Challemel-Lacour

[863] Challemel-Lacour (spr. schall'mell-lakur), Paul Armand, franz. Politiker, geb. 19. Mai 1827 in Avranches, gest. 26. Okt. 1896 in Paris, hielt Vorträge über Philosophie, ward aber nach dem 2. Dez. 1851 seiner freiheitlichen Ansichten wegen verbannt. Nach dreijähriger Abwesenheit zurückgekehrt, wirkte er als Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften (z. B. des »Temps«), wurde dann während des Krieges 1870/71 von Gambetta zum Präfekten in Lyon ernannt und 1872 in die Nationalversammlung gewählt, wo er, gewandt und wissenschaftlich gebildet, für die republikanische und antiklerikale Sache kämpfte. 1876 Senator, wurde er 1879 zum Botschafter der französischen Republik in Bern und 1880 in London ernannt. Nach dem Sturz Gambettas übernahm er 1883 im Ministerium Ferry das Portefeuille des Auswärtigen und verwickelte durch die Ablehnung des Bourréeschen Vertrags Frankreich in den Krieg mit China, nahm aber schon im November seine Entlassung. Gegen die Boulangisten trat er mit Festigkeit auf und wurde im März 1893 zum Präsidenten des Senats, in demselben Monat auch zum Mitgliede der Akademie gewählt. Er war zugleich einer der besten Kenner der deutschen Philosophie. Er schrieb u. d. T.: »Philosophie individualiste« eine Studie über Wilh. v. Humboldt (Par. 1864), übersetzte H. Ritters »Geschichte der neuern Philosophie« (das. 1861, 3 Bde.) ins Französische und gab die »Œuvres complètes« der Madame d'Epinay (1870) heraus. Seine »Œuvres oratoires« veröffentlichte I. Reinach (Par. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 863.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika