Cassagnac

[795] Cassagnac (spr. kassanjáck), 1) Adolphe Granier de, franz. Publizist, geb. 12. Aug. 1806 in Avéron Bergelle (Gers), gest. 31. Jan. 1880 auf seinem Schloß Coulomé (Gers), machte sich seit 1832 in Paris in Zeitungen verschiedenster Richtung durch zügellose Dreistigkeit bemerklich. Vor 1848 bezahlter Verteidiger der Orléansschen Dynastie, schloß er sich nach ihrem Sturz dem ausgehenden Gestirn Napoleons an und wurde leidenschaftlicher Bonapartist. Von 1852–70 saß er im Gesetzgebenden Körper, in dem er der Gruppe der sogen. Arkadier angehörte, und war Redakteur verschiedener Zeitungen, namentlich des »Pays«. Gehässige Polemik, ultrakonservative und absolutistische Grundsätze, Prozesse und Duelle machten ihn bekannt. Nach Napoleons Sturz gab er 1871 zuerst das »Pays« weiter heraus, gründete dann »L'Ordre« und nahm an den bonapartistischen Intrigen hervorragenden Anteil. 1876 wurde er zum Mitgliede der Deputiertenkammer gewählt. Außer seinen journalistischen Arbeiten hat C. auch geschichtliche Werke veröffentlicht: »Histoire des classes ouvrières et des classes bourgeoises« (1837), »Histoire des classes nobles et des classes anoblies« (1840), »Histoire des causes de la Révolution française« (1850, 4 Bde.; 2. Aufl. 1856, 3 Bde.), »Histoire du Directoire« (zuerst im Feuilleton des »Constitutionnel«; Buchausgabe 1851[795] bis 1863, 3 Bde.), »Histoire de la chute du roi Louis Philippe, etc.« (1857, 2 Bde.), »Histoire des Girondins et des massacres de septembre« (1860, 2 Bde.; 2. Aufl. 1862), »Histoire des origines de la langue française« (1872) und »Histoire populaire de l'empereur Napoléon III« (1875), lauter sehr lebendig geschriebene Arbeiten, die aber Parteilichkeit und mangelhafte Quellenforschung verraten. Auch zwei Romane lieferte C.: »Danaé« (1840) und »La reine des prairies« (1845, 2. Aufl. 1859), sowie eine Beschreibung seiner »Voyage aux Antilles feançaises, anglaises, etc.« (1844, 2 Bde.) und »Souvenirs du second Empire« (1879–82, 3 Bde.). Eine Sammlung seiner literarischen Kritiken erschien u. d. T.: »Portaits littéraires« (Par. 1852).

2) Paul Adolphe Marie Prosper Granier de, franz. Politiker, Sohn des vorigen, geb. 2. Dez. 1843, hatte als Redakteur des vom Vater 1866 gegründeten »Pays« mehrere skandalöse Duelle. 1870 geriet er bei Sedan in Gefangenschaft und wurde in Kosel interniert. Nach Frankreich zurückgekehrt, wirkte er seit 1872 als Redakteur des »Pays« kühn für die Thronerhebung des kaiserlichen Prinzen. 1876 in die Deputiertenkammer gewählt, erregte er Aufsehen durch die Beleidigungen, mit denen er republikanische Redner unterbrach, und die ihm wiederholte Rügen, ja zeitweiligen Ausschluß aus der Kammer zuzogen. 1877 riet er in seinem Journal offen zum Staatsstreich. Der Tod des kaiserlichen Prinzen 1879 störte seine Bemühungen. Seitdem verlor er, trotz lärmenden Auftretens in der Kammer und der Presse und trotz seines Hetzens gegen Deutschland, alle Wichtigkeit. Die Niederlage des von ihm unterstützten Boulangismus hatte zur Folge, daß er 1893 nicht wieder zum Deputierten gewählt wurde. Später kam er wieder in die Kammer, aber bei den Wahlen 1902 fiel er durch. Er schrieb: »Empire et royauté« (1873), »Histoire de la troisième République« (1875) u. a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 795-796.
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