Graham [1]

[213] Graham (spr. grē-ĕm), eine der ältesten schott. Familien, deren Ahnherr William de G. sich um 1128 in Schottland niederließ und große Ländereien zu Abercorn und Dalkeith als Lehen erhielt. Eine unhistorische Stammsage führt ihren Ursprung auf den Helden Graeme zurück, der zu Anfang des 5. Jahrh. n. Chr. bei der angeblichen Wiederherstellung der schottischen Monarchie durch Fergus II. auftritt, und[213] von dem die alte Befestigung zwischen Forth und Clyde den Namen Graeme's dyke oder Graham's dyke haben soll. Zu der Familie G. gehören auch die Herzoge von Montrose (s. d.). Die bemerkenswertesten Träger des Namens G. sind:

1) Sir Richard G., geb. 24. Sept. 1648, gest. 22. Dez. 1695, erhielt 1680 den Titel eines Viscount Preston, war 1682–85 Gesandter Karls II. in Frankreich, wurde unter Jakob II. 1685 Mitglied des Geheimen Rats und 1688 Lord-Präsident des Rats. Nach Wilhelms III. Thronbesteigung kurze Zeit gefangen gehalten, beteiligte er sich nach seiner Freilassung an einer jakobitischen Verschwörung und wurde 1691 zum Tode verurteilt, aber von Wilhelm III. begnadigt, nachdem er seine Mitschuldigen genannt hatte. Er hat des Boethius Schrift »De consolatione philosophiae« ins Englische übersetzt (2. Aufl. 1712).

2) Thomas G., Lord Lynedoch, geb. 19. Okt. 1748, gest. 18. Dez. 1843, nahm 1793 in seinem 45. Lebensjahr als Freiwilliger an der Expedition gegen Toulon teil und warb dann ein Infanteriebataillon, dessen kommandierender Oberstleutnant er wurde. Die Feldzüge in Italien von 1796 und 1797 machte er als britischer Kommissar bei der österreichischen Armee mit, kommandierte später die Blockade von Malta, diente 1808 in Spanien und wurde 1810 Generalleutnant. Er befehligte 21. Juni 1813 bei Vittoria den linken Flügel, landete im Januar 1814 mit 10,000 Mann in Holland, lieferte in Verbindung mit dem preußischen General Thümen das glückliche Treffen bei Merxhem, ward aber 8. März 1814 vor Bergen op Zoom zurückgeschlagen. Im Mai d. J. wurde er als Baron Lynedoch v. Balgowan Peer und 1821 General. Vgl. J. M. Graham, General Graham's memoirs (2. Aufl., Edinb. 1877); (Delavoye) Life of Thomas G. (Lond. 1880).

3) Sir James Robert George G. von Netherby, geb. 1. Juni 1792, gest. 25. Okt. 1861, trat 1818 ins Parlament und wurde 1830 im Ministerium Grey erster Lord der Admiralität. Um das Zustandekommen der Reformbill erwarb er sich hervorragende Verdienste, nahm aber 1834 seine Entlassung, als man auch mit der Staatskirche in Irland Reformen vornehmen wollte, und ging zu den Tories über. Im September 1841 wurde er unter Peel Staatssekretär des Innern, trat aber 1846 mit Peel zurück, nachdem er 1844 durch Öffnung der Briefschaften Mazzinis, wodurch die neapolitanische Regierung Kunde von einer geplanten Verschwörung erhielt, den öffentlichen Unwillen auf sich gelenkt hatte. Der Volkswitz nennt seitdem das heimliche Eröffnen fremder Briefe to grahamize. Den Whigs durch seinen frühern Abfall, den Tories durch seine Verteidigung des Freihandels entfremdet, erlangte er 1847 durch den Einfluß des Grafen Grey einen Sitz für die Stadt Ripon. Er stand nun an der Spitze einer Mittelpartei zwischen den Whigs und den starren Tories, bekämpfte das Ministerium Derby heftig und wurde im Koalitionsministerium Aberdeen-Russell im Dezember 1852 zum ersten Lord der Admiralität ernannt. Als solcher entwickelte er während des Krimkriegs eine große, aber wenig erfolgreiche Tätigkeit und mußte im Februar 1855 mit dem Ministerium zurücktreten. Den ihm von Palmerston 1859 angebotenen Sitz im Kabinett lehnte er ab; doch blieb er immer noch ein einflußreiches Mitglied des Unterhauses. Vgl. Torrens, Life and times of Sir James R. G. G. (Lond. 1863, 2 Bde.); Lonsdale, Life of Sir James G. (1868).

4) Sir Gerald, brit. General, geb. 27. Juni 1831, gest. 17. Dez. 1899, besuchte eine Schule in Dresden, trat 1847 in die Militärakademie zu Woolwich, wurde 1850 Leutnant im Ingenieurkorps, kämpfte 1854–56 in der Krim, wurde 1858 Kapitän, 1859 Major, 1861 Oberstleutnant, 1869 Oberst und 1881 Generalmajor. Nachdem er 1860 am Krieg in China teilgenommen, erhielt er 1882 den Befehl einer Brigade in Ägypten, focht in der Schlacht bei Tell el Kebir und ward 1884 nach Suakin gesandt, um die Forts Sinkat und Tokar zu entsetzen. Er schlug Osman Digma bei Tamai und Tamanieh (13. und 23. März), wofür er zum Generalleutnant befördert wurde, konnte jedoch nicht weiter vordringen und kehrte nach England zurück. 1885 erhielt er den Befehl, bis Berber vorzudringen und eine Eisenbahn dahin zu legen, wurde aber abberufen, ehe er ihn ausführen konnte. 1890 nahm er seinen Abschied. Er schrieb: »Last words with Gordon« (Lond. 1881). Vgl. Vetch, The life, letters and diary of Lieut. General Sir Gerald G. (Lond. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 213-214.
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