Helena Pawlowna, Großfürstin von Rußland

[231] Helena Pawlowna, Großfürstin von Rußland, Großfürstin von Rußland, Gemahlin des Großfürsten Michael Pawlowitsch, eine der edelsten Frauen, die aus deutschem Fürstenstamm entsprossen. Sie ist die Tochter des Prinzen Paul von Würtemberg, Bruders des Königs, und wurde den 18. December 1806 geboren. Noch kurz vor ihrer Vermählung befand sie sich zu Paris in einem Fräuleininstitute, wo sie in ihrem 15. Jahre auch durch den würdigen Herrn Boissard, Pastor der augsburg'schen Confession, confirmirt wurde. Vor ihrer Verbindung führte sie die Namen: Charlotte Marie Friederike. – Auf wenige Frauen unsers Jahrhunderts passen so vollkommen die Worte unsers Dichters

»Ich weiß nicht, was ich Höh'res mir erwähle

Als in der schönen Form die schöne Seele

Reizend und anmuthig, voll Geist, Talent und Frohsinn, wuchs sie unter den günstigsten Einwirkungen ihrer gewählten Umgebung, einer der schönsten Blumen vergleichbar, empor. Jedes Haus, der Palast wie die Hütte, würde sie als Göttin zum Tempel geweiht haben; denn alle Tugenden und Reize umstrahlten das blühende Mädchen von 17 Jahren, als sie der Sprößling des mächtigen Czarengeschlechtes, der Bruder des Beherrschers eines der größten Länder der Erde, kennen lernte, und um ihre Hand warb. Gleiche Neigung kam ihm entgegen; denn des Großfürsten edler Charakter, seine feine und doch männlich-kräftige Bildung verfehlten ihren Eindruck auf das Herz der Fürstentochter nicht. Sie nahm am 5. Decbr. 1823 die griechische Religion an, was bei der Verheirathung russischer Fürsten mit auswärtigen Prinzessinnen unerläßliche Bedingung ist, und wurde den 7. Febr. 1824 mit dem Großfürsten feierlich vermählt. – Drei Großfürstinnen wurden seitdem die[231] Sprößlinge dieses erhabenen Bundes, der in der Beseligung der beiden erlauchten Gatten, in dem Glücke ihrer Umgebung, in tausend häuslich-geselligen Freuden, so wie in den edelsten Werken der Wohlthätigkeit seinen strahlenden Kranz findet, »von Tausenden gesucht und nicht errungen!« – Die Großfürstin, deren körperliches Wohlbefinden seit einigen Jahren gelitten hat, kehrte in verschiedenen Zwischenräumen nach Deutschland zurück, um die Heilquellen ihres Heimathlandes zu gebrauchen. Hier bezauberte sie unter allen Verhältnissen und unter jeder Umgebung die Herzen derjenigen, welche das Glück hatten, sich ihr zu nähern, durch die liebenswürdigste Herablassung, durch den Adel ihres Benehmens, durch die seelenvollste Gute ihrer Theilnahme. In Erstaunen setzt es, daß dieser liebenswürdigen Fürstin auch die streng-ernsten, trockenen Wissenschaften nicht fremd blieben. So hat sie sich längere Zeit mit Mathematik und während ihres Aufenthaltes in Neapel sogar mit Jurisprudenz beschäftigt. Hier war es, wo sie unter Anleitung der ausgezeichnetsten Rechtsgelehrten die Gesetze des Landes studirte und auf diese Art auch das Praktische und Nützliche in das Bereich ihres Wissens zog. – 1835 gebrauchte sie die Heilquellen von Karlsbad und Ischl, erschien daselbst überall wie ein Genius der Menschheit, gewann alle Herzen und ließ ein ehrendes, namentlich von der Armuth gesegnetes, Angedenken zurück. Diese Fürstin, ausgezeichnet durch Eigenschaften des Herzens und Geistes, durch rührende Schönheit und alle Gaben der Grazien, liebt nicht nur Künste und Wissenschaften, sondern hegt und pflegt dieselben auch auf die großmüthigste Weise, da eine edle Begeisterung für dieselben sie mächtig beseelt.

B.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 5. [o.O.] 1835, S. 231-232.
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