[89] Glaubensfreiheit, die rechtliche Befugniß, seine religiöse Ueberzeugung öffentlich zu bekennen u. derselben gemäß zu leben. Der Ausdruck ist so ungenau wie Gewissens- od. Denkfreiheit, insofern Glauben u. Denken des Menschen an und für sich frei und jedem äußern Zwange unnahbar sind, das Gewissen aber nur einem innern Zwange unterworfen bleibt. G. ist die Verneinung des Glaubenszwanges, der in der mittelalterlichen Kirche herrschte, insofern dieselbe keinen äußern Abfall des Einzelnen und noch weniger eine ihr gegenüberstehende Religionsgesellschaft duldete. Durch die Reformation hat der Glaubenszwang im allgemeinen aufgehört, indem jeder Katholik protestantisch werden kann; doch ist in einigen kathol. Ländern der Abfall zum Protestantismus noch mit äußern Nachtheilen bedroht, obwohl weniger als in Rußland oder Skandinavien der Abfall von der griech. Kirche oder die Rückkehr zur kathol., welche strenge geahndet werden. In neuerer Zeit versteht man unter G. gemeiniglich die unbeschränkte Befugniß, von den zu Recht bestehenden und vom Staate beschützten Religionsgesellschaften sich beliebig abzulösen und Religionsgesellschaften zu bilden, welche den bestehenden gleichberechtigt gegenübertreten. Eine derartige G., welche die Freiheit des Unglaubens in sich schließt, ist so wenig mit dem Bestande einer gesellschaftlichen Ordnung zu vereinbaren, daß dieselbe bis heute noch nirgends existiert hat u. selbst die nordamerikan. Verfassung mindestens den Glauben an Gott als Bedingung der G. aufnahm.