Urtheil

[542] Urtheil heißt im Allgemeinen die aus erlangten Vorstellungen von einem Gegenstande und dessen Beziehungen zu andern gefolgerte Erkenntniß von seiner Beschaffenheit. Das Urtheil ist daher ein Gedanke, mittels dessen wir uns des Verhältnisses gewisser Vorstellungen zu einander auf eine bestimmte Weise bewußt werden, dessen Richtigkeit oder Irrthum aber natürlich von der Auffassung jener Umstände und der richtigen Verknüpfung und Folgerung aus denselben abhängt. Zu einem Urtheile gehören mindestens zwei Vorstellungen oder Begriffe, welche den Inhalt desselben ausmachen, und der Begriff, von welchem etwas behauptet wird, heißt auch das Subject, Unter-oder Vorlage, der ihm beigelegte zweite aber wird Prädicat, Aussage oder Beilage genannt. Das Verhältniß jener beiden zueinander wird endlich durch die Copula oder Bindung angegeben und der Form nach wird ein aus diesen drei Elementen bestehendes (z.B. der Mensch ist sterblich) ein vollständiges Urtheil genannt. Unvollständig heißt es, wenn einer von jenen drei Bestandtheilen fehlt, wo dann einer im andern mit enthalten ist (z.B. der Schnee schmilzt, anstatt ist im Schmelzen), oder wenn die Vorlage (Subject) nicht bestimmt angegeben ist (z.B. es dunkelt). Man unterscheidet ferner bejahende, verneinende, bedingungsweise, allgemeine, besondere und andere Urtheile, und nennt Urtheilskraft das Denkvermögen oder die Verstandesthätigkeit, welche durch Anwendung des Allgemeinen auf das Besondere und die Unterordnung des letztern unter das Allgemeine die Verhältnisse der Dinge zu bestimmen sucht. – Im rechtswissenschaftlichen Sinne heißt Urtheil oder Urtel die richterliche Entscheidung in einer streitigen Sache und ist mit Erkenntniß oder Decisum einerlei. Man sagt, ein Urtheil werde vom Richter oder Gerichtshofe gefällt oder gesprochen und nennt es motivirt, wenn die Gründe (Motive) der Entscheidung dabei angegeben sind. (S. Bescheid.) Urtelsvollstreckung ist gleichbedeutend mit Execution (s.d.).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 542.
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