[598] Malerei. a) Romanische und gotische Zeit. Den eigentlichen Ursprung der Malerei in den nördlichen Ländern nachzuweisen, ist deshalb schwierig, weil einesteils die Werke der Malerei den verderblichen Einflüssen der Zeit einen weit geringeren Widerstand entgegensetzen, als z.B. diejenigen der Architektur oder Skulptur, andernteils aber, weil die Jahrhunderte nach der Reformation in ein feindliches Verhältnis zu dem traten, was die Vorzeit besonders in der Malerei Grosses hinterlassen hatte. Was wir deshalb aus der frühen Zeit der romanischen und gotischen Epoche noch besitzen, beschränkt sich auf äusserst weniges. Das meiste besteht in Miniaturen, jener Ausschmückung geschriebener Bücher durch Bilder, Randzeichnungen und Zierbuchstaben (s. den Artikel Miniaturen). Indessen liegen dennoch genug Beispiele vor, aus denen sich schliessen lässt, dass die Malerei besonders in Wandgemälden der Kirchen sich zu grosser räumlicher Wirkung entfaltet hatte, und dass eine völlige Bemalung des Inneren der Kirchen an Wänden, Gewölben und Holzdecken allgemeine Sitte war.
Der Zusammenhang mit der Architektur verlieh dem Stil der Malerei eine strenge Erhabenheit und Würde. Die Regung des individuellen Lebens war zwar eingeschränkt, aber dafür gewährten die Gestalten, die sich in kräftigen Farbentönen von dem in der Regel blau gehaltenen Hintergrund in energischen Umrissen abgehoben, verbunden mit einer einfachen architektonischen Gliederung, welche dem Ganzen klare Übersichtlichkeit, rhythmischen Wechsel und reiches Leben verlieh, den Eindruck von hoher[598] Würde und Macht. Derart enthält der Wormser Dom viele verblichene Wandmalereien. In der Liebfrauenkirche zu Halberstadt, in der Stiftskirche zu Quedlinburg schimmern noch die alten Malereien hervor, und in manch' anderen Kirchen hat die Übertünchung den alten Schmuck heiliger Wandmalereien nicht ganz vertilgen können. Unter den Werkendes entwickelten 12. Jahrhunderts stehen die der Kirche in Schwarzrheindorf an Ausdehnung und künstlerischem Gehalte obenan. In der Schlussepoche des romanischen Stiles scheint die Wandmalerei besonders am Niederrhein, in Westfalen und Sachsen sich zu umfassenden Leistungen ausgebildet zu haben, so im Kapitelsaal in Brauweiler, in der Nikolaikapelle zu Soest und der Kirche zu Methler, vor allem aber in den bedeutenden Gewölbemalereien im Chor und Querschiff des Domes zu Braunschweig. Eines der wichtigsten Werke dieser Zeit ist die Holzdecke der Michaelskirche zu Hildesheim, die in überaus schöner Einteilung und reichem ornamentalen Rahmen den Stammbaum Christi enthält.
Bereits in der frühen Zeit des 13. Jahrhunderts entwickelt sich neben dem romanischen Stile ein anderer, welcher mit der Zeit allgemein vorherrschend wird. Das Starre, Strenge, Ernste, die traditionell überlieferte Bildungsform verschwindet und macht einer weicheren Führung und einem eigentümlichen Schwunge der Linien Platz. Die Gestalten verlassen ihre ruhige Stellung oder eckige schroffe Bewegung und nehmen etwas Graziöses in Haltung und Geberde an; die Falten der Gewänder fliessen weich, in langen Linien und Massen herab, die Gesichter erhalten die Andeutung eines lieblichen, häufig sentimentalen Ausdruckes, der zuweilen zwar nicht ohne Manier, insgemein jedoch auf eine schlichte, naive Weise hervortritt. Es ist das Erwachen des subjektiven Gefühls des Künstlers, welches die dargestellten Personen unbewusst durchdringt. Hand in Hand mit der Architektur zeigt sich aber auch hier ein typisch wiederkehrendes Gesetz der Formbildung. Das Gesetz einer architektonischen Symmetrie herrscht über Naturwahrheit vor. Grössere Darstellungen, welche die allgemeinen Typen des gotischen Stiles mit grösserer oder geringerer Vollendung tragen, sind mannigfach als Tafelbilder, Wandgemälde, als Glasmalereien und gewirkte Teppiche erhalten. Unter den bekannten gotischen Wandmalereien sind die der Frühzeit angehörenden Gemälde in der Apsis zu Brauweiler, besonders aber die Malereien an den Gewölben und Wandungen der ehemaligen Kapelle zu Ramersdorf bei Bonn Fig. 85 (Kunsthist. Bilderbogen), im Dom zu Köln, in der Thomaskirche zu Soest, der Klosterkirche zu Wienhausen, der Marienkirche zu Kolberg, im Dome zu Marienwerder, der Vituskirche zu Mühlhausen a. N. und viele andere als Beispiele anzuführen.
Indessen verdrängte der sich rasch ausbreitende gotische Stil die Malerei doch immer mehr und mehr. Die grossen Wandflächen, welche die romanische Baukunst geschaffen, schrumpften zusammen und machten einem steinernen Gerippe mit eingespannter Fensterwand Platz. Die Architektur drückte ihre Schwesterkunst zu blosser Ornamentik herab, und die nordischen Nationen erkauften, die Befriedigung, sich im gotischen Stil mit ihrer ganzen Kraft auszusprechen, auf Jahrhunderte mit der völligen Einbusse der Fähigkeit, in grossräumigen Schöpfungen ihre höchsten Ideen mit den Mitteln der Kunst darzustellen, die recht eigentlich zum Ausdruck derselben bestimmt schien.
Die Malerei wurde gezwungen,[599] sich auf Schöpfungen der Kleinkunst zu werfen. Besonders blüht deshalb auch in dieser Epoche die Miniaturmalerei auf, daneben aber zugleich die sogenannte Tafelmalerei, deren Werke jene schliessenden Deckel von Altarschreinen bedeckten, wie sie zu dieser Zeit allgemein im Gebrauche waren. Entsprechend der Technik, Auftrag der mit Eiweiss angemachten Farben auf einem feinen Kreideüberzug, sind dieselben meistens zart, licht und durch häufig angewandte Vergoldung abgetönt. Die allgemeine Richtung der Zeit mit ihrem sanften Gefühlsausdruck[600] und ihrem Spiritualismus wiegt in diesen Werken zwar vor, indessen treten doch innerhalb dieser Grundzüge seit 1350 besondere Richtungen, selbständig ausgeprägte Schulen vor. Der einzelne ordnet sich zwar wohl noch ein Jahrhundert lang völlig den gleichen Prinzipien unter, welche seine Genossen befolgen; sein Schaffen geht auf in dem seiner Genossen und hebt sich höchstens durch den höheren oder geringeren Grad technischer Ausführung, nicht aber dem Charakter nach, von der Menge ab. Vor allem waren es die drei Städte Köln, Prag und Nürnberg, welche zu Zentralpunkten für Malerschulen der gotischen Zeit wurden.
Besonders in Köln fand die ideale Erhebung der mittelalterlichen Kirche ihren vollkommenen Ausdruck.
Schule von Köln. Die schriftlichen Nachrichten über die einzelnen Künstler, denen die Werke dieser Schule angehören, sind äusserst dürftig. Man knüpft an die bedeutendsten Gemälde die Namen zweier Meister, entsprechend den beiden Hauptepochen, wie sie im Verlauf in der Kölnerschule beobachtet werden können. Der erste von diesen ist der Meister Wilhelm von Herle, von dem die gleichzeitige Limburger Chronik (1360) berichtet, dass er der beste Maler in allen deutschen Landen gewesen sei und dass er jeglichen Menschen von aller Gestalt gemalt habe, als hätte er gelebt. Bei ihm herrscht reine Kinderunschuld, Zartheit der Empfindung und Holdseligkeit des Ausdrucks in anmutigen schlanken Gestalten und einem duftigen Schmelz des Kolorits vor. Von dem bedeutenden Einfluss, welchen dieser Meister auf die Kunst seiner Zeit ausübte, giebt eine namhafte Anzahl Bilder seiner Schüler Zeugnis. Einem unter denselben war es beschieden, den vorzüglichen Leistungen seines Meisters noch Vorzüglicheres an die Seite zu stellen. Dies ist der Meister des berühmten Kölner Dombildes, Fig. 86 (Kunsth. Bilderbogen): Stephan Lochner. Seinen Namen hat uns Dürer in seinem Reisehandbuch aufbewahrt. Er tritt vorerst in die Fussstapfen seines Meisters, ist erfüllt von derselben Tiefe der Andacht und Unschuld, bringt sie in denselben edlen Gestalten zur Erscheinung, verleiht ihnen aber durch kräftigere Modellierung, intensivere Färbung und Anwendung schmuckvoller Zeittracht einen höheren Grad von Wirklichkeit. Seine Richtung führt die streng kirchlich ideale Kunst des Mittelalters bereits an den äussersten Grenzpunkt, über den hinaus sie keiner Entwicklung mehr fähig ist, ohne ihren unbeugsamen Prinzipien völlig untreu zu werden.
Ganz im Gegensatz zu der kölnischen Schule entfaltet die deutsche Malerei eine andere Blüte in der Schule zu Prag unter der Regierung Kaiser Karls IV. (134678.) Kaiser Karl führte, seiner Weltstellung gemäss, verschiedenartige Elemente in die Malerei seines Hofes ein, wovon die Meisternamen Thomas von Modena und Nikolaus Wurmser von Strassburg Zeugnis geben; auch scheint byzantinischer Einfluss mitgewirkt zu haben. Allein trotzdem bewahrt die böhmische Schule den einheitlichen lokalen Charakter, als dessen Vertreter man Meister Kunze nennt. Die bedeutendste Anzahl Werke dieser Künstler sieht man in dem von Karl erbauten Schloss Karlstein und in der Kapelle des heiligen Wenzeslaus im Dome zu Prag. In ihren allgemeinen Verhältnissen lassen sie das Schlichte und die einfache Würde des gotischen Stiles erkennen. Der vorwiegende Charakter ist der einer überaus grossen Weichheit, der in der Formgebung fast zum Verschwommenen hinneigt. Die Farbe[601] ist ausserordentlich fein vertrieben, die Formen aber sind zumeist breit und plump, die Nasen überaus dick und rundlich, die Lippen voll, die Augen gross und von weit mehr offenem als heiterem Eindruck, dabei die Haltung der Gestalt meist unbehilflich und besonders durch die hohen Schultern und den kurzen Hals ängstlich gedrückt. Allein trotz alledem lag hier mehr als in Köln der Ansatz zu grosser monumentaler Kunst. Geschaffen und gehoben durch die Gunst Karls IV. erhielt[602] diese Schule das Gepräge der andern Vormacht des deutschen Mittelalters, des alten Kaisertums.
Zwischen diesen beiden Polen deutscher Kunstentwickelung im Westen und Osten liegt die Reichsstadt Nürnberg. Wie in Köln und Prag sind auch hier die Elemente der ersten Entwickelung dem heimatlichen Boden entwachsen. Doch führte der lebhafte Verkehr der aufblühenden baulustigen Handelsstadt notwendig zu mannigfachen Berührungspunkten mit der Fremde, und soweit sich der Gesamtcharakter der ersten dortigen Schule aufstellen lässt, liegen deren Eigentümlichkeiten zwischen dem Wesen der Kölner und Prager Schule mitteninne. Die Malerei steht hier unter entschiedenem Einfluss der mächtigen Skulpturthätigkeit und sucht durch strenge Zeichnung, entschiedene Formgebung und Modellierung mit der Schwesterkunst zu wetteifern, während zugleich ein kräftiges Kolorit die eigentliche malerische Wirkung festhält. Die Gestalten zeigen weiche aber gedrungene Formen, die Köpfe kindlichen Ausdruck bei weit geöffneten, meist braunen Augen. Eine bedeutende Anzahl hierhergehöriger Bilder sieht man in den Hauptkirchen Nürnbergs St. Sebald und St. Laurenz. Die spätern Werke machen sich durch ein etwas gedrungenes Verhältnis der Formen bemerkbar, wie am Tucherschen Hochaltar in der Frauenkirche. Weniger noch als in Köln oder Prag lassen sich hier einzelne Künstler beim Namen nennen.
Der Entwicklungsgang, der sich an die Nürnberger Schule anschliesst, entspricht ganz den Geschicken des deutschen Volkes. Die Schulen von Prag und Köln vertraten die höchste Ausbildung, deren die mittelalterliche idealistische Richtung fähig war. Jetzt veränderte sich der Schwerpunkt im Leben der Nation. Die Kaisermacht verflüchtete sich, und die Herrschaft der Kirche wurde unterwühlt. Dafür erhob sich das Bürgertum mehr und mehr zu selbständiger Bedeutung, und da dasselbe sein Augenmerk irdischen Dingen zuwandte, musste jede weitere Vervollkommnung der Malerei notwendig zur genaueren Beobachtung der Naturgegenstände und zum Überwiegen der realistischen Behandlung führen. Die ersten Keime davon fanden wir bereits in der Kölner Schule in Lochner, allein sie erlag dem mächtig einbrechenden realistischen Zug der Zeit; die Prager Schule aber ging in den Stürmen der hussitischen Wirren gänzlich unter.
Bevor wir jedoch die Entwickelung der Malerei in Nürnberg und auf deutschen Boden weiter verfolgen, haben wir unseren Blick für einige Zeit nach dem Norden zu richten. Hier war es die grosse Handelsverbindung der Hansa, welche von nun an die gebietende Weltstellung im Norden Europas einzunehmen begann. Ihre Hauptstadt lag in den Niederlanden, und wie von Brügge aus der Markt in Süd und Nord beherrscht wurde, so sollte auch von Brügge aus der neue Geist in der Malerei ausgehen.
b) Zeit der Renaissance, 1. Altflandrische Schule. Flandern sollte die Geburtsstätte der modernen Malerei des Nordens werden. Das reiche, glänzende, vielbewegte Leben, wie es in den flandrischen Städten damals seinen Gipfelpunkt erreicht hatte, musste mächtig auf die Entwicklung der Malerei einwirken, nachdem das Auge des Künstlers einmal für die ihn umgebende Wirklichkeit geöffnet war. Die unendliche Mannigfaltigkeit der hier zusammenströmenden Menschen, in Physiognomie, Geberde, Tracht und Sitten, forderte die Beobachtung heraus und schärfte das Auge. Das Abgeschlossene einzelner idealer Gestalten oder symmetrisch[603] geordneter Gruppen wird verlassen, der starre Glanz des goldenen Hintergrundes hinweggethan und dem Blick die Möglichkeit eröffnet, in die Tiefe und Weite einzudringen. Die ganze Welt der Erscheinungen, Himmel und Erde, Nähe und Ferne, anmutvolle Bergzüge und grüne Matten, die Behaglichkeit und der Schmuck menschlicher Wohnungen, alles das wird in den Werken der Folgezeit wiedergespiegelt. An der Spitze dieser neuen Richtung stehen die Gebrüder van Eyck: Jan und Hubert. Hubert wurde vermutlich 1366 in Maaseyk geboren, das Geburtsjahr seines Bruders fällt gegen 1400. Über die Lebensumstände der beiden Meister ist wenig bekannt, dagegen glänzen ihre Verdienste als Begründer einer ganz neuen Weise der Malerei um so unzweifelhafter. Dem Inhalte nach schliessen sie sich aufs innigste der gedankenvoll symbolischen Kunstweise des Mittelalters an, greifen aber zugleich mit kühnem Mut ins Leben und prägen in allem scharf die Zustände ihrer Zeit und ihres Vaterlandes aus. Zugleich erfinden sie neue Vorteile in Bereitung und Anwendung[604] der Farben und erreichen durch Verwendung des Öles als Bindemittel eine vorher nicht gekannte Leuchtkraft und Tiefe derselben. Das berühmteste Werk der beiden Brüder ist das grosse Altarwerk, welches von ihnen für die Kirche des heiligen Johannes zu Gent gemalt und im Jahre 1432 vollendet wurde. Fig. 87. (Kunsthistorische Bilderbogen). Ein grosser Gedanke, der Gedanke der Versöhnung, der Grundgedanke des Christentums, durchzog dasselbe. Heutzutage ist das Werk zum Teil zerstört, zum Teil verdorben. Von der künstlerischen Thätigkeit des Hubert ist ausser diesem Riesenwerke wenig auf uns gekommen, dagegen sind von der Hand Jan's mehrere Arbeiten erhalten geblieben. Auch die Schwester der beiden van Eyck, Margarete, war eine bedeutende Malerin. Obschon historisch beglaubigte Arbeiten von ihr kaum gekannt sind, so kann doch manches von den Miniaturmalereien van Eyck'schen Stiles ihrer Hand zugeschrieben werden. Die von den van Eyck begründete Darstellungsweise übte einen unwiderstehlichen Einfluss auf die Zeitgenossen aus, wie sich aus den zahlreichen Bildern ihrer Schüler und Nachfolger ergiebt. Als die bedeutendsten werden genannt: Gerhard van der Meere, Justus von Gent, der hochgeschätzte Hugo van der Goes, Albert Ouwater u.s.w.
Als einer der bedeutendsten Maler wird Hans Memling gerühmt, der die Weise der Eyckschen Schule in einem eigentümlich strengen Sinn auffasst. Die Züge der Gesichter sind bei ihm weniger lieblich, sondern ernster, die Gestalten nicht so zierlich schlank, die Bewegung weniger weich, die Behandlung schärfer und mit genauerer Ausbildung des einzelnen. In der Gruppenanordnung befolgt er strenge Symmetrie und giebt gern im Hintergrunde die Begebenheit vor und nach der Haupthandlung in kleinerem Massstabe. Seine Landschaften tragen den Charakter des Sommers an sich. Überaus glücklich ist er in Darstellungen, welche den stärksten Glanz des Lichtes voraussetzen. Die vorzüglichste Auswahl von seinen Gemälden findet man im Spital des heiligen Johannes in Brügge, worunter namentlich der berühmte Ursulakasten, die Darstellung einer der anmutigsten Heiligenlegenden, hervorzuheben ist. Der eigentümlichen Darstellungsweise Memlins verwandt sind die Gemälde des Dierick Bouts von Harlem. Zu den spätesten Nachfolgern der Eyckschen Schule gehören ferner Rogier van der Weyden und Anton Claessens. Rogier wurde in Tournay geboren; seit 1436 wird er als Maler der Stadt Brüssel genannt, in deren Auftrag er vier Bilder für den Rathaussal malt. In realistischer Treue und Genauigkeit der Schilderung geht er noch über Jan van Eyck hinaus; seine Gestalten sind meist hart und eckig und mager, die Köpfe aber voll physiognomischer Kraft und Tiefe. Eines seiner bedeutendsten Bilder ist der irrigerweise sogenannte Reisealtar Karls V., ferner sein jüngstes Gericht im Hospital zu Beaume. Zum Schlusse mag noch eines eigentümlichen niederländischen Künstlers gedacht sein, der sich ganz unabhängig von seinen Zeitgenossen gebildet hat, des Hieronymus Bosch. Seine Darstellungen sind aus einer höchst abenteuerlichen Phantasie hervorgegangen, wahre Traumgebilde, die er jedoch in einer merkwürdigen Farbenglut zu gestalten wusste. Namentlich war ihm die Hölle ein beliebter Vorwurf, worin die armen Seelen aufs unerhörteste gepeinigt werden, wahre Küchenstücke der Hölle.
2. Deutsche Schulen. Bevor wir der mit Ende des 15. Jahrhunderts in den Niederlanden sich bahnbrechenden[605] neuen Richtung unsere Aufmerksamkeit zuwenden, sei vorerst der Entwicklung der Malerei in deutschen Landen gedacht. Selbstverständlich musste die bedeutsame Thätigkeit der flandrischen Schule mannigfach auch über die Grenzen der Heimat hinauswirken und zur Nachfolge reizen. Es wurde schon betont, dass die ältere Kölner Schule, trotzdem Meister Stephan Lochner schon leise Anklänge für die neue Richtung angeschlagen hatte, vor dem glänzenden Realismus spurlos zusammensank. Das zeigt sich namentlich in dem Meister der Lyvensbergischen Passion, welches Bild in der Ausführung ganz an die Weise Rogiers van der Weyden sich anlehnt. Die Einwirkung des Meisters der Lyvenbergischen Passion auf seine Umgebung war sehr bedeutend. Unter seine Nachfolger gehören Bartholomäus de Bryn und Jan Joest. Zu gleicher Zeit aber erhält sich in Westfalen die erhabene Hoheit der älteren Kölner Schule, welche im Meister von Lisborn einen letzten Vertreter findet, der im Hochaltar des Klosters Lisborn ein Beispiel einer seltenen Verschmelzung jenes feierlichen Stiles mit der realen Charakteristik und lebensvollen Ausbildung hinterlassen hat.
Bedeutender und selbständiger nehmen die Schulen von Ober- und Mitteldeutschland die flandrischen Einflüsse auf. Ohne den idealen Sinn der früheren Zeit völlig preiszugeben, huldigen sie der neuen Richtung in manchen Punkten und erzielen bisweilen eine glückliche Verschmelzung der beiden Grundelemente, so in dem Altarwerk der Kirche zu Tiefenbronn von Lucas Moser, auf dessen Rahmen man den Stossseufzer des Malers liest: »Schrey Kunst, schrey und klag dich sehr, dein begehrt jetzt Niemand mehr«, vielleicht ein Zeugnis dafür, dass die Welt anfing, sich von den Vertretern der älteren Schule abzuwenden. Zu gleicher Zeit lebte in Nördlingen ein Meister Friedrich Herlin, von dem im Bürgerbuche von 1467 ausdrücklich berichtet wird, dass er mit niederländischer Arbeit umzugehen wisse. Bilder von ihm sieht man in der Jakobskirche zu Rothenburg, den städtischen Sammlungen zu Nördlingen und dem National Museum zu München.
Viel bedeutender als diese beiden Meister ist der Begründer der Elsässer Schule: Martin Schongauer (auch Schön, oder Bel Martino genannt) von Kolmar. Seine Ausbildung erhielt er von Rogier van der Weyden. Die Auffassung des Lebens ist bei ihm dieselbe, wie bei den Niederländern; in der Behandlungsweise stimmt er jedoch nicht durchaus mit ihnen überein. Seine Farbe ist im allgemeinen nicht von kräftigem Tone, sein Faltenwurf würdig gezeichnet, seine Karnation meist sehr weich. Die Gestalten zeigen eine ruhige Würde, in den Köpfen derselben ist der Anklang einer vollendeten, gereiften Schönheit zu finden, wie er fast nirgends in der älteren Kunst wahrgenommen wird. Die wichtigsten Gemälde Schongauers haben sich in Kolmar selbst erhalten, unter welchen die Madonna am Rosenhag in der dortigen Martinskirche eines der bedeutenderen ist. Sehr Treffliches leistete Schongauer im Kupferstich, wo er teils noch in ziemlich nahem Anschluss an die flandrische Kunst, teils schon zu einem eigenen Stil fortgeschritten erscheint, dessen äussere Merkmale neben der feinen sinnigen Schönheit der Köpfe eine gewisse Unruhe der knitterig behandelten Gewandung, eine scharfe eckige und magere Zeichnung und eine Beimischung oberdeutscher Trachten sind. In anderen Stichen tritt das phantastische Element hervor, wie z.B. in einer Versuchung des heiligen Antonius, wo der Heilige[606] von wunderlichen Dämonen in die Lüfte emporgeführt wird. Sein Porträt hat uns sein Schüler Hans Larghmair hinterlassen.
In einer gewissen Verwandtschaft zu Martin Schön steht sein etwas jüngerer Zeitgenosse Hans Holbein der Ältere, der um 1460 in Augsburg geboren ward, sich bis 1499 dort aufhielt und dann vorübergehend in Ulm und Frankreich lebte und 1524 in Augsburg starb. Holbein tritt in die Fussstapfen Schongauers ein. Seine Bilder verraten zwar etwas Handwerksmässiges und zeigen scharfe, eckige Formen, doch gewahrt man in ihnen das Ringen eines lebendigen kräftigen Geistes, in einzelnen vornehmlich weiblichen Köpfen eine erfreuliche Anmut und überraschende Zartheit. Das Böse stellt er nicht in eigentlich hässlicher Gestalt dar, sondern nur in disharmonischen, phantastischen Formen. Von ihm sind zahlreiche Werke in der Galerie zu Augsburg und der Pinakothek zu München vorhanden. Holbein war seiner Lebtag arm geblieben und hatte gegen sein Lebensende oft mit der bittersten Not zu kämpfen. Neben Hans Holbein dem älteren war sein Bruder Sigmund ebenfalls ein bedeutender Künstler.
In ähnlicher Richtung wie Holbein bewegt sich anfangs Hans Burgkmaier, 1472 zu Augsburg geboren. In gewissen Schärfen der Zeichnung, wie auch in einzelnen Phantastereien folgt er dem Zuge der Zeit. Durch seinen Aufenthalt in Italien brachte er die Auffassung der Renaissance nach der Heimat. Unter den im ganzen nicht sonderlichen, aber zahlreichen Bildern befinden sich einige, die sich durch Kraft der Charakteristik, lebendige Schilderung und warme harmonische Färbung auszeichnen. In der Galerie in Augsburg ist der Künstler am reichsten vertreten. Seine Hauptwerke sind: Christus und die Madonna, von den Heiligen verehrt, die Geisselung Christi, Johannes auf Patmos etc. Besonders das erstere ist mit einer gewissen Keckheit hingeworfen.
Abweichend von dieser Richtung der deutschen Kunst hatte sich im Beginn des 16. Jahrhunderts in Ulm eine Malerschule gebildet, in welcher das phantastische Element, das sich schon in den früheren Entwickelungsperioden der nordischen Kunst geltend machte, vornehmlich aber bei den Malern der späteren Zeit, wie Martin Schön und dem älteren Holbein sich zeigt, minder charakteristisch hervortritt. Eine eigentümliche edle Milde bildet den Grundzug ihrer Kunst. Einer der bedeutendsten Künstler der Ulmer oder schwäbischen Schule ist Bartholomäus Zeitblom von Ulm, der gegen 1450 geboren ward. Fig. 88, Geburt Christi von Zeitblom (Kunsthist. Bilderbogen). Seine Werke zeigen ein bewusstes und im einzelnen durch glücklichen Erfolg gekröntes Streben nach einer würdigen und bedeutsamen Erfassung des Gegenstandes, verbunden mit einem aufrichtigen Anschliessen an das Vorbild der Natur. Seine wichtigsten Bilder befinden sich in der öffentlichen Sammlung zu Stuttgart. Von der ausgedehnten Wirksamkeit Zeitblom's geben verschiedene Werke Zeugnis, die als Arbeiten seiner Schule betrachtet werden müssen, so namentlich der Hochaltar in der ehemaligen Klosterkirche zu Blaubeuren. In dem grossartigen Hochaltar der Kirche zu Tiefenbronn lernen wir einen anderen wackeren Künstler der Ulmer Schule kennen, den Hans Schühlein. Allen voran aber geht Martin Schaffner, zu dessen trefflichsten Werken vier Tafeln mit der Verkündigung, Darstellung im Tempel, Ausgiessung des heiligen Geistes und dem Tode Marias gehören. Andere Bilder des Meisters bergen der Münster in Ulm und die Galerien zu Stuttgart, Sigmaringen und Berlin.[608]
An die obengenannten Künstler reiht sich wiederum einer der bedeutendsten Meister deutscher Kunst an: Hans Holbein der Jüngere, der Sohn des obengenannten Künstlers gleiches Namens. Zu Augsburg 1497 geboren, wandte er sich schon in frühen Jahren nach der Schweiz, Frankreich und England, wo er 1543 in London starb. Schon mit 18 Jahren tritt er als tüchtiger Maler auf und gehört zu den wenigen Meistern des Nordens, welche entschieden Einflüsse italienischer Kunst in sich aufgenommen und zu vollkommener Selbständigkeit verarbeitet haben. Holbein ist vornehmlich Porträtmaler. Seine zahlreichen Bildnisse zeigen ein inniges, unbefangenes Anschliessen an die Natur und eine edle Ruhe und Gemessenheit. Obschon in sorgfältiger Behandlung aller Einzelheiten den Arbeiten der Zeitgenossen sich anschliessend, stehen sie denselben doch in einer schöneren Fülle der Formen und in einer kräftigeren intensiveren Färbung weit voran. Die historisch beglaubigten Arbeiten Holbein's fangen erst in Basel an und werden im dortigen Museum aufbewahrt, worunter besonders ein furchtbar naturalistischer Christus hervorzuheben ist. In dieselbe Zeit fallen zwei Gemälde im Münster in Freiburg, die Geburt Christi und die Anbetung der Könige, ferner eine Reihe vorzüglicher Porträts, wie das des Bürgermeisters Meier und seiner Frau. Vor allem wichtig sind acht Bilder der Passion, von 15201525 entstanden, höchst dramatisch, kühn und gewaltig in der Komposition, aber geläutert durch die Einflüsse Raffael's. Etwa um 1524 ist die berühmte Madonna des Bürgermeisters Meier entstanden, keine hinreissende Schönheit, sondern die tief empfundene Schilderung echt deutschen Familienlebens. Fig. 89. Nicht minder stimmungsvoll ist die Madonna von Solothurn.
Wie Holbein monumentale Aufgaben behandelte, erkennen wir in den grossen Wandgemälden im Saal des Basler Rathauses. Seit seiner Übersiedelung nach England widmete er sich beinahe ganz der Porträtmalerei. Auch als Miniaturmaler leistete Holbein Ausgezeichnetes. In genialster Weise bekundet dies sein Totentanz, in welchem er dem phantastischen Geiste der Zeit den schuldigen Tribut zahlt. Wie er aber hier im kleinen als wahrer Künstler wirkt, so wirkt er nicht weniger im grossen. Seine Entwürfe zu den Fassademalereien bezeugen, mit welch genialer Freiheit er die Malerei in monumentaler Weise zu verwenden wusste.
Als direkte Nachahmer Holbein's gelten Christof Amberger, von dem ein paar gute Porträts erhalten sind, Urs Graf und Nicolaus Manuel von Bern, genannt Deutsch, der als geistreicher Anhänger der Reformation die Missbräuche der katholischen Kirche durch seine Kunst zu verspotten wusste; von ihm stammen auch die an die Kirchhofmauer des Dominikanerklosters in Bern in Farbe ausgeführten Totentänze.
Fränkische Schule. Unabhängiger von den besonderen Eigentümlichkeiten der niederländischen Malerei und nur im allgemeinen auf verwandter Entwickelungsstufe stehend, erscheinen die Künstler von Nürnberg. Wir haben schon anfangs gesehen, wie dort, gestützt auf ein kräftiges Bürgertum, die neueinbrechenden Ideen freudig aufgenommen wurden; ja Nürnberg sollte für Deutschland sogar das werden, was Brügge für die Niederlande war. Eine ausserordentlich rege Thätigkeit hatte sich in Nürnberg im 15. Jahrhundert in der Plastik entwickelt, und dieser plastische Geist blieb nicht ohne Einfluss auf die Malerei. Eine auffallend scharfe Formbezeichnung und energische Modellierung sind neben einem ins[610] Einseitige und Hässliche gehenden Streben nach Charakteristik die Merkmale der Nürnberger Schule. In keinem Meister prägen sich dieselben so schroff und unerfreulich aus, wie in Michael Wohlgemuth (14341519). Seine meisten Werke verraten einen ziemlich handwerksmässigen Meister, der vornehmlich in Darstellung bewegter Handlungen in Härte und Unnatur verfällt, in dessen Bildern aber zugleich, wenn sie ruhigere Momente entwickeln, mannigfache Andeutungen jenes Gefühles für Anmut der Form und Zartheit des Ausdrucks enthalten sind. Sein Hauptwerk ist der Altar in der Marienkirche zu Zwickau, wo die realistische Richtung fast überwiegend im Niedrigen und Hässlichen sich ergeht, das Ganze aber trotzdem von grossartiger Wirkung ist. In den besseren Werken indes erfreut der Meister oft durch eine fast ideale Schönheit der Köpfe. Bedeutendes hat Wohlgemuth, besonders in Verbindung mit seinem Stiefsohn Pleydenwurff, im Holzschnitt geleistet.
Aus dieser Schule indessen sollte ein Meister hervorgehen, der alle anderen in den Schatten stellte und der, was angeborene künstlerische Begabung betrifft, den Vergleich selbst mit Raffael und Michelangelo nicht zu scheuen braucht. Es ist Albrecht Dürer. Allerdings ist ein grosser Unterschied zwischen den Gipfelpunkten deutscher und italienischer Kunst. In Italien entfaltete sich eine reiche Blüte höchster, vollkommener Kunstleistungen. Die alte Zeit der Hellenen ward wiedergeboren. Dazu trug die südliche Natur, welche mit der Fülle der Vegetation das Auge ergötzte und zur Nachahmung reizte, nicht wenig bei. Aber auch das öffentliche Leben Italiens war ein anderes als das des Nordens. In der Kunst erblickten die Magistrate und Fürsten des Südens den höchsten Schmuck des Lebens, die Kunst konnte gross werden an umfassenden monumentalen Aufgaben. Nicht so im Norden. Der Reichtum der nordischen Handelsstädte hatte zu einem barbarischen Pomp geführt, der in der bunten überladenen Modetracht mit den bauschigen Stoffen, von Sammet, Seide, Brokat und Atlas, einen unerfreulichen Ausdruck fand; die grossartige Auffassung der Kunst aber ging den deutschen Machthabern vollends ab. Aber auch die Natur bot nicht jene Vorzüge, nicht jenes Leben. Sie schlummerte die Hälfte des Jahres unter Schnee und Eis, all ihres Schmuckes beraubt. Das reizte das Gemüt zu eigener Thätigkeit, es entstanden jene zahllosen Märchen des Nordens, jenes tiefsinnige Spiel der Phantasie, welches schliesslich ins Mass- und Ziellose hinausschweifte und das Reich der Schönheit gefährdete. Dieser Hang zum Phantastischen war den nordischen Völkern zwar von jeher eigen, allein es trat besonders jetzt zu Tage, als die grosse reformatorische Bewegung Luthers dem Gedanken eine einseitige Berechtigung einräumte. Aus all diesen Gründen kam es, dass die nordische Malerei sich nie zu jener sonnigen Höhe der italienischen Kunst zu erheben vermochte und vielfach in handwerksmässige Verknöcherung versank und in dieser Gestalt selbst dem grossen Meister Albrecht Dürer beinahe unübersteigliche Hindernisse in den Weg legte. Allein bei alledem hat die nordische Malerei doch ihre Vorzüge. Das ist zunächst die Innigkeit und Wärme der Empfindung, die einfache Wahrhaftigkeit und Naivität, verbunden mit einer grundehrlichen Treuherzigkeit und Gediegenheit, Eigenschaften, die insgesamt zwar den Mangel an Schönheit nicht ersetzen können, aber vermöge ihrer starken sittlichen Tüchtigkeit für manches entschädigen.[611]
Albrecht Dürer wurde im Jahre 1471 in Nürnberg geboren. Sein Vater war Goldschmied. Das Handwerk der Malerei lernte er bei Michael Wohlgemuth. 1490 begab er sich auf die Wanderschaft, von der er 1494 zurückkehrte und sich in seiner Vaterstadt Nürnberg als Meister niederliess. 1505 machte er eine Reise nach Italien, von der er aber schon im folgenden Jahre in sein geliebtes Nürnberg zurückkehrte. 1520 besuchte er die Niederlande und starb 1528 in seiner Vaterstadt. Seine Arbeitskraft war ungeheuer. Nicht nur brachte er den Holzschnitt und den Kupferstich zu künstlerischer Vollendung, sondern er führte daneben auch noch Schnitzwerke im Buchsbaumholz und Speckstein aus. Aus seinen letzten Jahren sind ausserdem mehrere wissenschaftliche Arbeiten, Anweisung über Geometrie, Befestigungskunst und die Verhältnisse des menschlichen Körpers erhalten. Und all diese erstaunliche Fruchtbarkeit entfaltete sich unter dem Druck ungünstiger Lebensverhältnisse. Von seiner ihm so lieben Vaterstadt musste er sich als einzige Gnade erbitten, ihm ein kleines mit merklicher Mühe erworbenes Kapital zu geringem Zinsfuss zu verzinsen, und Kaiser Maximilian, der dem trefflichen Meister geneigt, aber weder ein Julius II. noch ein Leo X. war, wusste ihn zu nichts Grösserem zu verwenden, als zur Ausschmückung eines Degenknopfes, eines Gebetbuches und zum Entwerfen des »Triumphwagens« und der »Ehrenpforte«, einer ziemlich nüchternen Verherrlichung des Monarchen, die Dürer freilich mit dem ganzen Reiz seiner Phantasie ausstattete. In seinen Gemälden strebt Dürer nach höchster Vollendung und sucht durch Studium der flandrischen Meister über das Handwerksmässige, zu welchem die Malerei in Deutschland, besonders in der Wohlgemuth'schen Werkstätte ausgeartet war, möglichst Herr zu werden. Bilder von ihm sind in grosser Menge vorhanden, so in der Pinakothek in München der sog. Paumgärtner'sche Altar mit der Geburt Christi, im Museum zu Darmstadt ein Herkules, in den Ufficien in Florenz die Anbetung der Könige, im Kloster Strahof zu Prag eine Darstellung des Rosenkranzfestes, im Museum in Dresden das vielleicht vollendetste Gemälde Dürer's, ein kleines Kruzifix, in der Galerie Pitti in Florenz Adam und Eva, im Belvedere zu Wien die mit entsetzensvoller Wahrheit gemalte Marterszene der 10000 Heiligen, in Frankfurt wenigstens eine Kopie seiner verloren gegangenen Krönung Mariä, in der Galerie in Wien ein Dreieinigkeitsgemälde etc. Indessen schien aber Dürer, wie er selbst sagt, »des fleissigen Kleiblens« müde geworden zu sein. Man pflegte eben seine Gemälde nach dem Massstabe der handwerksmässigen Schöpfungen seiner Zeit zu bezahlen, und seine Klage ist gewiss gerecht, wenn er meint: »Es verzehrts Einer schier drob«, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn er den Vorsatz fasst: »wieder seines Stechens fleissiger zu warten«. Denn mit seinen Kupferstichen und Holzschnitten, mit welchen seine Frau zur Messe zog, vermochte er mehr zu verdienen. So veröffentlichte er 151115 in kurzer Aufeinanderfolge die umfangreichen Werke der grossen Passion und das Leben Mariä und das Kupferstichwerk: Die kleine Passion. Gegen Ende seines Lebens legte Dürer in den sogenannten vier Kirchenstützen sein tiefstes Glaubensbekenntnis ab. Dieses letzte Werk Dürers stellt die lebensgrossen Gestalten des Johannes, Petrus, Markus und Paulus dar. Aus den tiefsten Gedanken, welche dazumal den Meister bewegten, hervorgegangen und mit der überzeugendsten Kraft[613] und Vollendung der Darstellung vorgeführt, hat hier Dürer Grösse und Einfachheit des Stiles, Tiefe und Harmonie der Farben, vollendete Freiheit der Form erreicht und selbst in den wunderbar grossartigen Gewändern alle kleinliche Manier überwunden. Damit hatte Dürer das Ziel der Kunst erreicht, nach Vollendung dieses Werkes durfte der Meister sein Auge schliessen. Er starb denn auch bald darauf im Jahre 1528. Dazu Fig. 90, der Dürersche Holzschnitt St. Michael mit dem Drachen (Kunsthist. Bilderbogen).
Ihm folgte eine zahlreiche Schule, aber mit derjenigen Höhe, wozu er in seinem letzten Meisterbilde die deutsche Kunst emporgeführt hatte, war es für lange Zeit vorbei. Seine Schüler vermochten wohl seine Manier und seine Darstellungsweise nachzuahmen, allein der tiefe Geist des Meisters, der Genius der Kunst war entflohen. Einer der anziehendsten Schüler ist noch Hans von Kulmbach, von dem wir in der Sebaldus-Kirche in Nürnberg ein grosses Altarbild besitzen, wahrscheinlich nach einer Zeichnung Dürers ausgeführt.
Heinrich Aldegrever verdient besonders als fleissiger Kupferstecher Aufmerksamkeit, ebenso Albrecht Altdorfer. Ein tüchtiger, gewandter Meister, der sich ganz leidlich in die Manier Dürers hineingearbeitet hat, ist Hans Schäuffelin. Wenig ansprechend ist Barth. Beham. Er zeigt eine wilde manirierte phantastische Nachahmung des Dürerschen Stiles. Sein Bruder, Hans Sebald Beham, widmete sich fast ausschliesslich dem Kupferstich. Als vorzüglicher Nachahmer Dürers gilt Mathias Grünewald. Ihm wird ein mächtiger Flügelaltar im Museum zu Kolmar zugeschrieben. Ausserdem besitzt das Museum von Basel von ihm eine Auferstehung. Von den unmittelbaren Schülern Dürers ist noch Georg Pencz zu nennen, der von Dürer weg in die Schule Raffaels ging. Einen ausgezeichneten Rang nimmt Pencz namentlich als Porträtmaler und trefflicher Kupferstecher ein. Zu den bedeutendsten deutschen Künstlern gehört sodann der aus der schwäbischen Schule hervorgegangene Hans Baldung, genannt Grien. In ihm feiert der Hang zur Phantastik eine künstlerische Verklärung, wie wir sie bei keinem anderen Meister finden. Besonders reich erblühte während dieser Epoche die Malerei in München, gefördert durch die kunstliebenden Herzoge von Bayern. Hierher gehört namentlich Hans Muelich von München, dessen geistreiche, lebendige Art der Darstellung und die ungewöhnliche Harmonie und Pracht der Farben an Hans Holbein erinnern.
Sächsische Schule. Der Richtung des Albrecht Dürer und seiner Schule zur Seite steht die sächsische Schule mit ihrem Hauptmeister Lucas Cranach. Von seinen Vorgängern in Sachsen ist wenig bekannt. Lucas Cranach der Ältere stammt aus dem sächsischen Orte Cronach. 1504 wurde er Hofmaler des Kurfürsten Friedrich von Sachsen und blieb in dieser Eigenschaft auch unter dessen Nach folgern Cranach starb 1553 in Weimar. Als eifriger Anhänger der Reformation versuchte er dem Verhältnis der neuen Lehre zu der überlieferten Anschauung in seinen Bildern Ausdruck zu verleihen. Cranach hat vieles mit Dürer gemein, doch tritt bei ihm an Stelle jenes tiefsinnigen Ernstes und grossartiger Kraft mehr eine naive, kindliche Heiterkeit, und jenes Element des Phantastischen hat bei ihm im einzelnen die lieblichsten märchenhaften Blüten getrieben. Von seinen Altarbildern sind die wichtigsten die in der Kirche zu Schneeberg, im Dom zu[614] Meissen und in den Stadtkirchen zu Wittenberg und Meissen. Namentlich aber sind von Cranach eine grosse Anzahl Darstellungen erhalten, in welchen er sein Studium des nackten Körpers, namentlich des weiblichen zur Geltung zu bringen wusste. Nebenbei pflegte er den Kupferstich und Holzschnitt und brachte es besonders in letzterem zu bedeutender Meisterschaft. Von eigentlichen Schülern oder Nachfolgern Cranach's ist wenig bekannt. Der bedeutendste war sein Sohn Cranach der Jüngere, der etwas von dem Ruhme und etwas von der Kunst seines Vaters erbte.
3. Holländische Schule. Dieselbe hatte sich aus der flandrischen Schule schon sehr früh gebildet, indem die ersten Künstler als unmittelbare Schüler der Gebrüder van Eyck erscheinen, so der schon genannte Albert von Ouwater und dessen frühverstorbener Schüler: Gerhard von Harlem, namentlich aber ein anderer[615] Harlemer Künstler: Dierik Bouts. An diese schliesst sich Cornelius Engelbrechtsen (14681533) von Leyden an. In seinen Bildern erkennt man trotz einer gewissen Härte noch einen Nachklang der flandrischen Schule, zugleich aber ein Streben nach vollerer Wirkung. Sein Hauptwerk ist ein Altargemälde im Stadthause zu Leyden, welches die Kreuzigung darstellt. Mehr als durch eigene Bedeutung tritt Engelbrechtsen als Lehrer des Lucas van Leyden (14941533) hervor, eines der frühreifsten Talente der Kunstgeschichte. In bezug auf äussere Behandlungsweise dürfte dieser Künstler zunächst mit Dürer zu vergleichen sein, allein es hat das phantastische Wesen der Zeit bei ihm bereits einen bizarren Charakter angenommen. In solcher Art wenigstens erscheint Lucas in seinen zahlreichen Kupferstichen. Dazu Fig. 91. Christus und der Versucher; Kupferstich von Lucas van Leyden (Kunsthist. Bilderbogen). Gemälde seiner Hand sind höchst selten, und wir nennen hier nur ein umfangreiches jüngstes Gericht im Museum zu Leyden und eine Madonna in der Pinakothek in München.
Schliesslich wäre noch einer ganz neuen Richtung zu gedenken, welche eine grosse Zukunft vor sich hatte. Schon die Gebrüder van Eyck hatten die Landschaft in ihre Bilder eingeführt dadurch, dass sie den goldenen gemusterten Hintergrund der mittelalterlichen Bilder zerrissen und dem Blick erlaubten in die Ferne zu schweifen. Jetzt versuchten es die Künstler, den Hintergrund zur Hauptsache zu machen und die heiligen Geschichten zu blosser Staffage herabzusetzen. Dadurch wurde die moderne Landschaftsmalerei geschaffen. Namentlich Joachim Patenier (14901550) war es, welcher diese Neuerung in die Malerei einführte. Entschiedener für die weitere Entwickelung derselben trat Herri de Bles ein.
4. Weiterentwickelung der flandrischen Schule. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts begannen die flandrischen Künstler eine neue Richtung einzuschlagen. Es drängte sich nämlich immer mehr das Begehren hervor, den Menschen aus der ihn umgebenden Natur zu lösen und Individualität und Charakter des einzelnen selbständig hervortreten zu lassen. Der liebevolle kindliche Sinn, mit dem die Gebrüder van Eyck und ihre Nachfolger die gesamte Welt der Erscheinungen in ihren Bildern wiedergegeben, war dem weiterstrebenden Geiste nicht mehr genügend. Das Bekanntwerden mit der klassischen Meisterschaft der italienischen Malerei mochte wohl den ersten Anstoss zu dieser neuen Richtung gegeben haben. Man suchte nun den menschlichen Körper gründlicher zu studieren, die Form grösser und bedeutender zu fassen und in ganzer Lebensfülle darzustellen. An der Spitze dieser neuen Richtung steht Quintin Messys von Antwerpen, der, ursprünglich ein Goldschmied, die Kunst der Malerei erlernte, um der Hand seiner Geliebten würdig zu werden. Wir besitzen von ihm eine Kreuzabnahme, ein Werk voll gewaltiger Kraft und dramatischen Lebens. In anderen Bildern, deren Gegenstand die pathetische Auffassung des vorigen ausschloss, erscheint Quintin reicher und entwickelt ein eigentümlich heiteres frisches Leben, so in mehreren Altartafeln, namentlich derjenigen mit der Sippschaft Christi in St. Peter in Löwen. Besonders milde und anmutig ist eine Madonna im Museum zu Berlin. Auch Genredarstellungen kennt man von seiner Hand, wie der Geldwechsler im Louvre in Paris, Fig. 92, Geldwechsler und Frau von Quintin Messys (Kunsthist. Bilderbogen), und die beiden Geizhälse in Windsor-Castle. Eine namhafte Schule scheint sich an Messys nicht angeschlossen zu[616] haben; dagegen begegnen wir zur gleichen Zeit einer nicht unbedeutenden Anzahl Künstler, welche die Mängel der alten Schule in anderer Weise auszugleichen suchen. Man behielt das Gemütvolle der alten Kompositionsweise bei ohne ihre Härten und Unregelmässigkeiten und bildete die Gestalten richtiger und voller. Aber mit der Naivität der alten Darstellung verschwand auch zugleich ihr innerliches geheimnisvoll ergreifendes Wesen, ohne dass man im stande war, den tiefen Quell, aus dem die vollendete Richtung der italienischen Kunst hervordrang, zu ergründen. So entstand eine Leere des Gefühls, die von der grossartigen Kraft des Quintin Messys weit entfernt war. Die vorzüglichsten Künstler dieser Zeit sind folgende: Johann von Mabuse, zu dessen besten Arbeiten das grosse Altarwerk in der Galerie zu Prag gehört. In seiner späteren Zeit verfiel er dem Manierismus der römischen Schule. Ganz ähnlich ging es dem Bernhardin van Orley, dem Jan van Schoreel, dem Michael Coxcie und manchen andern Meistern. Sie versuchten bei dem ausgebildeten Idealstil der römischen Schule anzuknüpfen; allein was dort nach Jahrhunderten langsam erblüht war, liess sich nicht auf fremden Boden verpflanzen, ohne den Charakter eines Treibhausgewächses anzunehmen. Das sahen die niederländischen Meister ein und ergaben sich deshalb ganz der Nachahmung[617] italienischer Malerei, doch blieb das Ideal, zu dem sie sich emporzuschwingen versuchten, eben nur ein formelles, inhaltloses. Ihre Bedeutung für die Kunstgeschichte besteht im wesentlichen darin, dass sie ein Verbindungsglied zwischen den älteren Meistern und den grossen Schulen des folgenden Jahrhunderts erstellen. Zu den Malern dieser Übergangsstufe gehören: Lambert Lombard, dessen berühmtestem Schüler Franz Floris die Niederländer den Titel des flandrischen Raffael beilegten. Ferner Otto Venius oder Octavius van Veen, der Lehrmeister von Rubens. Andere wie Antonio Moro und Franz Pourbus bewahrten auch jetzt noch eine einfache Tüchtigkeit der Frische und Auffassung, indessen zeigen die Produkte dieser Übergangsperiode wenig Erfreuliches.
c. Nachblüte der Renaissance. Im Verlaufe des anbrechenden 17. Jahrhunderts erstand die Malerei nochmals in ungeahntem Aufschwung. Die Brücke, welche das 16. Jahrhundert gebaut hatte, war aus den mannigfachen Kämpfen um innere und äussere Freiheit hervorgegangen und hatte das ihm entsprechende Medium für den Ausdruck seines mannigfaltigen Wesens in der Malerei gefunden. Sie wurde zur Lieblingkunst. Nicht nur Italien, Brabant und Holland eröffneten ihr ihr Gebiet, sondern auch Spanien, Frankreich und England. Einzig Deutschland, welches der 30jährige Krieg zerfleischte, hatte die Lust an künstlerischen Produktionen verloren. Zugleich erweitert sich aber auch der Anschauungskreis. Während in den katholischen Landen die Kunst noch einmal aus der unerschöpflichen Quelle der kirchlichen Stoffe neue Anregungen gewinnt, hat das Walten des modernen protestantischen Geistes den alten Bann der Überlieferung gesprengt und den Blick auf die unermessliche Mannigfaltigkeit des wirklichen Lebens, auf die ewige Schönheit der landschaftlichen Natur, auf die charakteristische Bedeutung der Tierwelt hingelenkt. Hier bewegt sich die Malerei mit unendlicher Vielseitigkeit, sie sondert sich in Historienmalerei, in das Genre, die die Landschaft, das Tierstück und Stillleben. Ein gemeinsamer Zug aber geht durch alle Zweige, der Naturalismus, der völlige Bruch mit aller Tradition. Das Streben nach dem Höchsten und Gemeingültigen, nach vollkommen gereinigter Schönheit und Idealität ist zwar nicht mehr vorhanden, aber in der Breite, in frei unabhängiger Behandlung und Würdigung des einzelnen wird mannigfach Bedeutendes und Neues gewonnen.
1. Historienmalerei. Gleich von vornherein sehen wir in den Niederlanden zwei Schulen sich noch schärfer ausprägen, welche bereits bestanden, einerseits in Brabant, wo die Malerei grösstenteils im Dienste der Kirche bleibt, anderseits in Holland, das einen gänzlich unabhängigen Weg der Entwickelung zeigt. Neben diesen beiden grossen Schulen erscheinen noch vereinzelte Maler der Niederlande und von Deutschland, welche sich im allgemeinen an die italienischen Naturalisten anlehnen, aber wenig Erfreuliches zu Tage fördern.
a) Die Schule von Brabant. Der Begründer dieser Schule, der erste, welcher den Manieristen des letzten Jahrhunderts den entscheidenden Krieg erklärte, war Peter Paul Rubens, wenn er auch seinen ersten Unterricht im Malen bei Otto Venius erhielt, bei welchem er höchstens jene manieristische Nachahmung der Italiener lernen konnte. Allein schon mit 23 Jahren ging er selbst nach Italien und erwarb sich dort in siebenjährigem Aufenthalte eine dem Drange seiner Zeit entsprechende Grundlage für seine Darstellung. Die Formen seiner Gestalten sind[618] nicht mehr willkürlich nach einem allgemeinen äusserlichen Schönheitsgesetz gewählt, sondern es sind die einer derben kräftigen Natur. Leidenschaftliche Bewegung, kühne Thatlust und tiefe mächtige Empfindung sind die Elemente seiner Kunst. Dem entspricht auch der hinreissende Zauber eines leuchtenden, frischen, mit breiten kühnen Pinselstrichen behandelten Kolorits. Einer Menge von Arbeiten seiner Hand, oft von kolossalem Umfange, begegnen wir in den Kirchen seines Vaterlandes, namentlich in Antwerpen den beiden berühmten Bildern der Kreuzaufrichtung und Kreuzabnahme. Aber auch in ausländischen Museen sprechen zahlreiche Gemälde für die ausserordentliche Thätigkeit des Meisters, so im Belvedere in Wien eine Himmelfahrt Mariä, in Madrid eine Anbetung der Könige, in Wien das bekannte Ambrosiusgemälde, wie er Theodorich den Eintritt zur Kirche verwehrt, in München das kolossale jüngste Gericht. An diese Bilder reihen sich eine Menge mythischer Darstellungen von heroischer Gewalt. Gross ist Rubens aber auch in profangeschichtlichen Darstellungen, namentlich wo es auf dramatische Schilderung ankommt. Sodann giebt es von ihm eine Menge genialer Genrebilder, wild bewegte Tierstücke, grossartige Landschaften, Porträts u.s.w. Fig. 93. Die vier Erdteile von Rubens. (Kunsth. Bilderbogen). Ja, selbst als Architekt war Rubens thätig. Es würde zu weit führen, alle seine Werke aufzuführen, in denen sich alle Fülle und Pracht jener glänzenden Epoche vereinigt. Der berühmteste seiner Schüler ist Anton van Dyck (1599 bis 1641), der in seinen früheren Bildern seinen Meister bis zur Übertreibung nachzuahmen sucht, nachmals aber durch unmittelbare Studien der Venezianer seinem Stile eine massvollere edle Schönheit zu verleihen weiss. An Stelle des Rubensschen Thatendranges tritt bei seinen Bildern der elegische, selbst bis ins Thränenreiche nnd Sentimentale gehende Ausdruck der Trauer. Namentlich aber als Porträtmaler erwarb sich van Dyk einen bedeutenden Ruf. Die übrigen zahlreichen Schüler Rubens ahmten die energischen Seiten seiner Darstellung oft mit Glück, oft aber auch nicht ohne Schwere und Roheit nach. Der Talentvollste unter ihnen ist Jakob Jordaens.
b) Die holländische Schule. Auch in Holland hatte sich gegen Beginn des 17. Jahrhunderts eine Opposition gegen die Manieristen erhoben. Den vollen Ausdruck gewinnt die neue Richtung namentlich in den sogenannten Schützen und Regentenstücken, in jenen Kollektivdarstellungen städtischer Genossenschaften. Die kirchliche Tradition wurde von dem strengen Protestantismus des Landes zurückgewiesen, und die Kunst sah sich zunächst auf treue Abspiegelung der Wirklichkeit hingewiesen. Zu den tüchtigsten Meistern gehören Michael Mierewelt (1567 bis 1641), Jan van Ravesteyn (1572 bis 1657), Franz Hals und Thomas de Keyser (15951679). Etwas jünger als die genannten ist Bartholomäus van der Helst. Er neigt in der Behandlung zur Manier des van Dyck und ist ihm namentlich im Kolorit nahe verwandt. Die bisherigen Künstler gingen kaum über das Porträt hinaus. Im zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts aber trat unter den Holländern ein Künstler auf, der eine eigentümliche historische Malerei schuf, welche einen scharfen Gegensatz zur brabantischen Schule bildete. Es war Hermann Rembrandt van Ryn (16071669). Zunächst schlosss er sich dem künstlerischen Entwicklungsgange der genannten Meister an. Aber was bei jenen in einem gewissen Grade unbewusst und unbefangen geschehen war, führt er mit bestimmter ausschliesslicher[619] Absicht durch. Er nahm sogar eine feindliche Stellung ein gegen das Studium ideal gereinigter Frauenschönheit und ging oft mit Vorliebe auf die Nachbildung der gemeinen Natur aus. Ihm war es nicht um Darstellung erhabener Ruhe zu thun, welche das Anschauen[620] vollendeter Schönheit gewährt, er wollte nur die innere Stimmung seines Gemütes, das dunkle Gefühl träumerischer Kraft und verhaltener Leidenschaft zur Erscheinung bringen. Während die Werke von Rubens bei allem derbsinnlichen Wesen immerhin einen gewissen vornehmen Charakter haben, erscheint in den Werken Rembrandts jener düstere Trotz, jene im Verborgenen gärende Leidenschaft. In seinen früheren Werken treten diese besonderen Eigentümlichkeiten nicht so schroff hervor. Es mag dies im Zusammenhang stehen mit seiner Lebensgeschichte. Die ersten Künstlerjahre verlebte er an der Seite seiner anmutigen Gattin Saskia von Ulenburg. Mit dem frühen Tode der geliebten Frau beginnt das Leben des Künstlers sich zu trüben; er gerät trotz allen rastlosen Fleisses in stets wachsende Bedrängnis, die 1656 zum Bankerott führte. Mehrere Porträts aus seiner Frühzeit sind im Haager Museum und in der Galerie zu Kassel auf bewahrt. Seine späteren Werke beherrscht eine wunderbare Ausbildung des Helldunkels, ein keckes verwegenes Spiel mit phantastischen, selbst grellen Lichteffekten. Noch vereinzelt tritt dieses Streben beim »Paulus im Gefängnis« aus. Bei der sogenannten »Nachtwache« im Museum zu Amsterdam erblicken wir ein Meisterstück dieser Art. Eine genial übermütige Ironie spricht aus seinem »Raub des Ganymed« in Dresden. Mit Vorliebe behandelte Rembrandt alttestamentliche Gegenstände, so das »Opfer Abrahams« (Petersburg), Moses (Berlin), Das Leben Simsons (Kassel) u.s.w. Zahlreiche Darstellungen des neuen Testamentes hat er in Radierungen ausgeführt, bei welchen namentlich wieder das meisterhafte Spiel des Lichtes zur Bewunderung hinreisst. Endlich darf nicht vergessen werden, dass Rembrandt mehrere Landschaften von grandioser Kühnheit hinterlassen hat. Den Schülern und Nachahmern Rembrandt's ging es wie allen Nachahmern grosser Meister. Sie fassten die Manier desselben auf, ohne seinen Genius im ganzen Umfange zu ererben. Gerbrand van der Fckhout kommt ihm wohl am nächsten. Govart Flinck ist nüchterner, oft liebenswürdig und anziehend Ferdinand Bol. Ein trefflicher Porträtmaler ist J. Lievensz, technisch sehr bedeutend Salomon König.
c) Nachahmer der Italiener. Neben den Meistern der beiden grossen Schulen sind noch eine Anzahl deutscher und niederländischer Künstler vorzuführen, welche an der italienischen Malerei festhielten. Am leidlichsten spricht sich diese Richtung in Johann Rottenhammer von München (15641622) aus, geradezu widerwärtig in anderen, die in kläglicher Mittelmässigkeit dem Michelangelo nachstümpern. Eine Ausnahme bildet allein der liebenswürdige Adam Elzheimer von Frankfurt (15741620), einer der frühesten Meister der Landschaftsmalerei. Zu etwas grösserer Frische hebt sich die Kunst des 17. Jahrhunderts in Joachim von Sandrart, Carl Screta von Prag und Johann Kupetsky aus Ungarn. Das 18. Jahrhundert weist in Christian Dietrich, Tischbein und Bernhard Rode ebenfalls einige beachtenswerte Kräfte auf.
Endlich wäre noch einiger Niederländer Erwähnung zu thun, welche sich der Weise des Franzosen Poussin anschlossen. Der bedeutendste scheint Adrian van der Werff zu sein, dessen Bilder den höchsten Gipfelpunkt zeigen, bis zu welchem sauberste Ausführung und elfenbeinerne Gelecktheit bei allgemein richtiger Zeichnung, aber gänzlichem Mangel an allem geistigen Element zu treiben ist.
2. Genre-Malerei. Schon die Gebrüder van Eyck hatten die[621] Fesseln der strengreligiösen Malerei gesprengt und die heiligen Gestalten aus der Glorie des Goldgrundes in den Garten der wirklichen Welt gestellt. Der Protestantismus aber, der die traditionell kirchlichen Stoffe verschmähte, hatte den ersten Anstoss gegeben, dass die Künstler sich unter ihresgleichen die Gestalten ihrer Bilder suchten und die Motive zu ihren Gemälden dem sie umgebenden Leben entnahmen. Darstellungen des werktäglichen Verkehrs bildeten den Vorwurf. Hieraus bildete sich die sogenannte Genre-Malerei.
Sie scheidet sich je nach Auffassung in höheres und niederes Genre; dieses bringt Schilderungen aus den natürlich und ungebunden sich bewegenden Kreisen der menschlichen Gesellschaft, jenes aus dem durch Sitte und Bildung verfeinerten Leben der höheren Stände. Schon im Ausgange des 16. Jahrhunderts tritt Peter Brüghel der Ältere, der Bauernbrüghel genannt, in solcher Weise selbständig auf und führt mit Behagen und derber Laune Schilderungen des bäurischen Lebens in seiner Roheit vor. Sein Sohn, der »Höllenbrüghel«, huldigt, wie Hieronymus Bosch, allen möglichen Teufeleien unter Anwendung einer höchst effektvollen nächtlichen Feuerbeleuchtung. In verwandter Weise bewegt sich der ältere David Teniers, in dessen Sohn die eigentliche reife Entwickelung des niederen Genres einen Vertreter findet. Namentlich sind es Bauernhochzeiten, Zechgelage, Prügeleien und ähnliche Kurzweil, welche er durch meisterhafte Anwendung des Helldunkels in unübertrefflich malerischer Gesamtwirkung wiederzugeben versteht. Die »Versuchung des heiligen Antonius« giebt ihm reichen Anlass zur Entfaltung eines phantastischen Spuks. Minder lebendig bewegt schildert Adrian van Ostade das Bauernleben, wenn auch seine Gemälde durch treffliches Helldunkel fesseln.
Näher an Tenier steht Adrian Brouwer, dem man nachsagt, dass er bei seinen Studien im Wirtshaus untergegangen sei. Auch von Jan Steen weiss man allerlei Übles zu erzählen. Seine Bilder aber zeigen eine freie vergnügliche Auffassung des gemeinen Lebens. Er ist unter allen Darstellern des niederen Genres wohl der geistreichste und kühnste. Voll von Handlung sind seine Bilder, und das gegenseitige Verhältnis und Interesse der dargestellten Personen und in diesen eine geistreiche mannigfach verschiedene Charakteristik zeugen von starker Beobachtungsgabe. Wesentlich verschieden von diesen Meistern bildete sich Peter van Laar, der in Italien studierte und von dort den Namen »Bamboccio« mitbrachte, wovon die ganze Gattung des niederen Genres die Bezeichnung Bambocciaden erhielt. Das wilde Soldatenleben weiss Jan le Ducq und der etwas spätere Philipp Rugendas zu schildern. Als eigentliche Schlachtenmaler erwarben sich Wouwermann und van der Meulen einen Platz in der Geschichte der Malerei.
Der edelste unter den Meistern des höheren Genres ist Gerhard Terburg, welcher das Leben und die Sitten der feinen Gesellschaft schildert. Reiche Kleiderstoffe, zierliche Bewegungen, prächtige Zimmer-Einrichtungen und dergleichen verleihen seinen Bildern einen poetischen Reiz. Insbesondere aber geht er denselben Weg wie Jan Steen. Er stellt nicht Zustände, sondern Handlungen und Situationen dar und regt dadurch den Beschauer zum Nachdenken an. Nicht minder bedeutend ist Gerhard Dow, der in Rembrandts Schule eine meisterliche Behandlung des Helldunkels erlernt hat. Der Weise Terburgs und Dows folgten verschiedene andere Künstler, die, wenn sie auch im allgemeinen[622] nicht die Vortrefflichkeit dieser beiden erreichten, doch in einzelnen Fällen sehr Anmutiges und Artiges hervorbrachten. Zu den Liebenswürdigsten gehört Gabriel Metzu, ferner der äusserst[623] fruchtbare Schüler Dows: Franz von Mieris, Fig. 94 An der Staffelei von Franz von Mieris (Kunsthist. Bilderbogen) und dessen Sohn Wilhelm. Sehr Treffliches hat Caspar Netscher geliefert; in Darstellung zierlicher Lichteffekte aber namentlich Gottfried Schalcken, wenn er auch oft ins Manierierte verfällt. Unter den späteren Genremalern ist endlich noch Peter van Houghe anzuführen, der sich durch schlichte Auffassung und gediegene kräftige Ausführung sehr vorteilhaft auszeichnet.
3. Landschaftsmalerei, Tierstück, Blumenstück und Still-Leben. Schon im 16. Jahrhundert hatte Joachim Patenier und Herry de Bles den Grund zur selbständigen Ausbildung der Landschaft gelegt. Auch hier ist es wiederum einer der Familie Brüghel, welcher diese Richtung aufnimmt, der Sohn des Bauernbrüghels, der sogenannte Sammet- oder Blumenbrüghel. Ihm schliessen sich Roland Savery, David Vinckebooms und Jodocus de Momper an, allein es herrscht hier überall ein phantastisches Einerlei vor. Erst Rubens führt die Landschaft mit grosser durchgreifender Künstlerschaft zu jener hohen Bedeutung, in der sie als eine freie Nachahmung der Natur in dem Beschauer eine ahnungsvolle Stimmung erweckt. Eine besondere Blüte erreichte die holländische Malerei, welche sich die heimische Natur und deren Eigentümlichkeiten ohne weitere idealistische Nebenabsichten zum Vorbilde nahm. Die holländischen Meister dieser Richtung detaillieren bis ins Feinste und geben das Spiel der Luft und des Lichtes mit grösster Wahrheit wieder. Der erste Platz unter den älteren Meistern gebührt Johann van Goyen (1596 bis 1656) und dessen vorzüglichem Schüler Adrian van der Kabel. Eine bedeutende Einwirkung übte Rembrandt aus, besonders durch jenes Spielen des Lichtes und des träumerischen Helldunkels. In seine Fussstapfen tritt Artus van der Neer, namentlich Mondscheinlandschaften mit Meisterschaft darstellend. Fig. 95. Landschaft von Artus van der Neer (Kunsthist. Bilderbogen.) Eine gemütliche Auffassung der Natur zeigt Anton Waterloo in seinen Waldbildern. Jacob Ruisdael ist derjenige, dessen Bilder den eigentlichen Kern und Mittelpunkt dieser Richtung der Landschaft ausmachen. Seine Gemälde bewegen sich in den Formen der nordischen Natur, und spiegeln darin den altgermanischen Naturdienst wieder. Mit übermächtiger Gewalt steht die Natur dem Menschen gegenüber; seine Werke zeigen sich meist als Ruinen, von den gewaltigen Einwirkungen der Natur überwunden. Minder bedeutend sind die Bilder seines älteren Bruders Salomon; dagegen hatte Jakob in seinem Schüler Minderhout Hobbema einen tüchtigen Nachfolger.
Eigentümlich steht den bisherigen Aldert van Everdingen gegenüber, der in seine Gebirgsgegenden Norwegens eine wilde grossartige Charakteristik legt. Neben der Landschaft wird in Holland auch die Seemalerei mit Eifer gepflegt. Bedeutende Meister dieses Faches sind: Jan van de Capelle, Bonaventura Peters, Jan Peters, Simon de Vlieger, der vorzüglichste von allem aber: Willem van der Velde der Jüngere.
An diese schliessen sich die niederländischen Architekturmaler an, unter denen namentlich Peter Neefs, van der Heyden und van Steenwyck der Jüngere Tüchtiges in Perspektive leisten.
Eine Verschmelzung des Genres und der Landschaft erblicken wir in den Bildern Philipp Wouwermans. Auf die Schilderung des Tierlebens war schon Rubens in gewaltigen Jagd- und Kampfscenen eingegangen. Sein Freund Franz Snyders brachte es im Tierstück[624] zu grosser Meisterschaft, ebenso Johann Fyt, Karl Ruthart und andere mehr.
In der Blumenmalerei hatte der »Blumenbrüghel« bereits einen zierlichen Anfang gemacht. Ihm folgten Daniel Seghers, David de Heem, Johann Huysum etc. Endlich ist noch der sogenannten Stillleben oder Frühstücksbilder zu gedenken, als deren vorzüglichste Meister Wilhelm van Aelst, Adriaenssen und Peter Nason gelten.
Damit sind wir hart an die Kunst[625] der Neuzeit herangerückt. Nochmals wurde dieselbe durch das begeisterte Wirken Winckelmanns an den Quell der Kunstschöpfungen des klassischen Altertums zurückgeführt, aber aus dem antiken Gedankenkreise und der klassischen Formauffassung war auf die Dauer eine wahrhaft lebendige Fortbildung der Malerei nicht zu gewinnen. Sie bedurfte eines neuen Inhalts, einer volkstümlichen Nahrung, einer nationalen Grundlage. Dies wurde ihr verschafft durch die tiefeingreifenden Bestrebungen der Romantiker, als deren erste Vertreter Peter Cornelius, Friedrich Overbeck, Philipp Veit und Wilhelm Schadow erscheinen. Nach Lübkes Grundriss der Kunstgeschichte. Vergleiche im übrigen: Geschichte der Malerei von Woltmann. Dohme, Kunst und Künstler des Mittelalters. Waagen, Handbuch der Geschichte der deutschen und niederländischen Maler schulen.
A. H.
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