[403] Kartonnagen. Zwei Maschinengruppen sind es, welche der neueren Entwicklung der Kartonnageindustrie ihr besonderes Gepräge geben: einmal die Maschinen für Pappzieherei und -Prägerei, und zweitens die Anleim- und Beklebemaschinen.
Die Notwendigkeit, einfache, aber exakt ausgeführte Kartonnagen täglich in ganz bedeutenden Mengen zu erzeugen, führte zur ausgedehnten Anwendung solcher Maschinen für die verschiedensten Spezialzwecke. Ein charakteristischer Typ der ersten Gruppe ist die horizontale Deckelziehpresse der Sächsischen Kartonnagemaschinen-A.-G. Dresden, die gezogene und geprägte Kartonartikel aller Art aus Rollenkarton selbsttätig ausschneidet, zieht, prägt und stanzt, auswirft und zählt (s. Fig. 1). Der Kartonstreifen läuft von einer Abrollvorrichtung mit Streifenspanner ab und wird von dem automatisch bewegten Walzenvorschubwerk zu einem Imprägnierapparat geführt, um mit einer Spezialkomposition von Seife, Paraffin u.s.w. in vorzüglicher Weise zum Ziehen präpariert zu werden. Hiernach erfassen ihn zwei Stößel, die von einer gemeinsamen Kurbel- und Kurvenwelle angetrieben werden, von denen einer das Ausschneiden des Zuschnittes, der andre das Ziehen des Deckels bewirkt, ein zweites Walzenpaar führt den zusammenhängenden Abfallstreifen aus der Maschine heraus. Die Tagesleistung ist etwa 3000040000 Teile, kann aber durch Einstellung weiterer Einzelwerkzeuge leicht auf das Mehrfache dieses Betrages gesteigert werden.[403]
Für die Herstellung größerer und für lange Haltbarkeit berechneter Kartonnagen kommt das »Zackensystem« in Betracht, mit welchem Hut- und Muffschachteln, Kragen-, Mützen-, Tortenschachteln u.s.w. in runder, viereckiger, ovaler Form erzeugt werden. Die Pappbogen werden zunächst in Streifen geschnitten, welche der Höhe der Schachteln, zuzüglich der Breite der zu verwendenden Zacken entsprechen. Hierauf versieht man sie auf der Biegemaschine mit zwei parallelen Längsbiegungen an der Stelle, wo sie getrennt werden sollen; die entstandenen Teile bilden die Zargen für Deckel und Böden. Der Zwischenraum zwischen den Abbiegungen muß so breit sein wie das zum Zertrennen benutzte Zackenkreismesser. Dieser Zwischenraum wird mit Pflanzenleim bestrichen, den man gut trocknen läßt. Dann wird der Apparat mit dem Zackenkreismesser an der Ritzmaschine (s. Bd. 5, S. 398, Fig. 2) angebracht, und man läßt die Streifen genau wie beim Ritzen durchlaufen (s. Fig. 2). Nunmehr werden die Streifen auf die entsprechende Länge zugeschnitten, gebogen und auf der Nietmaschine stumpf zusammenstoßend oder übereinandergreifend zusammengenietet. Die Böden werden gestanzt oder bei größeren Schachteln mit der Bödenkreisschere (s. Fig. 3) ausgeschnitten; man legt solche auf den durch das Abbiegen entstandenen Wulst, schiebt den so gebildeten Teil auf die in der Presse befestigte, gut erwärmte Prägeform und preßt Zacken und Boden zusammen.
Ueber weitere, der Herstellung moderner Kartonnagen dienende Maschinen und Apparate geben die Kataloge und Prospekte der obengenannten Firma erschöpfend Auskunft.
Ein gutes Beispiel für die zweite, die neuere Entwicklung der Kartonnage bezeichnende Maschinengruppe bildet der »Doppelender« der Firma Ferd. Emil Jagenberg in Düsseldorf (Fig. 4). Um den großen Materialverlust zu beseitigen, der durch das bisher übliche Ausstanzen der Ecken entstand (s. Bd. 5, S. 399 f), wird der Zuschnitt eines Kartons in drei getrennte Rechtecke zerlegt, und diese Rechtecke werden durch die Maschine mittels festen Papiers verbunden. Die Zuschnitte werden floß weise eingelegt, das Mittelstück wird automatisch erfaßt, während die Seitenteile sich gleichzeitig rechts und links anlegen. Das Ganze schiebt sich dann in genauer Führung unter einen rotierenden Streifenaufwalzzylinder, der die Teile mittels angeleimter Papierstreifen verbindet. Diese Streifen kommen von einer Rolle und kann ihre Länge auf jede gewünschte Millimeterzahl abgepaßt werden.
Die obengenannte Firma hat durch ihre Bogen- und Streifenanleim- und Beklebemaschinen überhaupt einen außerordentlich starken Einfluß auf die maschinelle Entwicklung der Kartonnagenindustrie ausgeübt, ist auf diesem Gebiet bahnbrechend gewesen und hat die Anwendung des Pinsels aus dem rationellen Betriebe beinahe verdrängt. Ihre Maschinen verarbeiten: Kaltleim, Warmleim, Kleister aller Art, Gummi und Lacke. Das rasche Trocknen der gummierten und lackierten Bogen wird mit Trockenapparaten ohne raumsperrende Hürden mittels Luftaufblasevorrichtungen bewirkt. Näheres ist zu ersehen aus der Broschüre: »Die Jagenberg-Maschinen«, welche von der Firma in Düsseldorf bereitwilligst versandt wird. Außerdem bietet folgende Literatur sachgemäßes Studienmaterial: Schubert, Die Kartonnagenindustrie Berlin. Kartonnagenzeitung, Dresden, »Kartonnage«, Leipzig, Allgemeiner Anzeiger für Buchbindereien, Kartonnage-Beiblatt, Stuttgart.
Herm. Saalfeld.
Lueger-1904: Kartonnagen [2]
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