[88] Setzmaschinen, Maschinen, mittels derer die Herstellung von Letternformen für den Buchdruck auf mechanischem Wege erfolgt. Ihre Verwendung bietet die Vorteile, daß eine größere Arbeitsleistung (infolge des rascheren Setzens mit der Maschine und des Umstandes, daß die mit Setzmaschinen hergestellten [88] Formen nicht abgelegt zu werden brauchen [s. Buchdruckerkunst], sondern zum Einschmelzen gelangen) zu erzielen ist, daß keine großen Mengen Schrift vorrätig sein müssen, daß jedesmal eine neue, nicht aus abgenutztem Material bestehende Form zum Drucke gelangt, und daß endlich bei einzelnen Setzmaschinen die Neuherstellung ein und desselben Satzes mit Hilfe der aufbewahrten »Manuskriptrollen« sehr billig auf rein automatischem Wege erfolgen kann.
Angeblich soll schon 1815 Benjamin Forster in London die Konstruktion einer Setzmaschine verflicht haben. Ihm folgten im Laufe der Zeit sehr viele Erfinder, die jedoch fast alle nur Werke von vorübergehender Bedeutung schufen. Größere Beachtung fanden die Apparate von Peter von Kliegl in Preßburg (1839; dieser erhielt von Kaiser Ferdinand I. eine Unterstützung von 6400 Gulden C.-M.), das Pianotyp von James Hadden Young und Adrien Delcambre in Lille (1840; ein Kalten vom Aussehen eines stehenden Pianos mit Tasten, deren Anschlag einen komplizierten Mechanismus zum Vorstoßen und Aneinanderreihen der Buchstaben in Bewegung setzte; das Ausschließen u.s.w. mußte durch Handarbeit geschehen), die diesem im Prinzipe mehr oder weniger ähnlichen Vorrichtungen von John Clay aus Cottingham und Frederik Rosenborg aus Sculcoates in England (1840), Emanuel Louis Tschulik in Wien (1846), Christian Särensen in Kopenhagen (1851), A. Mackie in Warrington (1867), Charles Kastenbein aus Cassel (1871, in einigen Offizinen mit dem dazugehörigen Ablegeapparate bis heute noch im Gebrauche), John Hooker in London (1874), Robert Hattersley in Manchester (1874), Joseph Thorne in New York (1880) u.a. Alle diese Maschinen konnten aber den praktischen Anforderungen nur sehr bedingungsweise genügen. Dagegen gibt es derzeit bereits eine Reihe von Setzmaschinen, die vortrefflich arbeiten und in Hunderten, mitunter Tausenden von Exemplaren allerorts, und zwar namentlich in den großen Zeitungsdruckereien, ständig im Betriebe stehen.
Man unterscheidet zwei Hauptgruppen: Zeilensetz- und -gießmaschinen als die eine, Einzelbuchstaben-Schreib-, Gieß- und Setzmaschinen als die andre. Bei jenen werden durch das Anschlagen von Tasten keine Buchstaben, sondern deren Matrizen, nämlich Metallstäbe verschiedener Form, die an einer Schmalseite das Auge (vgl. Schriftgießerei) oder deren mehrere tragen, aneinandergereiht. Zwischen die je ein Wort bildenden Matrizengruppen gelangen Keilvorrichtungen verschiedener Art, welche, sobald die Zeile annähernd gefüllt ist und der Operator (Maschinensetzer) einen Hebel betätigt hat, automatisch angetrieben werden, so daß die Zeile »auf Format ausgeschlossen« ist (vgl. Buchdruckerkunst). Sodann wird von der Matrizenreihe durch die Maschine selbsttätig eine kompakte Zeile abgegossen und diese, scharf behobelt, ausgestoßen, worauf die Matrizen in ihre Behälter zurückkehren. Diese Maschinen bieten die Vorteile, daß sie verhältnismäßig billig sind, daß mit dem aus ganzen Zeilen bestehenden Satze leicht manipuliert werden kann und namentlich, daß der Abguß jeder Zeile unmittelbar nach dem Setzen dieser erfolgt. Sie sind daher für glatten (oder auch bei einzelnen Maschinen für gemischten) fortlaufenden Satz gut zu verwenden, wenn keine umfangreicheren Aenderungen des fertigen Satzes zu befürchten sind. In diesem Falle nämlich, z.B. bei Korrekturen, die Wortverschiebungen über viele Zeilen notwendig machen, muß mitunter die ganze Form eingeschmelzt und eine neue gesetzt werden. Die von den Einzelbuchstaben-Schreib-, Gieß- und Setzmaschinen gelieferten Formen bestehen dagegen ganz wie die durch Handsatz verfertigten aus einzelnen Lettern und können daher beliebig korrigiert werden.
Von den Zeilensetz- und -gießmaschinen sind folgende die verbreitetsten: 1. Die Linotype von Ottomar Mergenthaler. Der vor der in aufrechter Anordnung gebauten Maschine sitzende Operator liest das auf einem Tischchen befestigte Manuskript ab und drückt für jeden Buchstaben eine besondere der etwa 90, auf kleinem Raum zusammengedrängten Tasten. Dadurch wird in dem betreffenden Buchstabenbehälter eines Magazines eine Matrize freigegeben, die durch einen Gleitkanal auf einen endlosen, schräg bewegten Riemen fällt, der sie dem Sammler (Winkelhaken) zuführt. Zwischen die Worte gelangen Keilspatien. Ist die Zeile nahezu gefüllt, ertönt ein Glockensignal, so daß der Setzer die richtige Teilung vornehmen kann, worauf er einen Hebel rückt und nun sofort mit dem Satze der nächsten Zeile beginnt. Mittlerweile wird die Matrizenreihe automatisch ausgeschlossen, vor die Oeffnung des Guß- oder Formrades geführt, die Zeile abgegossen, behobelt und ausgestoßen, sodann die Matrizenreihe durch einen Hebelarm gehoben und nach Ausstoßen der Keilspatien auf den Verteiler (Distributor) geschoben. Dieser ist ein unten prismatisch geformter, mit eigenartiger Zahnung versehener Stab, entlang dem die (mit gleichfalls, und zwar für jede Buchstabengattung anders gezahntem Einschnitt versehenen) Matrizenstäbe durch Schneckenspindeln fortgetrieben werden. Genau über dem bestimmten Behälter läßt die Zahnung des Verteilers die Matrize frei hinabfallen. Bei der sogenannten Zweibuchstaben-Linotype können zwei Schriftcharaktere, z.B. eine »magere« und eine »fette« Schrift gegossen werden. Die Matrizen besitzen dann zwei Augen übereinander, eine besondere Vorrichtung bringt das richtige in die Reihe. Alle Matrizen tragen auf der dem Setzer zugewendeten Schmalseite den Buchstaben, dessen Matrize sie besitzen, eingestanzt. Dadurch kann der Setzer das Gesetzte lesen. Bei den neuen Doppelmagazin-Linotypes stehen vier Schriftgarnituren mit zusammen 360 Schriftzeichen in Benutzung. Sie besitzen übereinander gelagert zwei Magazine, die mit je einem kompletten Satz Zweibuchstabenmatrizen gefüllt sind. Ferner sind zwei Ablegeschienen (Verteiler) vorgesehen; für eine besitzen die auf ihr zum Transport kommen müssenden Matrizen einen Schlitz, der sie von den andern leicht trennen läßt. Die bei dem oft vorzunehmenden Reinigen der Matrizen sehr lästige Handarbeit kann durch Benutzung des[89] von G. Wollenberg in Eisenach konstruierten Apparates, mit dem ein etwa 1400 Stück umfassender Matrizensatz in einer Stunde gereinigt werden kann, erspart werden. 2. Die Monoline von William Scudder. Sie ist auf einer Art Tisch montiert; die Einzelteile sind horizontal nebeneinander angeordnet. Sie besitzt nur acht Sorten Matrizenstäbe, die sich durch verschiedene Dicke und einen ungleich langen Haken unterscheiden lassen. Jeder Matrizenstab trägt auf einer Schmalseite die Augen für zwölf Buchstabenbilder, auf der andern Schmalseite sind korrespondierend zwölf Einschnitte (Rasten) angebracht. Wird eine Taste gedrückt, so wird der betreffende Matrizenstab im Magazinsgleitkanal ausgelöst und fällt auf eine gleichzeitig vorgeschobene Haltschiene (Stoppbarre, es sind deren zwölf vorhanden), so daß das richtige Auge in die Reihe kommt (und durch den korrespondierenden Einschnitt, in den eine Leiste greift, festgehalten wird). Nach Abguß der Zeile wird die Matrizenreihe gelockert, an der unteren Seite gleichgestoßen und vor den mittlerweile gesenkten Ableger geführt. Dieser besteht aus jetzt wagerechten, knapp übereinander befindlichen Stäben, auf die, gezwungen durch die verschieden langen Haken, nur die jedem Stabe bestimmten Matrizen sich schieben.. Hierauf geht der Ableger hoch, jeder Stab gelangt vor ein bestimmtes Magazinsfach, in das die Matrizen von einer Leiste hineingestreift werden. 3. Der Typograph von J. Roger und S.E. Bright. Bei diesem ist, gleichwie bei der Linotype, für jeden Buchstaben ein eigner Matrizenstab vorgesehen, der auch, und zwar beim Zweibuchstaben-Typograph, zwei Augen (für magere und fette Schrift, für »gewöhnliche« und Kursiv, vgl. Schriftarten) besitzt. Die Matrizenstäbe sind lang, und es hängen mit ringförmig ausgebildeten Haken alle Stäbe desselben Buchstabens an einem Draht, den sie nie ganz verlassen. Nach dem Tastendruck gleitet der freigegebene Matrizenstab durch die eigne Schwere nach abwärts in den Winkelhaken. Bevor der Setzer mit der nächsten Zeile beginnen kann, muß er die Matrizenreihe der vorhergehenden durch Zurückneigen des »Korbes« ablegen; die Stäbe fallen dabei in die ursprüngliche Lage zurück.
Die vorläufig bedeutendste Einzelbuchstaben-Schreib-, Gieß-, und Setzmaschine ist die Monotype von Tolbert Lanston. Sie besteht gleich andern auf diesem Prinzip beruhenden Setzmaschinen aus zwei voneinander völlig getrennten und ganz unabhängig voneinander betätigten Maschinen, nämlich dem zur Herstellung eines »Manuskriptes« dienenden Schreibapparat und der eigentlichen Gieß- und Setzmaschine. Zum Betriebe des Schreibapparats dient ausschließlich Preßluft (die in der Regel von einer elektromotorisch betriebenen Pumpe erzeugt und in einem Generator aufgespeichert wird, wobei in sehr ökonomischer Weise durch besondere Vorrichtungen Motor und Pumpe nach Bedarf automatisch aus- und eingeschaltet werden können), zu dem des Gieß- und Setzapparats Preßluft und motorische Kraft (gewöhnlich elektrischer Einzelantrieb). Der Schreibapparat besitzt eine mit 257 Knöpfen versehene Tastatur. Die Tasten sind zur besseren Unterscheidung schwarz, weiß, rot und grün gefärbt. Diese Gruppen entsprechen drei Schriftgarnituren und den Ausschlußtasten. Wenn die für den betreffenden Buchstaben bestimmte Taste niedergedrückt wird, strömt durch ein Ventil Preßluft ein, die eine für jeden Buchstaben anders kombinierte Gruppe von einigen der 31 Stahlstäben betätigt, die in ein Papierband (das zu oberst am Apparate angebracht ist und, nach jedem Tasterschlag um wenige Millimeter ruckweise bewegt, von einer Rolle ablauft und von einer Spule wieder abgewickelt wird) Löcher perforieren. Für jeden Buchstaben gibt dies ein andres Lochsystem, ebenso für den Wortzwischenraum. Ist die Zeile fast fertig, zeigt dies ein Glockensignal an und ein an einer Skala fortbewegter Zeiger gibt den noch verfügbaren Raum an, ob noch eine Silbe in die Zeile geht oder ob »ausgeschlossen« werden muß. In diesem Falle wird ein Knopf gedrückt, wodurch die Ausschließtrommel sich bewegt und ein Zeiger auf ein Ziffernpaar auf dieser weist, worauf die beiden mit den gleichen Zahlen versehenen Tasten niedergedrückt werden. Die fertige Manuskriptrolle (also nach dem »Schreiben« des ganzen Textes) gelangt nun in die Gieß- und Setzmaschine. In dieser läuft das perforierte Band ruckweise zwischen einem mit 31 Löchern (als Einströmungsöffnungen ebensovieler Leitkanäle) versehenen Zylinder und einer geschlitzten Röhre, aus der Preßluft strömt, hindurch. Der Preßluft ist nun der Eintritt in jene Leitkanäle ermöglicht, die durch die Löcher des betreffenden Systems jeweils freigegeben sind. Hierdurch werden immer anders kombinierte Stifte in Tätigkeit gesetzt, welche die Stellung von Hebelsystemen bestimmen, die den Rahmen, in dem alle Matrizen in einem Block vereinigt sind, führen. Die Matrizen sind kleine Stäbchen von quadratischem Querschnitte, die am Kopfe das Auge und am Fuße eine konische Ausbohrung besitzen, in die sich ein Fixierstift senkt, sobald das richtige Auge vor dem Gießmunde sich befindet. Gleichzeitig wird der Dicktenschieber des Gießinstruments entsprechend verschoben. Durch eine Pumpe wird Schriftmetall in den Hohlraum gespritzt, der infolge Wasserkühlung rasch erstarrte Buchstabe wie bei den Komplettmaschinen (vgl. Schriftgießerei) fertiggemacht, von Greifern erfaßt, ausgestoßen und im Winkelhaken zur Zeile gereiht, die dann vorgeschoben wird und seitlich auf ein Schiff wandert.
Der von Méray und Rozár in Budapest erfundene Elektrotypograph beruht auf der Anwendung der Elektrizität. Auch hier wird ein Manuskriptstreifen in der Form eines perforierten Bandes zunächst hergestellt. Die Löcher sind quadratisch, die Systeme einfach und bei jedem wird der betreffende Buchstabe in Schreibmaschinenschrift mitgedruckt, um Korrekturen durch Ueberkleben und mittels Dekupierzange sofort zu gestatten. Das Ausschließen erfolgt durch Betätigung stets derselben einen Taste. Das Manuskriptband kann unmittelbar in die Gieß- und Setzmaschine einlaufen. In dieser trennt es einen elektrisch leitenden Zylinder von elektrisch leitenden Fühlern. Nur dort kann zwischen beiden ein Kontakt stattfinden, wo die durchlochten Stellen des Papierbandes es gestatten. Dadurch wird ein Elektromagnet angeregt, der wieder die Funktion komplizierter Vorrichtungen auslöst, die das Vorbringen eines Matrizenringes mittels besonderer Arme vor den Gießmund und hierauf das Zurückbringen vollführen. Auch hier werden die vollständig bearbeiteten Buchstaben zunächst zu Zeilen, diese zu Kolumnen formiert. Da die Lochsysteme mit denen des Baudotschen Schnelltelegraphen Übereinstimmen,[90] ist die telegraphische Betätigung derartiger Apparate zur Herstellung von Manuskriptstreifen möglich. Versuche mit derartigen Teletypographen wurden bereits durchgeführt. Die Schuckertwerke, A.-G., in Nürnberg, die den Elektrotypographen bisher gebaut hat, verkaufte die Patente angeblich nach Amerika.
Literatur: Höger, Karl, Die typographischen Phänomene, Wien 1897; Goebel, Theodor, Die graphischen Künste der Gegenwart, 2. Folge, Stuttgart 1902; Herrmann, Karl, Geschichte der Setzmaschine, Wien 1900; Waldow, Alexander, Encyklopädie der graphischen Künste, Leipzig 1884; Unger, A.W., Die Herstellung von Büchern, Illustrationen u.s.w., Halle a. S. 1906; vgl. a. die Kataloge der Mergenthaler Setzmaschinenfabrik in Berlin, Oesterr. Waffenfabrik, A.-G., in Steyr, der Typograph G.m.b.H. in Berlin und von G. Fischer & Co. in Berlin.
A.W. Unger.
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