Eulenspiegel

[162] Eulenspiegel, Till, bekannter deutscher Schalksnarr, in Kneitlingen bei Schöppenstädt im Braunschweigischen gegen Ende des 13. Jahrh. geboren, zog, von früher Jugend auf lose Streiche spielend, in der Welt umher, erst im Niedersächsischen und Westfälischen, dann auch in Italien und Polen, wo er mit dem Hofnarren des Königs Kasimir d. Gr. einen Wettstreit hatte. Er starb 1350 in Mölln unfern Lübeck, wo noch heute unter einer Linde sein Leichenstein mit einem Spiegel und einer Eule zu sehen ist. Das Volksbuch, das ihn zum Helden hat, ist im J. 1500, ursprünglich in niederdeutscher Sprache, abgefaßt. Die älteste hochdeutsche Bearbeitung hat man ohne ausreichenden Grund dem Thomas Murner beigelegt. Ein Teil der von E. erzählten Schwänke stammt wohl aus der an die historische Persönlichkeit anschließenden Volkssage und zeigt besonders deutlich die von seiten der Bauern gegen die städtischen Handwerker gerichtete satirische Tendenz; ein andrer größerer Teil enthält[162] längst bekannte heimische und fremde Sagen und Schwänke, die z. T. vom Pfaffen von Amis und Pfaffen vom Kalenberg auf E. übertragen worden sind. Die erste der erhaltenen hochdeutschen Ausgaben erschien Straßburg 1515 (Neudruck, Halle 1885), eine andre Straßb. 1519 (neue Ausgabe von Lappenberg, Leipz. 1854). Eine Bearbeitung des Stoffes in Versen gab Fischart (»Der E. reimenweis«, Frankf. 1572; Neudruck von Hauffen in Kürschners »Deutscher Nationalliteratur«, Bd. 18, Stuttg. 1892). Übersetzt wurde das außerordentlich beliebte Volksbuch ins Böhmische, Polnische, Italienische, Englische (vgl. Brie, E. in England, Berl. 1903), ins Niederländische, Dänische, Französische und Lateinische. Eine gute Erneuerung veröffentlichte Simrock (»Ein kurzweilig Lesen von Till E., nach den ältesten Quellen«, Frankf. 1878). Nachahmungen, die an den Namen und Charakter des E. anknüpfen, sonst aber ganz selbständig auftreten, erschienen mehrere, so in neuester Zeit: »Till E., modernes Heldengedicht« von Adolf Böttger (1850) und »Till E. Redivivus, ein Schelmenlied« von J. Wolff (1875). – Den Namen E. (l'Espiègle) trägt auch ein sehr seltenes Kupferblatt von Lucas van Leiden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 162-163.
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