[205] Troubadours. Das ganze Mittelalter erscheint dem liebenden Forscher wie ein Kreuzzug nach den Landen der Poesie. Denn was ist die Ahnung von fernen schöneren Küsten, was die Sehnsucht nach den Wundern des Morgenlandes, nach der Ruhestätte auf Golgatha, was das abenteuerliche Begehren nach einer romantischen Wanderung voller Gefahren und schwerer Kämpfe[205] denn wohl anders als die Sehnsucht nach dem lieblichen Reiche der Dichtkunst? Dieses kindlich unbewußte, aber ahnungsreiche Begehren nach heiligen Wundern und Geheimnissen, welche ihren Brennpunkt hatten in der Sehnsucht nach der heiligen Stadt, ist das Grundelement jener phantastischen Jahrhunderte, in denen ritterlicher Gesang und minnigliches Ritterthum sich zur schönsten Blüthe entfalteten. Rings war der Himmel umthaut von blauen Fernen, lauter süßen, Lösung fordernden Räthseln, und im Hintergrunde glänzte stets das goldene Kreuz vom Octberg herüber wie ein Talisman auf die Purpurtoga des Orients. Zogen so die einzelnen Jahre jener Zeit gleich Kreuzfahrern in die Ferne, so mußten doch auch lächelnde Ruhepunkte sein inmitten der Fahrt, Darum einten sich die Ritter an Rasttagen auf dem Blachfelde zu lustigen Turnieren; daher erhoben sich am Abende der Tagereise mitten aus den Reihen der Psalmodisten mit Muschelhüten blumenbekränzte, leichtbeschwingte Sänger, die von des Lebens murmelndem Quell und von dem goldenen Augenblick lustige Liederchen sangen. Als solche fröhliche Weltsänger auf den Ruhepunkten der romantisch-mystischen, mittelalterlichen Kreuzfahrt erscheinen aber die T., jene Ritterdichter des 12. und 13. Jahrh. der Provence (s. d.), die in der weichen, romanischen Sprache dieser Provinz, der langue d'oc, die muntern Gefühle ihres lebendig pochenden Herzens sangen. Südfrankreichs Adel hatte sich im 11. Jahrh. durch Reisen und Bekanntschaft mit der arabischen Literatur, begünstigt durch das milde, herrliche Klima und einen von Natur raschen, für alles Schöne und Flüchtige empfänglichen Geist auf eine ungewöhnlich hohe Stufe der Bildung erhoben. Die Grafen von Provence, welche damals den prächtigsten Hofhalt in ganz Europa führten, versammelten um sich die talentvollsten Dichter des südlichen Frankreichs; kein Fest verging, das nicht durch Gesänge zur Harfe oder Laute verherrlicht wurde. Der glückliche Sänger erhielt selbst aus schönen Händen zum Preisgeschenk silberne Rosen, Veilchen und andere Blumen. So entstand[206] unter dem gesammten Adel ein wahrer poetischer Wetteifer. Leichtigkeit der poetischen Erfindung war Haupterforderniß; stammt doch der Name T. selbst vom französischen trouver, finden, ab. In der Normandie hießen sie Trouvères, und die, welche zugleich Vorzügliches im Gesange und Lautenspiele leisteten, wurden auch Menetriers und Jongleurs, Spielleute, genannt. Zuweilen trat auch eine ernste, düsterphantastisch gekleidete Gestalt in den heitern Liederkreis, namentlich der berühmte Pilger Romeo von Provence, und hauchte einen heißern Athemzug voll Schwärmerei in inbrünstiger Begeisterung über die goldene, romanische Laute. Durchgängig waren diese Weisen gereimt und bildeten 3 Hauptgattungen: die Canzonen, welche theils fröhliche oder klagende Liebeslieder (Sontas und Lais), theils idyllische (Pastourelles), oder religiöse und didaktische Lieder waren; ferner die Sirvendes, heroische Hymnen zum Preise großer Helden, Fürsten, Palatine etc.; und die Tenzonen (Tensons), scherzhafte Wettgesänge über Streitfragen der Galanterie, die von den Minnehöfen entschieden wurden. Neben diesen blühten noch die Aubades (Morgen-) Serenades (Abendständchen) und die Redondes mit ihren mühsam eingeflochtenen Refrains. Am schönsten duftete die provençalische Kunst am Hofe zu Arles im 12. Jahrh. unter dem Grafen von der Provence, Berengar III. Den Reihen der T. beginnt der als Sänger und Ritter gleich ausgezeichnete Wilhelm IX., Graf von Poitou und Herzog von Aquitaine (geb. 1071.) Vorzüglich würdigten die Sängerorden ihres Schutzes, außer vielen franz., spanischen und italienischen Grafen und Herren, an ihren Höfen der Kaiser Friedrich Barbarossa; Roger von Neapel; König Richard Löwenherz; und die Könige Alfons und Peter von Aragon. Unter den 200 T., deren Namen und Gedichte wir noch besitzen, nennen wir hier nur den Sordello von Mantua, welcher sich Dante's Beifall erwarb; Bertrand de Born, welcher in das romantische Labyrinth der Schicksale von Richard Löwenherz verwickelt war, und den gefeierten T, und Ritter Arnald von Maraviglia, dessen Andenken[207] Fouqué wieder erneuerte in seiner echt provençalischen »Sängerliebe.« Als der letzte Provençale wird Jean Esteve de Blefières (um 1286) bezeichnet. Mit ihm erlosch der poetisch-ritterliche Wahlspruch dieses Ordens: » A Dieu mon àme, ma vie au roi, mon coeur aux dames, l'honneur pour moi«
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