Uri

[539] Uri, ein Canton der Schweiz (s.d.), wird von den Cantonen Schwyz, Glarus, Graubündten, Tessin, Wallis, Bern, Unterwalden umgeben und hat auf 20 ! M. gegen 14,000 Einw., welche sich zur katholischen Kirche bekennen. Die Verfassung ist ganz demokratisch und die höchste Gewalt bei der jährlich am 1. Mai sich versammelnden Landsgemeinde, zu der jeder Bürger nach erlangtem 20. Jahre gehört und von welcher der Landamman, Landesstatthalter, und alle übrigen an die Spitze der Verwaltung gestellten Personen gewählt werden. Die Rechtspflege besorgen das Siebnergericht, das Funfzehnergericht, ein Wochenrath und bei schweren Verbrechen der Cantonsrath; das Appellationsgericht besteht aus dem regierenden Landamman, drei Ammanrichtern und vier Rathsherren; geistliche und weltliche Vorsteher der Gemeinden werden von diesen gewählt. Zum schweiz. Bundesheere stellt U. 236 Mann, und sein Beitrag zu den Bundesunkosten beträgt jedesmal 1180 Fr. Übrigens sind die Einwohner steuerfrei und die Staatseinnahmen rühren blos von Gemeindegütern, Durchgangszoll, Strafgeldern und ähnlichen Beisteuern her. Das Wappen des Cantons enthält einen schwarzen Stierkopf in goldenem Felde, und weil in alten Zeiten die streitbare Mannschaft [539] durch Blasen auf Stierhörnern versammelt wurde, bekam der Hornbläser, welcher an der Spitze seiner Truppen geht, den Namen des Stiers von U. Der Canton reicht vom Vierwaldstättersee bis zum St.-Gotthardsgebirge hinauf und ist von den hohen Zweigen desselben eingeschlossen, zu denen namentlich die Urner und die Schweizeralpen gehören. Hervorragende Spitzen und zum Theil ausgedehnte Gletscher mit den wildesten Umgebungen sind außer denen des St.-Gotthard (s.d.) gegen O. das 10,130 F. hohe Scheerhorn, gegen W. der Spitzliberg (10,608 F.), das Sußtenhorn (10,910), und hier führt der Sußtenpaß, eine 6981 F. hoch steigende Kunststraße in den Canton Bern, und der 7215 F. hohe Surenpaß nach Unterwalden. Die vom St.-Gotthard kommende Reuß durchfließt den Canton in seiner ganzen Länge bis zum Vierwaldstättersee, und das enge und rauhe Thal derselben erweitert sich erst in der Nähe des Sees, von den zahlreichen Seitenthälern desselben aber sind nur wenige bewohnt. Eingetheilt wird der Canton in das alte Land Uri und das von der Teufelsbrücke auf der Gotthardsstraße aufwärts führende Urserenthal, welches sich 1410 dem Canton anschloß. Viehzucht und die Verwerthung ihrer Erzeugnisse, Obstbau in geeigneten Lagen, der Verdienst, zu welchem die zahlreichen Reisenden Gelegenheit geben, welche die Gotthardstraße benutzen, sind die wesentlichsten Erwerbsquellen der Einwohner. Letztere Straße ist der kürzeste Weg aus dem westl. Deutschland nach Italien und der Waarentransport mittels Saumthiere war sonst vorzüglich sehr einträglich für den Canton. Nachdem aber dieser von 1820–30 mit Aufwand einer Million schweizer. Francs, die durch Anleihe zum Theil aufgebracht wurden, in Gemeinschaft mit Tessin die Gotthardsstraße ebenso fahrbar hergestellt hatte, wie das mit andern Alpenpässen geschehen war, entzog Östreich derselben doch den meisten Waarentransport dadurch, daß es die Straße über den Splügen zollfrei machte.

Der Hauptort des Cantons ist Altorf mit 1600 Einw., 1/2 St. vom Vierwaldstättersee; zu seinen Merkwürdigkeiten gehören das Rathhaus und der Thurm, welcher an der Stelle der Linde steht, unter welcher Tell's Sohn mit dem Apfel auf dem Kopfe stand, den ihm sein Vater von dem 100 Schritt davon entfernten Tellsbrunnen aus herabschießen mußte. Im J. 1799 ward der Ort bis auf 20 Häuser eingeäschert. In der Umgegend liegt am linken Ufer des Sees an der Grenze von U. und Unterwalden das Rütli oder die Grütlimatte, am Fuße des Seesliberges, wo unter Obstbäumen ein Haus neben drei Quellen steht, welche das Volk heilige nennt und bei denen die drei Vertheidiger der Schweizerfreiheit, Walter Fürst von Attinghausen aus U., Arnold von Melchthal aus Unterwalden, Werner Stauffacher von Schwyz ihre Zusammenkünfte hielten und am 17. Nov. 1307 der Bund der drei Cantone beschworen wurde, was 1313 und 1713 die Abgeordneten derselben wiederholten. Diesem Platze gegenüber am östl. Ufer des Sees liegt die Tellsplatte, ein vorspringender Felsen, auf welchen sich Tell (s.d.) aus des Landvogts Barke rettete und wo angeblich seit 1388 die Tellskapelle steht, in welcher jährlich noch einmal Messe gelesen wird und deren Wände mit Begebenheiten aus Tell's Leben bemalt sind. In dem benachbarten wilden Schächenthale liegt das Dorf Bürglen, Tell's Heimat, und Betzingen, wo die Landsgemeinde gehalten wird. Flüelen am See ist der gewöhnliche Landungsplatz, von dem man bei Amsteg mit den Resten des vom Landvogt Geßler erbauten Zwinguri vorüber, auf die Gotthardsstraße und in 8 1/2 St. bis zur Teufelsbrücke (s. Gotthard) kommt, nachdem man zuletzt das wilde Krachenthal und den noch wildern Schöllenengrund passirt hat. Bald hinter der Brücke kommt der Teufelsberg, durch welchen seit 1707 ein 200 F. langer, 1828 bedeutend erweiterter Tunnel, das Urnerloch, ins Urserenthal führt, welches 6 St. lang, 1/2 St. breit, von pyramidenförmigen, hohen und zum Theil völlig kahlen Felsen eingeschlossen ist. Die milde Jahreszeit dauert hier höchstens vier Monate und der Mangel an Feuerung macht den langen Winter doppelt beschwerlich. Die Reuß durchfließt auch dieses zu den höchstgelegenen der Schweiz gehörende Thal, dessen niedrigste Stelle 4356 F. über das Meer sich erhebt und das vier Dörfer mit 1300 Einw. enthält. Das wichtigste davon ist Urseren oder Andermatt; bei dem Dorfe Hospital, welches nicht mit dem schon auf dem andern Abhange in Tessin gelegenen Hospiz auf dem Gotthard zu verwechseln ist, führt ein Paß über die Furka und Maienwand nach Wallis.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 539-540.
Lizenz:
Faksimiles:
539 | 540
Kategorien: