß u. Bitter noch schärfere Gegensätze. Indessen heben weder Sauer noch Süß, noch Bitter u. Süß einander im G. auf u. sind auch im Verein jeder für sich unterscheidbar. Die meisten Arten von G. werden entweder nach Analogien bezeichnet, wie milder G., welcher der der gewöhnlichsten u. beliebtesten Nahrungsmittel ist, wie des Fleisches, der Milch, des Öls, Fettes u.a.; od. man bezeichnet den G. nach Eindrücken, die ihn begleiten, wie der scharfe, brennende, beißende, zusammenziehende G.; od. in Hindeutung auf Stoffe, die ihn erregen, wie spirituöser, gewürzhafter, brenzlicher, ammoniakalischer, faulichter, ekler G. Etwas von Ekel, wenigstens von Widerwillen, mischt sich auch in den faden G., indem Stoffen, in denen ein gewisser G. gefordert wird, sei es auch nur ein geringer, wie im frischen Wasser, dieser abgeht. Ein neben einem geforderten G. noch in einem Gemisch, gewöhnlich mit Mißfallen, unterschiedener G. wird als Beigeschmack bezeichnet. Nachgeschmack entsteht, wenn schmeckbare Theile wegen ihrer Zähigkeit od. wegen ihrer Geneigtheit, mit den Feuchtigkeiten des Mundes dauernde Verbindungen einzugehen, in der hinteren Mundhöhle zurückbleiben u. die Erregung des Geschmacksorgans unterhalten. Geschmackstäuschungen (subjectiver G.) kommen, wie solche anderer Sinne, ebenfalls vor u. hängen theils von krankhaft veränderter Beschaffenheit der Feuchtigkeiten des Mundes, theils von Verstimmung der Geschmacksnerven ab. So scheinen bei manchen Krankheiten, vorzüglich Zungen-, Mund- u. Hirnkrankheiten, Stoffe bitter, gesalzen etc. zu schmecken, welche diesen G. in der Wirklichkeit nicht haben. 3) (Ästh.), die Theilnahme, welche Etwas in der Empfindung erregt, sofern die Vorstellung von Schön dadurch zugleich erweckt wird; 4) (Ästhetischer Sinn), die Fähigkeit das Schöne zu erkennen u. zu schätzen, ohne Beziehung auf einen besonderen Vortheil davon. Er hat blos die erscheinende Form zu seinem Gegenstand; dennoch ist sein Umfang ein höchst verbreiteter, ja grenzenloser; denn die ganze belebte u. leblose Natur, das gesammte Gebiet der Künste, ja das ganze Leben mit allen seinen Verhältnissen sind darunter befaßt. Obgleich allen Menschen ästhetischer G. eben so wesentlich zukommt, wie Vernunft u. Sprache, so ist er doch in seiner Anlage mehr od. weniger unvollkommen; er bedarf daher sowohl der übrigen Geistesvermögen, als auch der Leitung u. Richtung durch gute Muster, um sich zum gebildeten od. guten G. zu erheben. Höchst schwierig aber ist eine normale Bestimmung dafür, da der G. eines jeden Menschen immer mehr od. weniger von seinen eigenen Lebensinteressen bestochen wird u. so seine besondere Richtung bekommt; daher der Satz: De gustibus non est disputandum (über den G. ist nicht zu streiten) u. daher ein Geschmacksurtheil nicht logisch, sondern ästhetisch ist, da in ihm die Vorstellung nicht zunächst auf das Object, sondern auf das Subject u. das Gefühl der Luft u. Unlust bezogen wird. Bes. wirkt die Mode sehr auf den G.; auch geht ein herrschender G. gewöhnlich von Einzelnen aus, die wegen ihrer höheren Stellung im Leben imponiren u. daher auch für den G. den Ton angeben. Aus gleichen Ursachen ist er auch national verschieden; so spricht man von Kunstgebilden u. Kunstleistungen in französischem G., in englischem G. etc. Die Geschmackslehre ist so v.w. Ästhetik, s.d.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 269-270.
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