Kautschuk [2]

[406] Kautschuk. Die nachfolgenden neuen Kautschukquellen seien als Ergänzung der in Bd. 5, S. 412 ff., enthaltenen aufgeführt.

Kickxia elastica in Lagos liefert den geschätzten Silkrubber. Neue Landolphiaarten, ferner Plectaneia microphylla (»Der Tropenpflanzer« 1912, S. 104) produzieren brauchbaren afrikanischen Kautschuk. Wurzelkautschuk wird aus den Wurzelstöcken von Carpodinus- und Clitandraarten (Apocynaceen, von Kongo und Angola) und von Landolphia parvifolia im Nyassaland gewonnen. In den Steppen von Benguela ist eine Knollenpflanze, Ekanda oder Marianga genannt, einheimisch, deren Knollen 1,5% Milchsaft mit 0,457% Reinkautschuk enthalten. Sie stellt eine neue Art der Asclepiadaceengattung Raphiacme (= Raphionacme) dar und wurde von Brown und Stapf Raphiacme utilis benannt. Sie wächst in den baumlosen, sandigen Alluvialgebieten zwischen den afrikanischen Flüssen Kwanza und Zambesi (der Heimat der Wurzelkautschuk liefernden Asclepiadacee Carpodinus chylorrhiza). In Deutsch-Ostafrika ist Mascarenhasia elastica K. Schm. als kautschukliefernde Pflanze erkannt worden. Sie heißt »Mgoa«, portugiesisch »Nharasika«, ihr Produkt kommt in lockeren, weichen, unsauberen Ballen, Klumpen oder dunkelbraunen Fladen in den Handel, dürfte aber nur von geringem Werte sein [1]. – Eine neue Kautschuksorte ist der Guayule-Kautschuk, besonders dadurch merkwürdig, daß er aus Holz und Rinde einer Komposite, Parthenium argentatum A. Gray (fälschlich als Synanthera mexicana bezeichnet) gewonnen wird. Die Pflanze besitzt einen graurindigen Stamm und ist im Norden des mexikanischen Hochlandes einheimisch. Die Rinde enthält außerdem ein dem Gummiarabikum ähnliches Produkt. Der Milchsaft soll angeblich nicht wie bei den übrigen Kautschukpflanzen in Milchröhren enthalten sein, was vielleicht für das Holz, aber wohl nicht für die Rinde gelten mag. Die Gewinnung des Guayule geschieht nach verschiedenen Methoden, die darauf hinauslaufen, daß das feingemahlene Rohmaterial (Holz und Rinde) unter Zusatz von Alkalien mit Wasserdampf gekocht wird, um die pflanzlichen Partikel, besonders die Holzteilchen abzuscheiden [2], [3]. Dieser Kautschuk hat eine grünlichgraue Färbung, wird an der Oberfläche bald schwarz, läßt sich gut vulkanisieren und zählt zu den besseren Kautschuksorten.

Als eine Art Kautschukersatz gilt der Jelutong- oder Pontianakkautschuk, der von der malaiischen Halbinsel, von Serawak im Süden von Britisch-Borneo, von Niederländisch-Borneo und Sumatra in den Handel kommt. Es ist ein minderwertiger Kautschuk mit 8–15% Kautschuk und 25–40% Harz; das übrige ist Wasser. Er dient entweder direkt als Ersatz- und Füllmaterial oder gegenwärtig auch schon zur Gewinnung des darin enthaltenen reinen Kautschuks durch Abscheidung des Harzes und Wassers [4].

Koagulierungsmethoden. Bei Wildkautschuk bleiben noch auf lange die alten Methoden der Eingeborenen und Sammler, der Gaucheros und Seringueiros in Anwendung; in den Plantagen sucht man eine zweckmäßigere Gewinnung und Verarbeitung des Latex zu erzielen. Ein neues Verfahren besteht darin, daß man den Latex noch am Tage der Gewinnung filtriert, um ihn von den mechanischen Verunreinigungen zu befreien; hierauf wird er mit dem von W.F. Dern erfundenen Präservierungspulver gut vermischt, das eine Art Gärung hervorruft. Der gegorene, in verlöteten Blechbüchsen verwahrte Latex erhält sich monatelang ohne Veränderung. In der Fabrik wird dem Latex wieder ein von Dern erfundener Zusatz beigemischt und die Mischung mittels Zentrifugierens von den schädlichen Harzen und Proteinstoffen befreit. Die Ausbeute ist je nach der Milchsorte verschieden. Von Castilloa-Milch erhält man 35% Reinkautschuk und 10% Harzkautschuk, von Hevea brasiliensis bis 40% Reinkautschuk und 6% Harzkautschuk. Der Wert des Harzkautschuks beträgt ungefähr 50% von dem des Reinkautschuks und deckt damit sämtliche Betriebskosten. Der erhaltene Kautschuk wird sogleich durch Waschwalzen getrieben und getrocknet und ist innerhalb 24 Stunden versandfähig; den Harzkautschuk erhält man erst zwei Tage später [5].

Auf Ceylon wird der Milchsaft der Hevea mit Essigsäure koaguliert, mit Waschmaschinen gewaschen und mit Stahlwalzen vom Wasser befreit. Die Aufmachung geschieht in »Biskuits«, »Sheets« oder »Crêpes«. Die Sheets sind viereckige Platten, die Crêpes werden bei Verwendung geriffelter Stahlwalzen zum Auspresien des Wassers in Form rauher Felle erhalten, die aber weniger beliebt sind, weil sich angeblich die Qualität nicht leicht bestimmen und der Grad der Verunreinigung schwerer nachweisen läßt. Von besonderem Interesse ist die Erzielung einer schönen hellen Färbung des Rohkautschuks bei Trocknen durch Ausschaltung gewisser Farbenstrahlen des Sonnenlichtes; man trocknet daher die Felle nur in rotem Licht. Eine andre Aufmachung geschieht in wurmförmigen Walzen (»Worms«), die aber nicht zweckmäßig erscheint [1]. W. Busse macht darauf aufmerksam, daß die äußere Beschaffenheit des Rohkautschuks nicht allein für die Qualität maßgebend sein kann, da ein anscheinend vorzügliches Material mit nur 2% Waschverlust beim Vulkanisieren vollständig versagte.[406]

Bei Gewinnung des Wildkautschuks wird in Afrika häufig die Koagulation des Milchsaftes direkt an der Ausflußstelle bewirkt. Man bringt an derselben eine Kochsalzlösung derart an, daß der austretende Milchsaft sofort koaguliert und das Produkt in Gestalt eines schmalen Bandes herausgezogen und aufgewickelt wird.

Vulkanisation. Die meisten Kautschukwaren werden mit feinverteiltem Schwefel vulkanisiert. Der Kautschuk wird zunächst mit diesem und mit dem Füllmaterial bei höherer Temperatur (etwa 60°) gemischt. Das Füllmaterial hat nicht nur den Zweck der Verbilligung des Kautschuks, sondern soll diesem auch bestimmte Eigenschaften erteilen, die er für gewisse technische Zwecke nötig hat. Hierauf wird die Kautschukmischung unter Druck auf etwa 130° C. erhitzt, was entweder in Formen in einem Autoklaven oder zwischen heizbaren Platten, in einer Vulkanisierpresse, vorgenommen wird. Nach Hinrichsen [8] handelt es ficht bei der Vulkanisation um eine chemische Verbindung, bei der sich vorher Absorptionsvorgänge abspielen. »Man kann daher annehmen, daß beispielsweise bei dem Zusammenbringen von Schwefelchlorür mit Kautschuk zunächst oberflächliche Absorption eintritt und sich nachher im Laufe der Zeit chemische Verbindungen bilden. Diese Beobachtung wird sich auch auf die Schwefelabsorption des Kautschuks übertragen lassen« (Hinrichsen).

Künstlicher (synthetischer) Kautschuk. Wie schon in Bd. 4, S. 415, angegeben ist, sind die wichtigsten Umsetzungsprodukte, die sich bei der Aufspaltung des Kautschuks durch Erhitzen bilden, das Isopren und das Dipenten, das sind Verbindungen, die in dem prozentischen Verhältnis von H und C sich genau so wie Kautschuk selbst verhalten. Aus dem durch Zersetzung des Kautschuks erhaltenen Isopren gelang es, wieder Kautschuk zu erzielen, ursprünglich durch Anwendung von Salzsäure [6], die aber oft versagte, nach den Entdeckungen von Fritz Hofmann und Coutelle einfach dadurch, daß man das ganz reine Isopren im geschlossenen Rohre für sich erhitzte, wobei sich Isopren wieder in Kautschuk zurückverwandelt. Es wurde aber auch gefunden, daß diese Reaktion sich nicht auf Isopren allein beschränkt, sondern sich auch auf Stoffe ähnlicher chemischer Konstitution erstreckt. Die Formel des Isoprens, C5H8, zeigt eine Kohlenstoffkette von vier Kohlenstoffatomen und einer Methylgruppe


Kautschuk [2]

Alle Verbindungen, die sich von dem Kohlenwasserstoffe CH5 = CHCH = CH2, der Erythren oder Butadiën heißt, ableiten lassen, können in künstlichen Kautschuk überführt werden, z.B. das Dimethylbutadiën


Kautschuk [2]

eine wasserhelle Flüssigkeit, die durch Polymerisation ohne anderweitige Einwirkung in eine feste weiße Masse übergeht. Die größte Menge des existierenden synthetischen Kautschuks ist aus dieser Verbindung hergestellt.

Nun handelt es sich darum, die Ausgangsmaterialien für den synthetischen Kautschuk, das Isopren und das Butadiën, synthetisch darzustellen. Das Isopren wird aus einem Bestandteil des Steinkohlenteers, aus dem p-Kresol oder direkt aus dem Phenol (Karbolsäure), ferner durch Zersetzung von Terpentinöl und gewissen Bestandteilen ätherischer Oele beim Erhitzen erhalten. Auch aus Azetylen und aus Spaltungsprodukten der Kohlehydrate, z.B. der Lävulinsäure (s. Bd. 4, S. 414) kann Isopren dargestellt werden, aber diese Verfahren sind bisher technisch noch nicht durchführbar. »In jüngster Zeit sind Verfahren bekanntgegeben worden, welche sich auf der Verwendung der ersten Destillationsanteile bei der Kokerei aufbauen, ferner solche, die von gewissen Fraktionen des Petroleums ausgehen. Hier scheinen besonders aussichtsreiche Herstellungsweisen vorzuliegen.« Am 11. September 1909 reichten die Elberfelder Farbenfabriken ein Patent von Fritz Hofmann und C. Coutelle ein, nach welchem zum ersten Male künstlicher Kautschuk in der Großtechnik dargestellt wurde. Im Oktober 1911 sprach Duisberg (Elberfeld) die Meinung aus: man könne zwar noch nicht sagen, bis wann es der Technik gelingen werde, den künstlichen Kautschuk so herzustellen, daß er den Kampf mit dem natürlichen aufnehmen könne, gelingen werde es aber Zweifellos. Ueber die Ausarbeitungskosten der Methoden von seiten der Großindustrie sind zurzeit nur unbestätigte Gerüchte von ganz ungeheuren Summen bekannt. In bezug auf den künstlichen Indigo erforderten bekanntlich die Ausarbeitungskosten rund 16 Millionen Mark, bei dem künstlichen Kautschuk dürfte diese Summe weit überschritten werden.

Das Butadiën kann ebenfalls aus dem p-Kresol bezw. aus Phenol gewonnen werden. Noch einfacher ist das Verfahren zur Gewinnung des Dimethylbutadiëns, das (nach Meisenburg und Delbrück) Azeton als Ausgangsmaterial der Darstellung wählt. Azeton wird reduziert zu Pinakon [Hexylenglykol, C6H12(OH)2], ein tertiäres Glykol von der Konstitutionsformel


Kautschuk [2]

von diesem wird durch Erhitzen über Kaliumsulfat Wasser abgespalten und dadurch Dimethylbutadiën erhalten. – Dem synthetischen Kautschuk scheint noch der Fehler anzuhaften, daß er noch zu sehr den oxydierenden Einflüssen der Luft u.a. unterliegt. Der natürliche Kautschuk enthält bekanntlich eine kleine Menge von Verunreinigungen, die vielleicht die Rolle von sogenannten Schutzkolloiden spielen, den Kautschuk vor diesen Einflüssen bewahren und seine Dauerhaftigkeit erhöhen [7]. – Ueber Kautschukprüfungen vgl. besonders [8], über Kultur und Gewinnung [9].

Kautschuk ist von größter weltwirtschaftlicher Bedeutung. Der jährliche Umsatz von Kautschukwaren beträgt zurzeit rund 3 Milliarden Mark; dafür ist für rund 1 Milliarde Rohkautschuk[407] erforderlich. Zur Deckung dieses Bedarfes müssen gegenwärtig täglich 250000 kg Rohkautschuk gewonnen werden. Das Deutsche Reich hat im ersten Halbjahr 1913 106000 dz Rohkautschuk im Werte von 833/4 Millionen Mark eingeführt. Davon lieferten die deutschen Schutzgebiete erst 13500 dz, also ein reichliches Achtel, davon Kamerun zwei Drittel.


Literatur: [1] Walter Busse, im Deutschen Kolonialblatt 1909, Nr. 5. – [2] Endlich, Der Guayule und seine wirtschaftliche Bedeutung, »Der Tropenpflanzer« 1905, S. 233 f. – [3] Ders., Ueber den gegenwärtigen Stand und die Aussichten der Guayuleindustrie, ebend. 1907, S. 449. – [4] Ebend. 1912, S. 212. – [5] Ebend. 1911, S. 47. – [6] K. Dieterich, Ueber künstlichen Kautschuk, Berichte d. D. Pharm. Gesellsch. 1912, S. 552. – [7] F.W. Hinrichsen, Ueber natürlichen und künstlichen Kautschuk, ebend. 1912, S. 531 ff. – [8] F.W. Hinrichsen und K. Memmler, Der Kautschuk und seine Prüfung, Leipzig 1910, und F.W. Hinrichsen, Das Materialprüfungswesen, Stuttgart 1912. [9] Zimmermann, A., Der Mainhot-Kautschuk, seine Kultur, Gewinnung und Präparation, Jena 1913.

T.F. Hanausek.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 9 Stuttgart, Leipzig 1914., S. 406-408.
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