[690] Kreisprozeß. Den Zustand eines Körpers denkt man sich durch diejenigen Größen charakterisiert, welche (als Unabhängigveränderliche) seine Energie (s.d.) bestimmen. Als Zustandsänderungen sind also die Aenderungen dieser Größen ins Auge zu raffen. Kehrt der Körper nach beliebigen Zustandsänderungen in seinen Anfangszustand zurück, so hat man es mit einem Kreisprozeß zu tun. Ein umkehrbarer Kreisprozeß besteht aus lauter umkehrbaren Zustandsänderungen (s.d.).
Die allgemeinsten Beziehungen für Kreisprozesse wurden in Bd. 3, S. 450, 459, gegeben, hier mögen die gewöhnlichen Beschränkungen der mechanischen Wärmetheorie (s.d.) gelten, wonach als Energiezufuhr von außen (Abfuhr gleich negative Zufuhr) nur die Arbeit äußerer Kräfte (s.d.) und Wärme in Betracht kommen, und die äußeren Kräfte mit den ihnen von innen entgegenwirkenden Kräften fortwährend im Gleichgewicht sind. Bezeichnen dann W = 1/A = 424 das mechanische Wärmeäquivalent (s.d.), T = a + t die absolute Temperatur (s.d., a = 273°, t Temperatur nach Celsius) und im ganzen oder pro Gewichtseinheit u die Eigenenergie oder innere Arbeit (s.d.) in Meterkilogramm, L die äußere Arbeit (s.d.) in Meterkilogramm, Q die Wärmezufuhr in Kalorien (s.d.) und S die Entropie (s.d.), so bestimmen die den Zustand charakterisierenden Größen neben U auch T, S, und man hat für beliebige Kreisprozesse:
Werden für alle durchlaufenen Zustände die S als Abszissen, die T als Ordinaten angetragen, so stellt Fig. 1 einen Kreisprozeß dar. Meist werden in der mechanischen Wärmetheorie nur solche Körper untersucht, für welche von äußeren Kräften nur ein auf die ganze Oberfläche gleichmäßig verteilter Normaldruck von p pro Flächeneinheit in Betracht kommt, und dieser zusammen mit dem Volumen v pro Gewichtseinheit die Energie U bestimmen. Denkt man sich dann für die durchlaufenen Zustände p, v die v als Abszissen, die p als Ordinaten aufgetragen, so stellt Fig. 2 einen Kreisprozeß dar. S.a. Aeußere Arbeit.[690]
Die Kreisprozesse wurden durch Sadi Carnot in die Wärmelehre eingeführt [1], während Clapeyron ihre analytische Behandlung und graphische Darstellung zeigte [2], der Name rührt von Clausius her [5], S. 35. Ein Kreisprozeß heißt nach Grashof rechtsläufig oder rückläufig, je nachdem der betrachtete Körper während desselben Wärme aufnimmt und Arbeit teiltet (Q, L positiv) oder aber Wärme abgibt und Arbeit gewinnt (Q, L negativ). Im ersten Falle wird der Umfang der Fläche F (Fig. 1 u. 2) vom Endpunkt der Ordinate T oder p rechts herum durchlaufen, der Bewegung des Uhrzeigers entsprechend, und ist die äußere Arbeit L = W Q = F, im zweiten Falle wird der Umfang jener Fläche vom Endpunkt der Ordinate T oder p links herum durchlaufen und ist L = W Q = F. Wenn also ein Körper Arbeit leisten soll, wie der Dampf, die Luft u.s.w. in Wärmemotoren (s.d.), so müssen die Kreisprozesse rechtsläufig erfolgen, während in Kältemaschinen (s.d.) rückläufige Kreisprozesse stattfinden und demgemäß Arbeit aufgewendet werden muß. Bei jedem Kreisprozesse eines Körpers wird letzterem nacheinander Wärme zu- und abgeführt. Bezeichnen Q1, Q2 die Absolutwerte der Wärmezufuhr und Wärmeentziehung, so ist die größte äußere Arbeit, welche durch irgend einen Kreisprozeß zwischen einer oberen Grenztemperatur T1 und einer unteren Grenztemperatur T2 geleistet werden kann:
Diese Arbeit entspricht, wie zuerst Carnot erkannte, einem Kreisprozeß, der aus zwei isothermischen Zustandsänderungen (s.d.) und aus zwei adiabatischen Zustandsänderungen (s.d.) besteht (Fig. 3, 4) und einfacher Kreisprozeß oder Carnotscher Kreisprozeß genannt wird. Sind anstatt der Grenztemperaturen andre Bedingungen vorgeschrieben (z.B. Grenzdrücke, Grenzvolumen), so liefern auch andre Kreisprozesse die größte äußere Arbeit (vgl. Wärmemotoren und [8] I S. 91). Jeden beliebigen Kreisprozeß kann man entsprechend der Zerlegung seiner Arbeitsfläche in Elemente oder endliche Teile derart zerlegen, daß für die Einzelprozesse wie im ganzen die Bedingungen 1. erfüllt sind und für die ersteren zusammen L = W Q den Bleichen Wert wie für den resultierenden Kreisprozeß hat. In Fig. 5, 6 ist beispielsweise die Zerlegung in elementare Carnotsche Kreisprozesse angedeutet.
Literatur: [1] Carnot, Réflexions sur la puissance motrice du feu et sur les machines à développer cette puissance, Paris 1824, S. 32 (2. Aufl., Paris 1878). [2] Clapeyron, Mémoire sur la puissance motrice de la chaleur, Journal de l'Ecole polytechnique 1834, XIV, S. 170, 199 (Poggendorffs Annalen 1843, LIX, S. 446, 566). [3] Grashof, Theoretische Maschinenlehre, I, Leipzig 1875, S. 78; II, Hamburg u. Leipzig 1890, S. 403, 535, 539, 758, 772 u.s.w. [4] Rühlmann, Handbuch der mech. Wärmetheorie, I, Braunschweig 1876, S. 313, 360, 414, 417 u.s.w. [5] Clausius, Die mechan. Wärmetheorie, I, Braunschweig 1887, S. 34, 72, 97, 105, 293 u.s.w. [6] Zeuner, Technische Thermodynamik, I, Leipzig 1900, S. 42, 276, 291; II, Leipzig 1901, S. 351. [7] Chwolson, Lehrbuch der Physik, III, Die Lehre von der Wärme, Braunschweig 1905, S. 455, 468, 490 u.s.w. [8] Weyrauch, Grundriß der Wärmetheorie, I, Stuttgart 1905, S. 31, 39, 42, 84, 91, 104, 189, 191, 194, 197, 277; II, Stuttgart 1907, S. 142, 149, 154, 178. Auch alle andern Lehrbücher der mechanischen Wärmetheorie behandeln Kreisprozesse.
Weyrauch.
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