Blutbildung

[85] Blutbildung. Im Embryo erscheint das Blut zu derselben Zeit, wo die Blutgefäße sich bilden: diese[85] gehen aus soliden Zellsträngen hervor, deren äußerste Schicht zur Gefäßwand wird, während die innern Zellen unter Ausscheidung einer Flüssigkeit, des Blutplasmas, zu zunächst kernhaltigen roten Blutkörperchen (Erythrocyten) werden. Diese vermehren sich dann durch Teilung und verlieren allmählich ihre Kerne. Besonders reichlich ist die Blutkörperchenbildung in der embryonalen Leber und in spätern Stadien auch in der Milz. Die farblosen Blutzellen (Leukocyten) liefert vermutlich hauptsächlich die Thymusdrüse, ein Organ, das im Embryo zu bedeutender Größe entwickelt ist, beim gebornen Tier und Menschen aber mit zunehmendem Wachstum immer kleiner wird und schließlich bis auf geringe Reste vergeht. Auch im erwachsenen Organismus muß eine fortwährende Bluterneuerung stattfinden, da nicht allein die flüssigen Bestandteile des Blutes fortwährend verbraucht werden, sondern auch die Blutkörperchen nachweislich der Zerstörung anheimfallen. Das Material für den Wiederersatz des Blutes liefert die Nahrung, welche die für die Entstehung von Blut notwendigen organischen und anorganischen Stoffe enthält, die aus dem Darmkanal vom Blute teils direkt, teils durch Vermittelung der Chylusgefäße aufgenommen werden. Die farblosen Blutkörperchen entstehen wahrscheinlich in den lymphoiden Organen, d. h. in den Lymphknoten, der Milz und ähnlichen Gebilden. Hier findet eine Vermehrung der in ihnen enthaltenen Zellen, die man als Lymphzellen bezeichnet, die sich aber von den farblosen Blutkörperchen nicht unterscheiden, nachweisbar statt; und ebenso sicher ist es, daß aus diesen Organen eine Menge derartiger Zellen vom Blut- oder vom Lymphstrom fortgeschwemmt wird und in die allgemeine Blutbahn eintritt. Als Bildungsort der roten Blutkörperchen sieht man zumeist das rote Mark der Röhrenknochen an. In diesen findet man nämlich jene kernhaltigen, in Vermehrung begriffenen roten Blutzellen, die aus dem embryonalen Leben als Vorstufe der definitiven farbigen Blutkörperchen bekannt sind. Die Milz scheint beim erwachsenen Organismus nur unter gewissen Bedingungen (Verletzung und Regeneration ihres Gewebes) Blutkörperchen zu bilden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 85-86.
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