Garnprüfung [2]

[300] Garnprüfung. Feinheit der Garne. Bei Bestimmung der Feinheitsnummer ist auf etwaiges Vorhandensein von Schlichte oder Appretur Rücksicht zu nehmen; über ihre Entfernung s. w. u. bei Beschwerung. Die Nummer wird gewöhnlich für das rohe Garn angegeben, bei gebleichten oder gefärbten Garnen ist daher ein entsprechender Betrag für Abkoch- bezw. Bleichverlust in Rechnung zu setzen [1], [2].

Die Gleichmäßigkeit der Garne in der Fertigkeit kann außer durch den Unterschied zwischen Gesamtmittel und Untermittel (s. Bd. IV, S. 264) auch beurteilt werden nach der Abweichung des Einzelversuches vom Gesamtmittel. Auch der Unterschied zwischen dem erhaltenen höchsten und niedrigsten Festigkeitswert im Vergleich zum Mittelwert gestattet ein Urteil über die Gleichmäßigkeit des Garnes.

Der Feuchtigkeitsgrad der Garne ist vor allem abhängig von der Feuchtigkeit der Luft, die am einfachsten mittels Haarhygrometers (s. Feuchtigkeitsmesser, Bd. III, S. 760) kontrolliert wird. Bei der Bestimmung des Feuchtigkeitsgehaltes sind vereinbarungsgemäß alle Garne aus pflanzlichen Spinnstoffen und Wolle bei 105–110° C, natürliche Seide und Kunstseide bei 120° C. (einzelne Anstalten trocknen die Naturseide bei 140° C.) bis zum konstanten Gewicht zu trocknen, d.h. so lange, bis zwei in 10 Minuten Abstand vorgenommene Wägungen einen Gewichtsunterschied von weniger als 0,05%. bei Seide 0,02%. ergeben. Der Unterschied zwischen dem absoluten Trockengewicht und dem Feuchtgewicht der Probe gibt, auf letzteres bezogen, den Feuchtigkeitsgehalt der Probe an. Dieser ist nicht zu verwechseln mit dem handelsüblichen Feuchtigkeitszuschlag, der in der in Tabelle Bd. IV, S. 264 angegebenen Höhe zu dem Trockengewicht zuzuschlagen ist, um das sogenannte Handelsgewicht zu erhalten. Für Kunstseide ist neuerdings auch ein bestimmter Feuchtigkeitszuschlag als handelsüblich festgesetzt worden, und zwar 11% wie bei Naturseide [3], [4].

Die Beschwerung der Garne bezweckt, das Gewicht des Fadens zu erhöhen, ihn dicker und ansehnlicher zu machen oder ihm ein bestimmtes Aussehen bezw. Griff zu verleihen. Ueber die Beschwerung pflanzlicher Gespinste, z.B. beim Schlichten, siehe bei Appretmittel, Bd. I., S. 251. Ihre Bestimmung kann meist durch Auswaschen in heißem oder kochendem, schwach angesäuertem oder schwach alkalischem Wasser erfolgen, nötigenfalls nach vorheriger Behandlung in einem stärkelösenden Bade, z.B. mit Diastafor [2], [3], [5]. Eine besondere Rolle spielt[300] die Beschwerung bei der natürlichen Seide, wo beim Färben durch Behandlung in Gerbstoff- oder Metallsalzlösungen das Gewicht der Seide auf das 1,5–4fache des ursprünglichen erhöht werden kann. Zur Bestimmung der Beschwerung bezw. ihrer Höhe haben sich besonders die Abziehverfahren mit Flußsäure oder Kieselflußsäure und die Universalmethode der Stickstoffbestimmung bewährt [6], [7].


Literatur: [1] Kind, Das Bleichen der Pflanzenfasern, Wittenberg 1913. – [2] Stirm, Chemische Technologie der Gespinstfasern, Berlin 1913. – [3] Heermann, Mechanische und physikalisch-technische Textiluntersuchungen, Berlin 1912. – [4] Willkomm, Beiträge zur Frage der Luftbefeuchtung in Spinnereien u. Webereien, Leipzig, Monatsschr. s. Textilindustrie 1909, Heft 8 ff. – [5] Massot, Anleitung z. quantitativen Appretur- u. Schlichteanalyse, Berlin 1911. – [6] Gnehm u. Dürsteler, Beitrag z. Untersuchung beschwerter Seide, Färberztg. 1906, Heft 14/19. – [7] Ristenpart, Kritische Studien z. Analyse d. Seidenerschwerung, Färberztg. 1907, Heft 18 u. 19 und 1908, Heft 3 u. 4.

G. Herzog.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 300-301.
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