Römisches Recht

[734] Römisches Recht. Im Allgemeinen werden darunter die sämmtlichen Gesetze verstanden, welche im alten Rom und röm. Reiche während seiner verschiedenen Regierungsformen und ganzen Dauer zur Geltung gelangten, im Besondern aber auch das abgeschlossene Ganze derjenigen Rechtsbestimmungen, welche auf Kaiser Justinianus I. (s.d.) Betrieb geordnet aus den ältern Gesetzbüchern und Sammlungen hervorgingen (s. Corpus juris) und von ihm und später weiter ausgebildet wurden. Ausgezeichnet ist das röm. Recht dadurch, daß es ausschließliches Eigenthum der Römer ist, welche sonst fast ihre ganze wissenschaftliche Bildung von andern Völkern entlehnten, und mit außerordentlicher Vielseitigkeit eine ebenso große Folgerichtigkeit verbindet. Die Vollkommenheit seiner Entwickelung spricht sich am augenfälligsten in der Brauchbarkeit desselben für die verschiedensten Völker und Zeitalter aus und selbst der Verfall des röm. Reichs hat seine Anwendung nicht aufgehoben, sondern zum Theil noch mehr ausgebreitet. Im ganzen röm. Europa, wo es geherrscht hatte, blieb ein großer Theil davon als Grundlage der öffentlichen und Privatrechtsverhältnisse fortwährend gültig, soweit es die neuen Verhältnisse irgend gestatteten, und nur da ging das Meiste davon unter, wo der Begriff des Rechts überhaupt bei den gewaltsamen Umgestaltungen und innern Stürmen an Bedeutsamkeit verlor. Diese stieg jedoch wieder, sobald die Verhältnisse der neuen Staaten stetiger wurden und das Mangelhafte und Unwürdige der rohen Gewaltherrschaft sich überall fühlbar machte, ohne daß die Überreste der alten Volksrechte Abhülfe zu gewähren vermochten. Als daher zu Ende des 11. und im 12. Jahrh. in Italien durch gelehrte Männer die Rechtsbücher Justinian's wieder ans Licht gezogen wurden und durch Erklärung derselben eine neue Wissenschaft des Rechts aufkam, ergriff das gebildetere Europa eifrig das Dargebotene und nahm seine wissenschaftliche Form [734] zum Vorbild für die Behandlung der päpstlichen Verordnungen, des Lehnrechts und später der german. Rechte. Indessen erfolgte die Anerkennung des röm. Rechts in den verschiedenen Ländern weder zu einer Zeit noch in demselben Umfange, und während es in Italien und im südl. Frankreich zuerst sich befestigte, ward es im nördl. Frankreich später und viel beschränkter, in England von bürgerlichen und weltlichen Gerichtshöfen nie, in Schottland nur in geringem Umfange angenommen; blos die geistlichen Gerichte haben sich immer entschieden daran gehalten, ohne demselben unbedingte Geltung einzuräumen. In Deutschland erhielt das röm. Recht durch die Vorstellung schon, daß die deutschen Kaiser die Nachfolger der röm. wären, ein gesetzliches Ansehen, was auch durch Reichsgesetze sogar und mehre Landesgesetze bestätigt wurde. Allein es gehen ihm stets die einheimischen Gesetze vor, und nur wo diese unzureichend sind, kann es als Hülfsrecht angewendet werden, sowie es auch hinsichtlich aller eigenthümlich röm., in Deutschland nicht bestehender und ebenso in staatsrechtlichen und ganz der neuern Zeit angehörenden Verhältnissen ohne Gültigkeit ist. (S. Recht.)

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 734-735.
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