Festland

[471] Festland (Kontinent), eine ganz oder fast ganz von Wasser umflossene, »zusammenhängende« Landmasse, die man ihrer Größe wegen nicht als Insel bezeichnet. Von den Südpolarländern abgesehen, gibt es auf der Erde zwei hauptsächliche Landmassen, die der östlichen Halbkugel oder Alten Welt, und die der westlichen Halbkugel oder Neuen Welt. Diese besteht aus den beiden lose aneinander geknüpften Festländern Nordamerika und Südamerika, jene aus dem asiatisch-europäischen F., dem halbinselartig damit zusammenhängenden Afrika und dem durch Inselbrücken verbundenen inselartigen Australien. Man kann auch zwischen den nördlichen Festländern (Europa-Asien oder Eurasien und Nordamerika) und den südlichen Festländern (Afrika, Australien und Südamerika) unterscheiden; sie werden durch eine Zone von Mittelmeeren (das Mittelländische Meer, das austral-asiatische Mittelmeer und das amerikanische Mittelmeer), die sogen. Bruchzone der Kontinente, voneinander getrennt. Die südlichen Festländer besitzen eine auffallende Ähnlichkeit der Gestalt; sie sind, wenn man bei Australien die Insel Tasmania hinzurechnet, alle drei nach S. zugespitzt und haben an der Westseite[471] einen einspringenden Busen. An vielen Stellen fallen die Festländer sofort steil zu den Tiefen der Ozeane ab, an andern Stellen schließt sich an sie ein seichtes Meer (z. B. Ostsee, Nordsee, Meer zwischen Südamerika und den Falklandinseln) an, und erst in einigem Abstand von der Küste erfolgt der Absturz zur Tiefe. Man pflegt diese seichten Meeresteile, die innerhalb der Tiefenlinie von 100 Faden oder von 200 m liegen, zum Festlandssockel zu rechnen.

Unter Gliederung der Kontinente versteht man den Aufbau der Kontinente, wie er sich einesteils in der verschiedenen Art des Verlaufs der Grenzlinien zwischen F. und Meer (horizontale Gliederung, Küstenentwickelung), andernteils in der verschiedenen Lage einzelner Punkte der Kontinente nach ihrer Höhe über dem Meeresspiegel (vertikale Gliederung) ausdrückt. Für die horizontale Gliederung bieten die gewöhnlichen topographischen Karten als die Horizontalprojektionen der Kontinente ein ausreichend gutes Bild. Ziffernmäßig wird die Horizontalgliederung am besten durch die Verhältniszahlen zwischen Flächeninhalt und Länge der Meeresküsten (letztere gleich 1 gesetzt) charakterisiert, Zahlen, welche (die Küstenlänge in geographischen Meilen, den Flächeninhalt in Quadratmeilen angenommen) für die einzelnen Kontinente, mit dem am wenigsten gegliederten beginnend, folgende Werte ergeben:

Tabelle

Die vertikale Gliederung ist am besten aus Höhenschichtenkarten oder aus einer Anzahl von Durchschnitten (Profilen) erkennbar; für sie fehlt eine so charakteristische Zahlenangabe, wie für die horizontale Gliederung, denn die Angabe der mittlern Erhebung der Kontinente über dem Meer (Asien 950 m, Afrika 630 m, Amerika 410 m, Europa 300 m, Australien 250 m) enthält nichts über die Verteilung von Hoch- und Tiefland (ob häufig wechselnd, ob in großen Strecken auftretend). Vgl. Precht, Untersuchungen über horizontale Gliederung (in der »Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie«, Ergänzungsheft 1, Weimar 1889); Ehrenberg, Studien zur Messung der horizontalen Gliederung von Erdräumen (Würzb. 1891). – Während man früher vielfach annahm, daß die Festländer im ganzen unveränderlich seien und nur in der Nähe der Festlandsränder durch Hebungen und Senkungen des Meeresspiegels im Laufe der Zeit untergeordnete Veränderungen eintreten könnten, weiß man jetzt aus der Verbreitung der Meeresablagerungen in den verschiedenen Epochen der Erdbildung, wie sie durch die geologische Forschung bekannt geworden ist, daß die Festländer nach und nach ihre Gestalt vollkommen geändert haben, und daß viele Teile des Festlandes einmal oder zu wiederholten Malen Meer und jeder Teil des Meeres F. gewesen ist. Die Figuren auf den Tafeln »Geologische Formationen III-VI« zeigen deutlich, wie die Verteilung von Wasser und Land seit dem Beginn des Kambrischen Zeitalters sich allmählich verändert hat, und wie z. B. in der Zeit des Jura, ja selbst noch in der Tertiärzeit die Gestalt der Festländer eine ganz andre war als heute. So hing zur Jurazeit Nordamerika mit Europa, Südamerika mit Afrika zusammen, während sich zwischen den nördlichen und den südlichen Festländern ein zentrales Mittelmeer um die Erde spannte. Während der Kreide- und besonders der Tertiärzeit bis in die Quartärzeit hinein sind durch große Einbrüche, wahrscheinlich infolge der Erkaltung und Zusammenziehung der Erde, der Atlantische und der Indische Ozean entstanden, die danach viel jüngerer Entstehung als der Große Ozean sind.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 471-472.
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