[401] Nervenfieber, diejenigen fieberhaften Krankheiten, bei welchen das Nervensystem vorzugsweise ergriffen und in seiner natürlichen Thätigkeit gehemmt ist. Wenn im Verlauf eines gastrischen, katarrhalischen oder rheumatischen Fiebers durch schlechte Diät, bei starken Menschen durch zu reizende, bei schwachen durch zu schwächende Behandlung, durch Erkältung, Gemüthsbewegung etc. einzelne Zeichen eines gereizten Nervensystems eintreten, wie leichtes Irrereden, Träumerei, Schlaflosigkeit, Unruhe, selbst kleine Zuckungen etc., so wird das ursprüngliche Fieber nervös, und dieser nervöse Zustand kann in ein vollkommenes Nervenfieber übergehen. Nach der Constitution des Kranken tragen die Symptome das Gepräge einer lebhaften innern Thätigkeit und hohen Reizbarkeit, oder der Kranke ist empfindlich, hat eine stammelnde Sprache, trockne Zunge, heiße oder mit kalten Schweißen bedeckte Haut, matte Augen etc. Das eigentliche Nervenfieber zeigt sich nur in sofern vom nervösen verschieden, als das Nervensystem gleich anfänglich der Träger der[401] Krankheit ist. Es entsteht nach Blutungen, Säfteverlusten, Ruhren, Nachtwachen, Geistesanstrengungen, Gemüthsbewegungen, verdorbener Luft etc. Es ist schleichend, wenn die Zeichen einen milden Charakter haben, hitzig, wenn sie stürmisch auftreten und der Kranke tobt und rast, faulig, wenn sich die Symptome des Faulfiebers dazu gesellen. Im ersten Falle ist der Kopf eingenommen, wüst, schwer, der Kranke kann nicht aufbleiben, der Körper ist wie zerschlagen, der Schlaf unruhig, der Apetit unterdrückt, die Zunge belegt. Dann stellt sich Frösteln, Fieberhitze, Irrereden ein, der Kranke liegt still, ist gleichgültig, fühlt wenig von seinem Zustande, klagt über nichts oder über Schmerzen an verschiedenen Orten und Dehnen in den Gliedern, spricht langsam, abgebrochen, hat trockne, glühend heiße oder mit kalten Schweißen bedeckte Haut, trockne Zunge, Brausen in den Ohren; der Puls ist schnell wie der Athem, der Durst groß etc. Die Krankheit dauert oft viele Wochen, und der Kranke braucht lange Zeit, um sich zu erholen. Das hitzige Nervenfieber befällt meist junge, blutreiche, gutgenährte, robuste Personen, tödtet oft schon wegen der Heftigkeit in den ersten Tagen, weil der Kampf im kräftigen Körper zu stürmisch ist. Der Kopf glüht, die Augen treten hervor, alle Kräfte sind so aufgeregt, daß mehrere Wächter den Kranken kaum zu bezähmen im Stande sind, bis er erschöpft niedersinkt. In lichten Augenblicken klagt er über Angst, Schmerzen in Augen und Ohren. Geht die Krankheit einem üblen Ausgange entgegen, so schwindet das Bewußtsein immer mehr, der Kranke greift in die Luft, zupft am Bette, schluckt nicht mehr; der Unterleib ist aufgetrieben, schmerzhaft, die Augen sind stier; es entstehen blaue Flecken in der Haut, und er stirbt unter Krämpfen oder am Schlagfluß. Gute Zeichen sind: die feucht und weich werdende Zunge. der klarere Blick, der bessere Schlaf und der Eintritt naturgemäßer Ab- und Aussonderungen. Der faulige Charakter zeigt sich durch fauligen Geruch des Athems und der Aussonderungen, durch heftige Blutungen, schwarze Zunge und Zahnfleisch. Die[402] Behandlung richtet sich nach den Umständen. Im Allgemeinen ist für reine, kühle Luft, kühlendes Getränk und Reinlichkeit zu sorgen. Erhitzende Arzneien schaden, und Kranke, die wenig gepflegt wurden, kalt wohnten, genasen besser, als solche, wo zuviel gethan ward. In Zeiten, wo ansteckende Fieber herrschen, muß man mäßig leben, nicht zu viel mit dem Kopfe arbeiten oder sich Sorge machen, lieber bewege man sich viel im Freien, lüfte die Zimmer, kaue Nelken oder Zimmt, schlucke den Speichel in Krankenstuben nicht hinab, ein Glas trinke Wein und scheue sich nicht.
D.