[700] Kartonnagen (franz., spr. -āschen), Schachteln und andre Hüllen aus Karton, Pappe etc. werden entweder aus einem Stück hergestellt oder aus mehreren Teilen zusammengesetzt. Runde, ovale und ähnlich geformte Schalen, Schachteln etc. erzeugt man wie Blechgefäße durch Pressen entsprechend zugeschnittener[700] Kartonscheiben in heißen Stahlformen mittels Stempel (s. Blechverarbeitung, mit Tafel), die zugleich Verzierungen (Hirschhornmuster, Geflechte etc.) einprägen.
Eckige Hüllen aller Art werden vielfach aus einem Stück passend zugeschnittenen Kartons dadurch hergestellt, daß man diesen einfach zusammenbiegt und durch angebrachte Lappen oder Schließen mit entsprechenden Schlitzen verbindet (Faltschachteln).
Die bei weitem größte Menge von K. wird jetzt mittels Maschinen fabrikmäßig erzeugt, indem man die Pappen auf der Schneidemaschine zerschneidet, auf Schlitzmaschinen zum Zusammenbiegen vorbereitet und auf Nietmaschinen fest schließt.
Als Schneidemaschine verwendet man Pappenscheren oder Kreisscheren, zum Schneiden schmaler Pappstreifen mit 610 Messerpaaren auf einem Wellenpaar.
Zum Biegen wurden die Pappen früher an den Biegestellen geritzt und damit an den am meisten beanspruchten Stellen geschwächt.
Nach der Erfindung von Remus baut die Sächsische Kartonnagenmaschinenfabrik in Dresden jetzt Biegemaschinen, die umgekehrt an den Biegestellen die Pappe stauchen oder wulsten und dadurch widerstandsfähiger machen. Auf dem Säulengestell S (Fig. 1) befindet sich ein Klotz a von der Länge der zu biegenden Pappe, der von dem Fußtritt T mit Schubstange z und Hebel h kräftig nach abwärts gedrückt werden kann. Der untere keilförmige Teil des Klotzes a besteht aus zwei Zangenbacken, die auseinanderfedern und sich dadurch schließen, daß sie in eine keilförmige Nute der Unterlage b eintreten.
Die zwischen a und b geschobene Pappe wird dabei von den Backen gefaßt, zusammengekniffen und gestaucht sowie gleichzeitig durch die Keilwirkung gebogen.
Um die gefalteten Papptafeln zu viereckigen Schachteln zusammensetzen oder zu sogen. Faltschachteln zusammenlegen zu können, werden die Ecken ausgestoßen oder Schlitze eingeschnitten. Die neueste Art der Vernietung gestattet es sogar, die Teile, die durch Ausstoßen der Ecken verloren gehen, zur Verstärkung der Stirnwände der Schachteln zu benutzen, indem man sie nur umbiegt und auf die Stirnwände auslegt, wodurch letztere verdoppelt werden. Aus dem Grunde begnügt man sich hier auch mit dem Einschlitzen (Fig. 2).
Nur in dem Fall, in dem die zwei zusammengehörenden Lappen breiter als die Stirnwand sind, müssen sie durch den Winkelschnitt so weit verkürzt werden, daß sie in der Mitte zusammenstoßen. Die Schlitzschneidemaschine mit Winkelschnitt (Fig. 3) der genannten Firma besitzt auf dem Klotz a, der ebenfalls vom Fußtritt T aus mit Zugstange z und Hebel h bewegt wird, die zwei rechtwinklig zueinander stehenden Messer c, e, die sich leicht durch Verschieben gegeneinander einstellen lassen, um die an dem Anschlag s geführte Pappe passend zu schlitzen und zu beschneiden.
Die auf solche Weise vorbereiteten Pappen werden auf den Nietmaschinen an den Rändern vereinigt. Dazu benutzt man Draht- oder Blechklammern (Fig. 4), besonders Niete aus Blech (Fig. 5), die rund oder sechseckig und mit zwei Spitzen versehen sind, die durch die Pappe hindurchgestoßen und umgebogen werden. Die hierzu von derselben Fabrik eingeführt e Nietmaschine (Fig. 6) besteht dem Wesen nach aus einem durch den Fußtritt T niederzustoßenden Stempel a mit dem Amboß c zum Auflegen der Schachtel und dem Kocher k. Dieser Köcher ist mit Nieten gefüllt, die darin niedersinken, um einzeln unter den Stempel a zu gelangen, der sie durch die Pappe hindurch drückt und umschlägt. Für besondere Zwecke, z. B. für Faltschachteln, Rundschachteln, können verschiedene Ambosse ausgewechselt werden. Mit dieser [701] Nietmaschine lassen sich täglich 1215,000 Nieten einschlagen. Da die beschriebene Fabrikationsmethode die Klebmittel vermeidet und daher vollkommen saubere Arbeiten liefert, so können die feinsten, geprägten, glänzendsten etc. Pappen direkt verarbeitet werden.
Aus demselben Verfahren ist die Fabrikation der Rund- und Façonschachteln der genannten Firma hervorgegangen. Der Pappstreifen b c b (Fig. 7 A, S. 701) wird erst auf der Biegemaschine gewulstet (Figur 7 A a), dann längs der Fläche c mit Fischleim bestrichen und darauf mittels eines Kreismessers mit Zickzackschneiden in zwei ausgezackte Teile 1 und 2 (Fig. 7 B) getrennt. Nachdem derselbe sodann rund gebogen und an den Kanten zusammengenietet ist, legt man den Boden b (Fig. 7 C) auf die Wulste a a und preßt die Zacken gegen den Boden mittels warmer Stempel, die den Leim erweichen und die Zacken mit dem Boden fest verkleben (Fig. 7 D).
Der Zackenschneideapparat (Fig. 8) besteht der Hauptsache nach aus einem Schneiderad a, das mit Zickzack- oder Bogenschneiden (Fig. 7 B B) versehen und drehbar in einer Gabel g gelagert ist, die durch eine Schraube der Pappendicke angepaßt werden kann und sich verschiebbar an einem Balken B befindet, so daß die unter dem Schneiderad hergezogene Pappe P nach Zacken zerschnitten wird. Setzt man in der Gabel g statt des Zackenrades ein Rad mit schmalem, glattem Rad ein, so entsteht die Liniiermaschine. Selbstverständlich lassen sich die Pappen etc. vorher durch Prägen, Bedrucken etc. beliebig verzieren. Vgl. Franke, Die Verfertigung aller Arten Papp- und Galanteriearbeiten (Weim. 1896); Schubert, Die Kartonnagen-Industrie (Berl. 1900).
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