[664] Fehlertheorie oder Theorie der Beobachtungsfehler.
1. Die Beobachtungsfehler sind die den Ergebnissen ausgeführter Beobachtungen anhaftenden Fehler und besonders die bei Bestimmung des Maßes irgendwelcher Größen vorkommenden Fehler. Es sind zu unterscheiden grobe Fehler, konstante Fehler und zufällige Fehler. Die groben Fehler entstehen durch ein grobes Versehen bei der Messung oder bei der Ablesung des Maßes, während die konstanten Fehler, die auch als regelmäßige oder einseitig wirkende Fehler bezeichnet werden, Messungsfehler sind, die bei der Messung stets in gleichem Sinne auftreten und durch die deshalb die Messungsergebnisse bei gleichbleibendem Verfahren entweder immer zu groß oder immer zu klein erhalten werden. Dagegen sind die zufälligen oder unregelmäßigen Fehler die unvermeidlichen, das Messungsergebnis rein zufällig, bald im positiven, bald im negativen Sinne beeinflussenden, nach Ausscheidung der groben und konstanten Fehler übrigbleibenden Beobachtungsfehler.
Die Beobachtungsfehler ergeben sich durch Vergleichung der Beobachtungsergebnisse mit den bekannten wahren Werten der beobachteten Größen oder mit den aus den Beobachtungsergebnissen abgeleiteten wahrscheinlichsten (plausibelsten oder scheinbaren) Werten der beobachteten Größen, wobei im ersteren Falle die wahren Beobachtungsfehler, im zweiten Falle die wahrscheinlichsten (plausibelsten oder scheinbaren) Beobachtungsfehler erhalten werden. Außerdem können die Beobachtungsfehler auch aus Beobachtungsdifferenzen abgeleitet werden.
Die Beobachtungsfehler entstehen aus sehr vielen kleinen Elementarfehlern.
Wenn z.B. mit einem Maßstabe Entfernungsmaße aus einer Karte entnommen werden, so entstehen die den einzelnen Maßen anhaftenden Beobachtungsfehler aus den vielen kleinen Fehlern der Aufnahmeinstrumente, den Messungsfehlern, den Fehlern, die aus der Vernachlässigung kleinerer Größen bei der Berechnung der Kartierungsmaße aus den Messungszahlen entstehen, den Fehlern der Kartierungsinstrumente, der Kartierung selbst, der Veränderung der Karte seit ihrer Herstellung, endlich den Fehlern des zum Abgreifen der Maße aus der Karte benutzten Maßstabes und den Fehlern, die beim Anlegen des Maßstabes und beim Ablesen entstehen.
Die Elementarfehler sind teils systematische, regelmäßige oder konstante, teils unregelmäßige oder zufällige.
So sind z.B. die durch den Einschwund des Kartenpapiers entstehenden Fehler regelmäßige, allen aus der Karte abgegriffenen Maßen anhaftende Fehler, während die beim Anlegen des Maßstabes und beim Ablesen entstehenden Fehler meistens unregelmäßige oder zufällige Fehler sind.
Die endgültigen Beobachtungsergebnisse sind von den systematischen und regelmäßigen Fehlern durch entsprechende Anordnung der Beobachtungen oder durch Rechnung zu befreien, so daß in den danach hervortretenden Beobachtungsfehlern nur die zufälligen Fehler übrigbleiben. Dementsprechend umfaßt die Fehlertheorie auch allein die nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung aufgestellten Gesetze und Regeln, denen die zufälligen Fehler folgen.[664]
In erster Linie steht die Ermittlung einer allgemeinen Beziehung zwischen der Größe der Beobachtungsfehler und der Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein Fehler vorkommt, der zwischen den Grenzen x und x + d x liegt (unter d x eine sehr kleine Größe verstanden), wird dargestellt durch φ (x) d x, und φ (x) wird die Fehlerfunktion oder das Fehlergesetz genannt. Wird mit den Abszissen x und den Ordinaten y = φ (x) eine Kurve konstruiert, so veranschaulicht diese Wahrscheinlichkeitskurve die Beziehung zwischen der Größe der Fehler und der Wahrscheinlichkeit ihres Vorkommens. Von der zwischen der Kurve und der Abszissenachse liegenden Fläche stellt der zwischen den beiden zu den Abszissen x und x + d x gehörigen Ordinaten liegende Flächenstreifen y d x die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen eines zwischen x und x + d x liegenden Fehlers und die zwischen den beiden zu den Abszissen x = a und x = b gehörigen Ordinaten liegende Fläche =
die Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen eines zwischen a und b liegenden Fehlers dar, während die Gesamtfläche =
die Gewißheit darstellt, daß ein zwischen ∞ und + ∞ liegender Fehler vorkommt.
Das Fehlergesetz φ (x) kann gefunden werden, indem eine Festsetzung über die zweckmäßigste Wahl der nach den Beobachtungsergebnissen zu bestimmenden Unbekannten getroffen wird oder indem eine Hypothese über die Bildung der Beobachtungsfehler aus den Elementarfehlern zugrunde gelegt wird.
Sind λ1, λ2 ... λn Beobachtungsergebnisse, x, y, z ... die zu bestimmenden Größen, L1, L2 ... Ln die den Größen x, y, z ... entsprechenden Werte der beobachteten Größen, so stellt Ω = φ (L1 λ1) φ (L2 λ2) ... φ (Ln λn) die Wahrscheinlichkeit dafür dar, daß bei den Beobachtungen die Werte λ1, λ2 ... λn gefunden werden. In seiner ersten fehlertheoretischen Abhandlung [1] wählt Gauß nun unter den verschiedenen möglichen Werten von x, y, z ... diejenigen als die zweckmäßigsten, für welche Ω ein Maximum wird und gelangt, indem er bei gleich genauen direkten Beobachtungen das arithmetische Mittel als den wahrscheinlichsten Wert der beobachteten Größen annimmt zu dem Gaußschen Fehlergesetz φ (x) =h/√π · eh2 x2, worin h eine Konstante bezeichnet, die von der Genauigkeit der Beobachtungen abhängig ist, π und e die allgemein übliche Bedeutung haben. Hiernach wird
und dieser Ausdruck wird ein Maximum, wenn (L1 λ1)2 + (L2 λ2)2 + ... (Ln λn)2 Minimum wird. Somit führt, da die Differenzen L1 λ1, L2 λ2, ... Ln λn In die Beobachtungsfehler darstellen, die Gaußsche Entwicklung zu dem Grundsatz der Methode der kleinsten Quadrate (s.d.), unter den verschiedenen möglichen Werten von x, y, z, ... diejenigen als die zweckmäßigsten zu wählen, für welche die Quadratsumme der Beobachtungsfehler ein Minimum wird. Diese Quadratsumme liefert dann auch den kleinsten mittleren Fehler als ein Genauigkeitsmaß für die Beobachtungsergebnisse.
Laplace erklärt denjenigen Wert einer Unbekannten als den vorzugsweise zu wählenden, dem der kleinste durchschnittliche Fehler zukommt [2]. Hagen legt seiner Entwicklung des Gaußschen Fehlergesetzes die Hypothese zugrunde, daß der Beobachtungsfehler die algebraische Summe einer unendlich großen Anzahl elementarer Fehler ist, die alle gleichen Wert haben und ebenso leicht positiv wie negativ sein können [3]. Bezüglich der mannigfachen weiteren Versuche, das Fehlergesetz zu bestimmen und zu begründen, s. den ausführlichen Bericht in [4], Die praktische Anwendung der Fehlertheorie umfaßt die Festsetzung von Genauigkeitsmaßen, die Untersuchung von Fehlerreihen, die Aufstellung von Fehlergrenzen sowie die Fortpflanzung der mittleren Fehler und Gewichte.
Literatur: [1] Gauß, C.F., Theoria motus corporum coelestium in sectionibus conicis solem ambientium, Hamburg 1809, 2. Buch, 3. Abschn.; deutsch in Abhandlungen zur Methode der kleinsten Quadrate von C.F. Gauß, herausgegeben von Börsch und Simon, Berlin 1887. [2] Laplace, Theorie analytique des probabilités, II, Art. 23, zuerst veröffentlicht 1774, Mem. Acad. Paris par divers Savants, vol. VI. [3] Hagen, Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung, 1. Aufl. 1837, 3. Aufl. Berlin 1882. [4] Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler, Leipzig 1891 (mit den umfangreichsten Literaturnachweisen für das gesamte Gebiet).
2. Die gebräuchlichsten Genauigkeitsmaße sind der mittlere, der durchschnittliche und der wahrscheinliche Fehler sowie die Gewichte. Die bei Punktbestimmungen vorkommenden Fehler werden veranschaulicht durch Fehlerellipsen und Fehlerellipsoide.
Der mittlere Fehler m folgt aus den Quadraten der Beobachtungsfehler durch Mittelbildung und Ausziehung der Quadratwurzel, während der durchschnittliche Fehler d sich durch einfache Mitteilung der Beobachtungsfehler ergibt und der wahrscheinliche Fehler w gefunden werden kann, indem sämtliche Beobachtungsfehler ihrer Größe nach geordnet werden und der in der Mitte der Reihe stehende Fehler, der ebenso oft überschritten als nicht erreicht wird, als wahrscheinlicher Fehler angenommen wird.
Der mittlere Fehler m steht zu dem durchschnittlichen Fehler d und dem wahrscheinlichen Fehler w in der Beziehung, daß m = 1,25 d = 1,48 w ist. Bei gleicher Genauigkeit der Beobachtungsergebnisse ergibt sich der mittlere Fehler m der Beobachtungsergebnisse aus n wahren Beobachtungsfehlern (v1), (v2) ... (vn) oder deren Quadratsumme
[665] oder aus den n wahrscheinlichen Beobachtungsfehlern v1, v2 ... vn oder deren Quadratsumme [v v] = v1 v1 + v2 v2 + ... vn vn, wenn zur einfachen, nicht versicherten Bestimmung der durch die Beobachtungen gefachten Größen q Beobachtungsergebnisse nötig sind, demnach also n q überschüssige Beobachtungsergebnisse vorliegen, nach
Bei ungleicher Genauigkeit der Beobachtungsergebnisse ergeben sich die mittleren Fehler m1, m2 ... mn der Beobachtungsergebnisse λ1, λ2 ... λn mit deren Gewichten p1, p2 ... pn, indem zunächst der mittlere Fehler der Gewichtseinheit
gebildet werden, nach
Die mittleren Fehler mx ... my, mz ... der aus den Beobachtungsergebnissen λ1, λ2, ... λn An abgeleiteten Größen x, y, z ... folgen aus den mittleren Fehlern m1, m2, ... mn von λ1, λ2, ... λn, wenn allgemein:
Die diesen allgemeinen Formeln entsprechenden speziellen Formeln sind unter direkte, vermittelnde, bedingte Beobachtungen und vermittelnde Beobachtungen mit Bedingungsgleichungen in dem Art. Methode der kleinsten Quadrate gegeben.
Literatur s. unter Methode der kleinsten Quadrate.
Die Gewichte sind Verhältniszahlen, die anzeigen, wie oft ein Beobachtungsergebnis oder eine aus einem Beobachtungsergebnis abgeleitete Größe in einer Rechnung anzusetzen ist, um ihre Genauigkeit richtig zu berücksichtigen.
Wenn also z.B. zwei Größen λ1, und λ2 nach der Genauigkeit ihrer Bestimmung die Gewichte p1 = 2 und p2 = 1 zukommen, so ist bei Bildung des Mittelwertes x der beiden Größen die Größe λ1, p1 = 2 mal und die Größe λ2, p2 = 1 mal anzusetzen, also zu rechnen nach
Den Gewichten wird eine Gewichtseinheit zugrunde gelegt, indem festgesetzt wird, daß das Gewicht einer bestimmten Beobachtung oder einer beliebigen andern Bestimmung gleich eins sein oder als Gewichtseinheit genommen werden soll. Die Gewichtseinheit wird entweder dem allgemeinen Brauche folgend oder derart festgesetzt, daß sich für die Gewichte Zahlenwerte ergeben, die für die weiteren Rechnungen möglichst bequem sind. Allgemein gebräuchliche Gewichtseinheiten sind z.B. für Längenmessungen das Gewicht einer einmaligen Messung einer Linie von 100 m oder von 1 km Länge, bei Richtungsmessungen das Gewicht einer einmaligen Beobachtung einer Richtung in beiden Lagen des Fernrohrs, bei Nivellements das Gewicht eines einmaligen Nivellements einer Strecke von 1 km Länge.
Wenn die Gewichtseinheit p = 1 festgesetzt ist, so folgen daraus die weiteren Gewichte p1, p2 ... pn der Größen λ1, λ2 ... λn entweder nach den Regeln für die Fortpflanzung der Gewichte oder, wenn der mittlere Fehler der Gewichtseinheit und damit auch die Gewichtskonstante k = m m sowie die mittleren Fehler m1, m2 ... mn der Größen λ1, λ2 ... λn bekannt sind, nach p1 = k/m1 m1, p2 = k/m2 m2, ... pn = k/mn mn, oder endlich, wenn bekannt ist, daß die Gewichte p = 1, p1, p2 ... pn im Verhältnis zu bestimmten Zahlen z, z1, z2 ... zn stehen, nach (p = 1) : p1: ... pn = z : z1 : z2 : ... zn.
Ist ein Punkt durch mehrere Gerade bestimmt, so liegen um den wahrscheinlichsten Ort des Punktes alle Lagen gleicher Wahrscheinlichkeit auf konzentrischen ähnlichen und ähnlich liegenden Ellipsen.
Diejenige unter diesen Ellipsen, die dem wahrscheinlichen Fehler der Punktbestimmung entspricht und bei welcher die Wahrscheinlichkeiten dafür, daß ein Punkt innerhalb oder außerhalb dieser Ellipse fällt, gleich groß sind, wird als die wahrscheinlichste Ellipse bezeichnet, während diejenige Ellipse, die dem mittleren Fehler der Punktbestimmung entspricht, als die mittlere Fehlerellipse oder einfach als die Fehlerellipse bezeichnet wird. Während gewöhnlich durch die mittleren Fehler der Koordinaten eines Punktes nur ein Anhalt für die in der Richtung der Koordinatenachsen erreichte Genauigkeit gegeben wird, gewährt die Fehlerellipse diesen Anhalt für alle Richtungen um den bestimmten Punkt.
Den Fehlerellipsen für die Bestimmung eines Punktes in der Ebene entsprechen die Fehlerellipsoide für die Bestimmung eines Punktes im Räume.
Literatur: Andrä, Fehlerbestimmung bei der Auflösung der Pothenotschen Aufgabe mit dem Meßtische, Astronomische Nachrichten, Nr. 1117, Bd. 47, 1858, und Danske Gradmaaling, Bd. 1, Kopenhagen 1867; Helmert, Studien über rationelle Vermessungen im Gebiete der höheren Geodäsie, Zeitschr. für Mathematik und Physik von Schlömilch u.s.w., Heft 2, 13. Jahrg. 1868, und Ausgleichungsrechnung nach der Methode der kleinsten Quadrate, Leipzig 1872; Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Bd. 1, 2. Aufl., Stuttgart 1877; 3. Aufl., Stuttgart 1888; Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler, Leipzig 1891, worin noch weitere Literaturangaben enthalten sind.
[666] Die Beobachtungsdifferenzen sind die Differenzen der Ergebnisse von Doppelbeobachtungen verschiedener Größen. Sie werden vielfach benutzt, um daraus ein Maß für die Genauigkeit der Beobachtungen abzuleiten. Sind λ'1, λ'2, λ'3 ... λ'n die Ergebnisse der ersten, λ''1, λ''2, λ''3 ... λ''n die Ergebnisse der zweiten Beobachtung, so sind
die Beobachtungsdifferenzen. Diese enthalten in der Regel nicht nur die den zufälligen Beobachtungsfehlern entsprechenden zufälligen Beobachtungsdifferenzen δ1, δ2, δ3 ... δn, sondern auch die den regelmäßigen Beobachtungsfehlern entsprechenden regelmäßigen Differenzen. Letztere werden aus den sich unmittelbar ergebenden Beobachtungsdifferenzen Δ1, Δ2, Δ3 ... Δn ausgeschieden, wonach das gebräuchlichste Genauigkeitsmaß, der mittlere Fehler der Gewichtseinheit nach
erhalten wird, je nachdem der regelmäßige Teil der Beobachtungsdifferenzen aus den vorliegenden Differenzen Δ1, Δ2, Δ3 ... Δn berechnet wurde oder dieser Teil im voraus so genau bekannt war, daß er als der wahre Wert der regelmäßigen Differenz anzunehmen ist [1], § 18; vgl. hierzu [2].
Literatur: [1] Koll, Theorie der Beobachtungsfehler und Methode der kleinsten Quadrate, 2. Aufl., Berlin 1901. [2] Jordan, Handbuch der Vermessungskunde, Bd. 1, 5. Aufl., Stuttgart 1904, wo in § 11 auch ausführliche Angaben über die Entstehung der Rechnung mit Beobachtungsdifferenzen im Anschluß an die Notizen von Czuber in »Theorie der Beobachtungsfehler«, Leipzig 1891, S. 174, gegeben sind.
3. Fehlerreihen. Wenn eine größere Reihe von Beobachtungsergebnissen gewonnen ist und die den Beobachtungsergebnissen anhaftenden wahren oder wahrscheinlichsten Beobachtungsfehler berechnet sind, so kann die damit gewonnene Fehlerreihe daraufhin untersucht werden, ob die Fehler den für zufällige Fehler geltenden Sätzen der Fehlertheorie entsprechend in der Reihe vorkommen. Hierbei sich ergebende erheblichere Abweichungen weisen darauf hin, daß in den Beobachtungsfehlern regelmäßige oder systematische Fehler enthalten sind, und nötigen dazu, diese festzustellen, die Beobachtungsergebnisse durch entsprechende Verbesserungen davon zu befreien und, wenn möglich, dem weiteren Auftreten dieser Fehler durch Aenderung der Instrumente oder des Beobachtungsverfahrens vorzubeugen.
In einer Reihe von n Fehlern v1, v2 ... vn sollen n/2 ± 0,3372 √n positive und ebensoviele negative Fehler vorkommen [1], und die Summe der positiven Fehler soll gleich der Summe der negativen Fehler sein. Wird ferner der durchschnittliche Fehler nach d = [± v]/n, der wahrscheinliche Fehler w durch Ordnung sämtlicher Fehler nach ihrer Größe und Annahme des in der Mitte der so geordneten Fehlerreihe stehenden Fehlers als wahrscheinlichen Fehler w, endlich der mittlere Fehler nach
bestimmt, so sollen die so erhaltenen Werte von d und w übereinstimmen mit den sich nach d = 0,798 m und w = 0,674 m ergebenden Werten. Werden die Beobachtungsfehler endlich ihrer Größe nach in Gruppen derart geordnet, daß die einzelnen Gruppen die Fehler von V1 1/2 Δ V bis V1 + 1/2 Δ V, von V2 1/2 Δ V bis V2 + 1/2 Δ V ... von Vn 1/2 Δ V bis Vn + 1/2 Δ V enthalten und Δ V = V2 V1 = V3 V2 ... Vn Vn1 ist, so kann, wenn V1, V2 ... Vn zunächst noch als die rfachen Beträge des durchschnittlichen Fehlers d, des wahrscheinlichen Fehlers w oder des mittleren Fehlers m dargestellt, also beispielsweise V1 = r1 m, V2 = r2 m ... Vn = rn m gebildet wird, die Wahrscheinlichkeit Wrd, Wrw oder Wrm dafür, daß die Beobachtungsfehler V1, V2 ... Vn vorkommen beispielsweise nach Wrm = 1 r2/2 + 1/2! (r2/2)2 1/3! (r2/2)3 + 1/4! (r2/2)4 ... berechnet oder aus vorhandenen Zahlentabellen [2] und in einfachster Weise aus graphischen Tabellen [3] mit dem Argument r = V/d, r = V/w oder r = V/m entnommen werden. Damit ergibt sich dann die Anzahl N1, N2 ... Nn der Fehler, die in jeder Gruppe nach dem Gaußschen Fehlergesetz vorkommen soll nach
Literatur: [1] Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler, Leipzig 1891. [2] Encke Berlin, Astronomische Jahrbücher 1834 und in fast allen Werken über Fehlertheorie und Methode der kleinsten Quadrate. [3] Koll, Theorie der Beobachtungsfehler und Methode der kleinsten Quadrate, 2. Aufl., Berlin 1901.
4. Fehlergrenzen. Um einen Anhalt dafür zu geben, welche Beobachtungsergebnisse und welche aus den Beobachtungsergebnissen abgeleiteten Größen als genügend genau zu: weiteren Verwendung anzuerkennen sind, werden Fehlergrenzen festgestellt. Der die Fehler grenze bezeichnende höchstens zulässige Fehler oder Maximalfehler wird für die verschiedenen Instrumente und Beobachtungsarten aus den Mittelwerten der Beobachtungsfehler in der Regel aus dem mittleren Fehler der Beobachtungsergebnisse abgeleitet, indem bei hohen[667] Anforderungen an die Genauigkeit der Ergebnisse der 3fache Betrag, bei weniger hohen Anforderungen der 31/2fache Betrag und im äußersten Falle der 4fache Betrag des mittleren Fehlers als höchstens zulässiger Fehler festgesetzt wird.
Nach dem Gaußschen Fehlergesetz ergibt sich, daß unter 10000 Fehlern wahrscheinlich 27 Fehler vorkommen, die den 3fachen, 4,7 Fehler, die den 3,5fachen und 0,6 Fehler, die den 4fachen mittleren Fehler überschreiten, oder daß in 368 Fällen der 3fache, in 2150 Fällen der 3,5fache und in 15800 Fällen der 4fache mittlere Fehler einmal überschritten wird. Hiernach ergibt sich die Berechtigung zur Verwerfung aller Beobachtungsergebnisse, deren Fehler die obenbezeichneten Fehlergrenzen überschreiten, daraus, daß an Stelle der verworfenen Ergebnisse mit großer Wahrscheinlichkeit Nachmessungsergebnisse zu erwarten sind, deren Fehler innerhalb der Fehlergrenzen bleiben.
Literatur: Jordan und Helmert, Ueber den Maximalfehler einer Beobachtung, Zeitschr. für Vermessungswesen, Bd. 4, 1877. Im übrigen s. Czuber, Theorie der Beobachtungsfehler, Leipzig 1891, auch über die Ausscheidung widersprechender Beobachtungen.
5. Fehler- und Gewichtsfortpflanzung. Wenn aus den mit Beobachtungsfehlern behafteten Beobachtungsergebnissen andre Größen abgeleitet werden, so pflanzen sich die Beobachtungsfehler fort und die aus den Beobachtungsergebnissen abgeleiteten Größen sind infolgedessen auch mit Fehlern behaftet. Die Fortpflanzung der Fehler ist verschieden, je nachdem nur zufällige Fehler oder auch regelmäßige Fehler vorliegen.
Die regelmäßigen Fehler können meistens von den zufälligen Fehlern getrennt, und ihre Fortpflanzung muß in jedem Falle ihrer besonderen Art entsprechend festgestellt werden.
Dagegen können für die Fortpflanzung der zufälligen Beobachtungsfehler Formeln gegeben werden, wonach aus den bekannten Mittelwerten der Beobachtungsfehler, also z.B. den mittleren Fehlern mx, my, mz ... von Größen x, y, z ... der mittlere Fehler M einer aus den Größen x, y, z ... abgeleiteten Größen berechnet werden kann. Die allgemeine Formel lautet: Wenn X = F(x, y, z ...) ist, so ist
woraus für den speziellen Fall X = x ± y ± z ± ... folgt
oder wenn die n Größen x1, x2 ... xn sämtlich den mittleren Fehler m haben und X = x1 ± x2 ± ... xn ist, daß
ist, in welchen Formeln das sogenannte Quadratwurzelgesetz für die Fortpflanzung der zufälligen Beobachtungsfehler ausgedrückt ist.
Die Formeln beruhen auf der Annahme, daß die Summe der Produkte zufälliger Beobachtungsfehler gleich Null gesetzt werden kann, weil das Auftreten gleich großer positiver und negativer Produkte der Beobachtungsfehler gleich wahrscheinlich ist. Ein weiteres Verfahren, die Fortpflanzung der Fehler festzustellen, beruht darauf, daß wenn X = F (x, y, z ...) ist,
ist, worin V, vx, vy, vz ... die Maximalfehler von X, x, y, z ... sind. Der größte Wert von V wird ermittelt, indem nacheinander die verschiedenen Kombinationen der positiven und der negativen Werte von vx, vy, vz ... eingesetzt werden [1]. Ebenso wie die mittleren Fehler von Größen sich fortpflanzen auf alle aus diesen abgeleiteten Größen, so pflanzen sich auch die zu den mittleren Fehlern m in der Beziehung p = k/m m stehenden Gewichte p weiter fort, so daß aus den Gewichten px, py, pz ... der Größen x, y, z ... das Gewicht P einer Größe X, die aus x, y, z ... abgeleitet ist, berechnet werden kann.
Die allgemeine Formel hierfür lautet: Wenn X = F (x, y, z ...), so ist
woraus für den speziellen Fall X = ± x ± y ± z ± ... folgt 1/P = 1/px + 1/py + 1/pz + ..., oder wenn die n Größen x1, x2 ... xn sämtlich das gleiche Gewicht p haben und X = x1 ± x2 ± ... xn ist, daß 1/P = n · 1/p ist. Diese Formeln folgen aus den Formeln für die Fortpflanzung der mittleren Fehler, indem k · 1/p für m2 in diese Formeln eingesetzt und durch k dividiert wird.
Literatur: [1] Mayer, Johann Tobias, Gründlicher und ausführlicher Unterricht zur prakt. Geometrie, Göttingen 1777; im übrigen s. Methode der kleinsten Quadrate.
O. Koll.
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