Juraformation

[237] Juraformation (Juraperiode, -system), die mittlere der drei mesozoischen Formationen in der Geologie. Ihr Liegendes bildet die Trias-, ihr Hangendes die Kreideformation.

Zu ersterer steht sie in einem bedeutenden Gegensatz, insofern als ihre Schichten vorwiegend Ablagerungen der Tiefsee und außerordentlich reich an wirbellosen Tieren, Schwämmen, Korallen, Brachiopoden, Muscheln, Schnecken und vor allem an Cephalopoden sind. Letztere gelangen zu ihrer höchsten Entwicklung in einer großen Zahl von Arten. Unbedeutend vertreten sind Reste von Wirbeltieren, von denen gewisse Amphibien und vogelartige Formen sonderbares Aussehen annahmen. Die Pflanzenwelt weicht nicht sonderlich von derjenigen der Trias ab, spielt aber, der vorwiegend marinen Entstehung der Schichten wegen, nur eine untergeordnete Rolle. Es wurden zumeist kalkige und mergelige Schichten von dem Jurameer abgelagert. Charakteristisch bleiben oolithische Kalksteine. Konglomeratische Ablagerungen fehlen saß ganz und Sandsteine spielen keine große Rolle, wohl aber Tone. An wenigen Orten sind Kohlen zur Bildung gelangt. Außerhalb der Alpen herrscht eine ruhige und horizontale Lagerung der Juraschichten vor. In den großen Kettengebirgen der Erde hat jedoch der Faltungsprozeß die Juraschichten mit einbegriffen und sie aufgerichtet. Der Mangel an groben Sedimenten, an Eruptivgesteinen und an auffälligen Unregelmäßigkeiten in der Beschaffenheit der Schichten läßt schließen, daß die Erde zur Jurazeit in einem Zeitraum gleichmäßiger und ungestörter Fortentwicklung sich befand. Die Oberflächenformen der ungestörten Schichten sind daher meist diejenigen flacher Mittelgebirgslandschaften, vornehmlich aber diejenigen des Tafellands. Gang- und Spaltenausfüllungen sind in der Juraformation selten und daher Erzvorkommen von geringer Bedeutung. Dennoch gehört eine der wichtigsten europäischen Eisenerzlagerstätten, die Minette in Lothringen und Luxemburg, den Schichten der Juraformation an. Von dieser abgesehen haben der Bergbau und die Verwendung der Gesteine keine große Ausdehnung angenommen.

Die Gliederung der Schichten erfolgt in drei Hauptabteilungen.

1. Liasformation oder schwarzer Jura; als älteste und unterste Stufe, vornehmlich aus dunkeln Schiefertonen, grauen Mergeln und tonigen Kalksteinen bestehend; untergeordnet sind [237] Sandsteine. Folgt zumeist regelmäßig über dem Keuper, greift jedoch mitunter, z.B. südlich vom rheinischen Schiefergebirge in Nordfrankreich, über die Trias über und legt sich hier unmittelbar auf Devon und Kambrium. – Die Beimengung von Bitumen und Pechkohle steigert sich zuweilen bis zum Auftreten von Petroleum. In dem sogenannten Liasschiefer (Posidonienschiefer Schwabens) sind bis zu 12% organische Substanz enthalten [1]. In den sogenannten Grestener Schichten des alpinen Lias treten zwischen Sandstein meist vorzügliche, verkokbare und gasreiche Kohlen in mehreren Flötzen auf, die teilweise im Abbau stehen; desgleichen wird »Liaskohle« bei Fünfkirchen in Ungarn und Steyerdorf und Berszaska im Banat gewonnen. Eisenerze treten als Toneisensteine knollenförmig in den Mergeln und Schiefertonen des Lias auf. Als Baumaterialien werden in den österreichischen Alpen die roten Adneter Kalke (Marmore) bei Hallein, die Diphyakalke aus der Umgebung von Trient und Roveredo (Südtirol) gewonnen, geschliffen und poliert. Die fein- bis grobkörnigen, dickbankigen, weißen bis gelben Sandsteine mit quarzigem Bindemittel im nordwestlichen Deutschland und Luxemburg (Luxemburger Sandstein) werden zu Hausteinen viel benutzt. Manche Mergel (Liasmergel) und Kalke (Liaskalk) sind zur Herstellung von Zement und zur Verbesserung kalkarmer Ackerböden (Burgunder Liaskalk in dem granitischen Gebiet des französischen Zentralplateaus) geeignet. Gut spaltende, harte Tonschiefer im Lias der kleinen Karpathen werden als Marienthaler Dachschiefer zur Dachdeckung und zu Schreibtafeln benutzt.

2. Dogger oder brauner Jura. Er liegt zumeist regelmäßig über der vorigen Abteilung, greift jedoch im östlichen Europa (Böhmen, Schießen und Rußland) auf ältere Schichten über. In der allgemeinen Gesteinsbeschaffenheit sind es auch hier Schiefertone, Sandsteine, Kalksteine und Mergel; aber in den Farben herrschen gelbliche, rötliche, braune und weiße Töne in den Schichten vor. – Unter den Tonen verdienen die weichen, fetten und sehr mächtigen Tone der Umgebung von Bath (England) wegen ihres Gebrauchs als Walkererde Erwähnung. Die Sandsteine sind meist locker gebunden und zerreiblich, oft reich an Braun- und Roteisenerz, welches sich in oolithischer Form stellenweise (Wasseralfingen, Aalen, Westfalen u.s.w.) in 1–2 m mächtigen Flötzen mit einem bis zu 32% steigenden Eisengehalt anreichert und abbauwürdig erweist. Andre oolithische Eisenerze (mit 30–36% Fe und 0,2–1% P) treten in sehr großer Verbreitung schichtenweise im nordöstlichen Frankreich, Lothringen und Luxemburg, ferner am Nordrand des Harzes und bei Schwandorf und Regensburg in Bayern auf; sie liefern (insbesondere Lothringen und Luxemburg) einen immer noch steigenden Betrag an Roheisen; vgl. Eisenoolith. Sandige Schichten der Murchisonaestufe bilden an der Grenze gegen den liegenden Ornatenton einen Quellenhorizont (Schwaben und Franken). Bei reichlich vorhandenem kalkigen Bindemittel werden manche Sandsteine sehr fest und zu Pflastersteinen geeignet. Die Kalksteine sind zum Teil dicht oder oolithisch, tonig und hart, oft mit Quarz gemengt. Die auf sogenanntem Opalinuston aufruhenden, stark zerklüfteten Kalke führen an der Grenze gegen diesen viel Wasser (Quellenhorizont) in Schwaben und Franken. Zahlreiche oolithische Kalksteine aus dem französischen Dogger (Ranville in der Normandie, Lons-le-Saulnier in der Franche-Comté, Lourdines bei Poitiers, Montbron [Charente] u.s.w.) werden als Dekorationssteine und zu Kunstbauten aller Art verwendet. Sie bearbeiten sich in bergfeuchtem Zustande leicht und sind trocken sehr wetterfest. Manche Kalksteine dienen außerdem zur Bodendüngung und Mörtelbereitung. In einigen Gegenden Englands (Yorkshire), Südfrankreichs (Larzac), Oberschlesiens, Rußlands u.s.w. kommen in pflanzenführenden Sandsteinen Kohlenflötze von indes untergeordneter Bedeutung vor. Manche Tone und Mergel führen Phosphorite.

3. Malm, eigentlicher oder weißer Jura, normal auf Dogger aufliegend; besteht vorwiegend aus Kalksteinen (Jurakalk), Dolomiten, Mergel und Tonen. – Die Kalksteine sind zumeist sehr dicht und hellgefärbt, weiß bis gelblich. Außerordentlich seine, ganz dichte und gleichmäßig beschaffene, in großen Platten brechende Kalksteine dienen als Lithographiersteine (Solnhofen in Bayern, Cirin, Dep. Ain, Verdun, Dep. Meuse in Frankreich u.s.w.). Andre dichte Kalke dienen, wenn dünnplattig brechend, zur Dachdeckung oder als Bodenbelag oder, wenn bunt und politurfähig, als Dekorationsstein bei Kunstbauten. Oolithische Kalksteine treten in dieser Abteilung etwas zurück und genießen die gleiche Verwendung wie diejenigen des Doggers. Die Dolomite, meist porös und löcherig, bilden häufig Felsriffe, sind aber nur untergeordnet als Baumaterial verwendbar. Kieselige Kalksteine von dichter Beschaffenheit dienen stellenweise als Wetzsteine oder als Beschotterungsmaterial. Sehr bedeutend ist die Verwendung grauer, toniger Kalksteine zur Zementbereitung (Ulm). Erwähnenswert sind an Bitumen reiche Kalke und Mergel im weißen Jura bei Limmer in Hannover, die zur Asphaltgewinnung ausgebeutet werden. Die Gebiete von vorherrschend dichtem, schwerverwitterndem Kalk geben einen sehr wenig fruchtbaren, steinigen und dürren Boden. Die sehr zerklüfteten Dolomite und Kalksteine der oberen Abteilung des Malms nehmen große Mengen Sickerwasser auf und geben es in Form von Schichtquellen über Tonen der mittleren Abteilung der Stufe wieder ab (Rauhe Alb).


Literatur: Allgemein: v. Gümbel, Grundzüge der Geologie, Kassel 1886, S. 718–812; Nivoit, E., Géologie appliquée, Paris 1889, II, S. 263–350; Leonhard-Hörnes, Grundzüge der Geognosie und Geologie, Leipzig 1889, S. 646–746; Credner, H., Elemente der Geologie, 9. Aufl., Leipzig 1902; Lapparent, A. de, Traité de Géologie, 4. Aufl., Paris 1900; Kayser, E., Geolog. Formationskunde, 2. Aufl., Stuttgart 1902. – [1] Dorn, C., Der Liasschiefer u.s.w., Tübingen 1877.

Leppla.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 237-238.
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