[685] Weissagungen im eigentlichen Sinne sind kein Wahrsagen (s.d.) und Vorhersagen aus bekannten Gründen, sondern es werden darunter bestimmte und deutliche Vorausverkündigungen von Dingen verstanden, die von Menschen nicht durch Schlüsse vorhergesehen, noch nachher von ihnen dem Vorhergesagten entsprechend veranstaltet werden konnten, gleichwol aber ganz in der angekündigten Art erfolgt sind. Solche echte Weissagungen können daher blos vermöge göttlicher Eingebung oder Offenbarung aus menschlichem Munde hervorgehen, was denn auch hinsichtlich der alten Orakel (s.d.), sowie Propheten (s.d.) und von Sehern aller Art behauptet worden ist. Sie fanden damit um so leichtern Glauben bei ihren Zeitgenossen, je weniger diese über den ursächlichen Zusammenhang der Weltordnung und die Grenzen des menschlichen Wissens aufgeklärt und daher sehr geneigt waren, jede das Alltägliche überschreitende Kenntniß, Wissenschaft oder Kunst aus höhern oder übernatürlichen Quellen abzuleiten. Zu den Vorzügen, mit welchen die ersten Lehrer des Christenthums vom h. Geiste ausgestattet worden sein sollen, wird auch die Gabe der Weissagung gerechnet. Indessen sind sehr wenig zuverlässige Nachrichten über die Beweise davon bekannt und man ist z.B. auch nie zur Übereinstimmung darüber gelangt, in welchem Sinne und in welcher Beziehung der prophetische Inhalt der Offenbarung Johannis aufzufassen sei. Übrigens berechtigt das Christenthum seit dem Ablauf seiner Stiftungsperiode Niemand mehr, über zukünftige Dinge Offenbarungen zu erwarten oder vorzugeben, vielmehr weist es uns in dergleichen auf das Bestimmteste rein zum festen Vertrauen in die allwaltende Regierung Gottes an.