Bradlaugh

[300] Bradlaugh (spr. bräddlao), Charles, engl. Politiker, geb. 1833 in London, gest. 30. Jan. 1891, wurde 1845 Laufbursche, 1846 Schreiber auf einem Schiffsladeplatz, bildete sich in seinen Mußestunden durch Bücher, ward wegen seiner radikalen Ansichten von seinem Brotherrn entlassen, suchte sich als Kohlenhändler zu ernähren, hielt daneben Versammlungen ab, schrieb Pamphlete (»Einige Worte über den Christenglauben«) und trieb sprachliche, philosophische, nationalökonomische, juristische und historische Studien. 1850 nötigte ihn seine Lage, sich als Soldat anwerben zu lassen, und erst 1853 konnte er infolge einer kleinen Erbschaft den Militärdienst wieder verlassen. Später arbeitete er bei einem Advokaten, auf dessen Wunsch er sich bis 1868 in seinen Schriften des Pseudonyms »Iconoclast« (»Bilderstürmer«) bediente. Während es ihm nun allmählich gelang, sich durch den Ertrag seiner schriftstellerischen Tätigkeit (er war seit 1862 auch Eigentümer der Wochenschrift: »The national Reformer«) zu nähren, wuchs sein Einfluß[300] in den radikalen Kreisen der Hauptstadt. Er wurde Präsident der Liga der Freidenker, gründete im Verein mit Mrs. Annie Besant eine Buchdruckerei und Buchhandlung zum Vertrieb radikaler Schriften und trat an die Spitze der National Secular Society und der Land Law Reform League. Im Frühjahr 1880 wurde B. ins Unterhaus gewählt. Da er die Leistung des Eides ablehnte, setzten die Konservativen den Beschluß durch, ihn als Mitglied nicht zuzulassen, worauf B., als er sich trotzdem im Unterhaus einfand, verhaftet, aber schon am nächsten Tage wieder freigelassen wurde. Zwar erwirkte Gladstone einen Beschluß, der B. gestattete, statt des Eides ein Gelöbnis abzulegen; doch mußte er, nachdem dies durch Richterspruch für ungenügend erklärt war, aus dem Unterhaus austreten. 1881 wurde er wieder gewählt, aber zur Eidesleistung nicht zugelassen und von dem Parlamentshaus ausgeschlossen, was sich in den nächsten Jahren mehrfach wiederholte, da seine Wähler fest zu ihm hielten, die Mehrheit des Unterhauses aber ebenso fest auf seiner Ausschließung beharrte. Erst nach den Neuwahlen von 1885 gestattete der neue Sprecher B., den Eid zu leisten und ins Parlament einzutreten, und drei Tage vor seinem Tode hatte er die Genugtuung, daß die ihn ausschließende Resolution vom Juni 1880 aus den Akten des Unterhauses gestrichen wurde. Unter Bradlaughs zahlreichen Schriften sind besonders bezeichnend: »Anklage des Hauses Braunschweig« (7. Aufl.; Zweck: Verwerfung des Erbrechts der regierenden Dynastie); »Über Besteuerung«; »Wahre Volksvertretung«; »Warum hungert der Mensch?«; »Toryismus von 1770–1879«; »Das Land, das Volk und der nahende Kampf«; »Textbuch des Freidenkers«; »Ketzerei, ihre Sittlichkeit und ihr Nutzen«; »Über die Existenz eines Gottes als Schöpfer und moralischer Herrscher der Welt«; »Hat der Mensch eine Seele?«; »Jesus, Shelley und Malthus«. Vereinigt sind mehrere Schriften in den »Political essays« und »Theological essays«. Vgl. »The autobiography of B.« (Lond. 1873) und Bradlaughs Biographien von Headingley (das. 1880), Mackay (das. 1888) und seiner Tochter G. Bonner (2. Aufl., das. 1895, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 300-301.
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