[497] Tunnel ist ein engl., neuerlich auch bei uns in der Bedeutung für einen unterirdischen oder durch einen Berg geführten geräumigen Weg gebräuchlich gewordener Ausdruck.
Von denen, welche es im Alterthume gab, war vermuthlich der zu Babylon der wichtigste, welcher nach der vorhandenen Schilderung unter dem Euphrat weg eine Verbindung zwischen zwei königl. Palästen bildete und 500 F. lang, 6 F. hoch, 15 F. breit gewesen sein soll. Ein anderer Tunnel aus dem Alterthume ist die sogenannte Grotte des Pausilippo bei Neapel (s.d.). In neuerer Zeit wurde schon während der Regierung Ludwig XIV. der Kanal von Languedoc in Südfrankreich vom Ingenieur Regnet durch einen Berg geführt, die volle Wichtigkeit solcher unterirdischer Kanal- und Wegebauten und welche für unüberwindlich gegoltene Hindernisse dabei zu beseitigen möglich sind, wurde jedoch erst durch Das dargethan, was davon in England entstand. Von den dortigen streckenweise unterirdischen Leitungen von Kanälen ist namentlich die für den Themse- und Medwaykanal zwischen Gravesand und Rochester merkwürdig, welche zur Vermeidung eines Umwegs angelegt wurde, den sonst die nach London bestimmten Fahrzeuge zu machen hatten. Statt dessen fahren sie jetzt durch einen schnurgerade durch Kreidefelsen gearbeiteten, eine Stunde langen Tunnel, welcher 30 F. weit und von dem hier eine Ansicht gegeben ist. Für den 7 F. Wasser haltenden Kanal sind 21 F. davon in Anspruch genommen, die übrigen 6 F. aber zu einem Fußwege benutzt, über welchem die Decke des Tunnels sich noch mehr als 15 F. erhebt. Bei der großen Festigkeit des Felsens ist es nur an einzelnen Stellen nöthig gewesen, dieselbe durch Gewölbe zu sichern, an der Ausführung aber ist, jedoch mit einigen Unterbrechungen, über 20 Jahre gearbeitet worden. Andere Veranlassungen zu solchen Bauten haben die Eisenbahnen gegeben, und die von Manchester nach Liverpool führende berührt die letztere [497] Stadt mittels eines solchen Tunnels, der 22 F. hoch, 16 F. breit. im Ganzen 6750 F. lang, theilweise durch Sandstein gearbeitet ist und dessen Sohle als geneigte Ebene unter den Straßen der Stadt hinweg zu den Schiffsdocken führt. Er ist mit Gas beleuchtet und am obern Eingange desselben liegt ein 40 F. tief in Felsengrund ausgearbeiteter Freiplatz, von dem aus ein kleinerer 870 F. langer, 15 F. breiter und 12 F. hoher Tunnel nach dem obern Stadttheil und zur Hauptstation der Eisenbahn führt. Der große Tunnel wurde von 1826–28 in zwei Jahren mit etwa 245,000 Thlrn. Kosten ausgeführt.
Der berühmteste unterirdische Wegbau dieser Art in England und auf der ganzen Erde ist jedoch der in London unter der Themse noch nicht völlig durchgeführte Themsetunnel, welcher London mit Southwark ohne Brücke verbinden wird. Schon von 1802–8 war eine Gesellschaft zur Herstellung eines gewölbten, unter der Themse hindurchführenden Wegs zwischen Rotherhite und Limehouse thätig und es wurde wirklich ein Stollen von 900 F. Länge, aber geringer Weite ausgegraben, ehe man wegen wiederholten Einbruchs von Wasser und Triebsand, und weil auch die Geldmittel fehlten, die Arbeit hier liegen ließ. Ein höher hinauf am Strome unternommener Versuch schlug ebenfalls fehl, und ein Gutachten Sachverständiger sprach sich auf den Grund der gemachten Erfahrungen und hinsichtlich der zahlreichen zu dem Unternehmen eingegangenen Pläne in der Hauptsache dahin aus, daß für jetzt die Durchführung eines Wegs von nutzbarer Geräumigkeit unter dem Flusse nicht thunlich sei. Indessen ließ ein eifriger Mitunternehmer, I. Wyatt, die Sache nicht aus den Augen, und fand endlich nach mehren Jahren in dem franz. Ingenieur Brunel den Mann, welcher der Ausführung gewachsen war. Auf die früher gemachten Erfahrungen gestützt, entwarf dieser einen neuen großartigen Plan und fand Mittel, allen erdenklichen Unfällen zu begegnen, welche während der Arbeit eintreten konnten. Nachdem im Febr. 1824 durch Unterzeichnungen ansehnliche Geldmittel gefunden und die Bewilligung zur Ausführung vom Parlamente ertheilt worden war, konnten die Arbeiten im März 1825 begonnen werden. Zuerst ward ein 50 F. weiter Schacht über 40 F. tief niedergeführt, eine Dampfmaschine von 30 Pferdekraft zur Herausschaffung des Schuttes aufgestellt und auf dem Grunde des Schachts eine 25 F. weite Senkgrube zur Ableitung des Wassers angelegt. Gegen Anfang des Jahres 1826 ward in einer Tiefe von 40 F. zur Eröffnung des Tunnels selbst geschritten, für den eine Höhlung gewonnen werden mußte, die zwei, zusammen 34 F. breite und 221/2 F. hohe, mit starken Mauern und Gewölben umschlossene Gänge herzustellen erlaubte. Einer dieser Gänge, die mit Gas erleuchtet werden, ist für die Verbindung hin-, der andere für die herwärts bestimmt, und beide sind in der Mitte nur von den mächtigen, die Gewölbe tragenden Pfeilern geschieden. Zum Schutze der Arbeit und der Arbeiter hat der Baumeister eine Vorrichtung erfunden, die der Schild genannt worden ist und aus 12 genau aneinander schließenden, 22 F. hohen, breiten Rahmen besteht, deren jeder drei Abtheilungen übereinander hat, und für sich allein vor- und rückwärts bewegt werden kann. Von den auf diese Art erhaltenen 36 Zellen aus, die einzeln gegen eindringendes Wasser versperrt werden können, wird die Ausgrabung von den Arbeitern vorgenommen, und sowie der Schild oder eigentlich das Gerüst vorrückte, der Raum dahinter sogleich ausgemauert, wobei die Herstellung eines festen, unwandelbaren Grundes besondere Schwierigkeiten machte. Um die Mitte Sept. war man schon 260 F. weit vorgedrungen, als ein Einbruch von Sand und Wasser erfolgte; doch ward dem vorhergesehenen Unfalle schnell begegnet und die allerdings gefährliche Arbeit vorsichtig fortgesetzt. Im Jan. 1827 waren 350 F. aus. gegraben, als ein gleicher Unfall eintrat, aber ebenfalls [498] bald beseitigt war. Dasselbe geschah noch einige Male, bis am 18. Mai der erste große Wassereinbruch erfolgte und den ganzen Tunnel füllte. Der Baumeister untersuchte deshalb den Boden der Themse in der Taucherglocke und verstopfte die 38 F. tiefe Öffnung mit einer Masse von 3000 Tonnen Gewicht Thon, welcher in Säcken und Körben versenkt wurde. Gegen Ende Jun. hatte sich das Wasser aus dem Tunnel verzogen, und im Aug. war er vom eingedrungenen Sande gereinigt. Die Arbeit rückte langsam vor und die Mitte des Strombettes war erreicht, als am 12. Jan. 1828 ein neuer großer Einbruch erfolgte. Brunel hatte die Gefahr bemerkt und alle Arbeiter bis auf vier forgeschickt, mit denen er selbst dem eindringenden Wasser zu wehren suchte. Allein die Decke brach über dem Schilde und das Wasser füllte rasch den Tunnel, aus welchem Brunel und ein Arbeiter sich glücklich retteten, die drei andern, sowie drei aus unberufener Neugierde zurückgebliebene ertranken. Nachdem die Öffnung durch Versenken von 4000 Tonnen Thonerde wieder geschlossen und der 599 F. lange Tunnel zugänglich geworden war, konnten die Arbeiten aber wegen Mangel an Geld nicht fortgesetzt werden. Schon waren 200,000 Pf. St. verwendet und erst nach Bewilligung von Vorschüssen durch das Parlament ward es möglich, seit 1835 den berühmten Bau fortzusetzen, dessen ganze Länge 1138 F. betragen wird. Im Febr. 1841 waren noch etwa 50 F. davon zu vollenden und die Zugänge an beiden Ufern des Stroms herzustellen, die Kosten des Ganzen aber wurden auf 400,000 Pf. St. berechnet. Der Besuch ist zeither für einen Schilling Eintrittsgeld erlaubt gewesen, und im J. 1840 war dadurch 1705 Pf. St. eingekommen, und der Tunnel also von 34,100 Personen besucht worden. – Die leipzig-dresdner Eisenbahn führt unweit Meißen bei Oberau ebenfalls durch einen Tunnel, welcher 900 Ellen lang durch einen Berg gebaut und weil das lockere Gestein es nöthig machte, ausgemauert ist.
Buchempfehlung
Therese gibt sich nach dem frühen Verfall ihrer Familie beliebigen Liebschaften hin, bekommt ungewollt einen Sohn, den sie in Pflege gibt. Als der später als junger Mann Geld von ihr fordert, kommt es zur Trgödie in diesem Beziehungsroman aus der versunkenen Welt des Fin de siècle.
226 Seiten, 8.80 Euro