Kleinkraftmaschinen

[120] Kleinkraftmaschinen (Kleinmotoren), die im Kleingewerbe benutzten Motoren, im Gegensatz zu den großen, der Großindustrie dienenden Kraftmaschinen. Hierher gehören die kleinen Dampfmaschinen (Kleindampfmaschinen, s. Tafel »Dampfmaschinen III«, S. III), die Heißluft- und Feuerluftmaschinen (s. d.), die Petroleum-, Benzin- und Spirituskraftmaschinen (s. Petroleumkraftmaschine und Spirituskraftmaschine), die Gaskraftmaschinen (s. d.), die Luftkraftmaschinen (s. d. sowie »Kraftübertragung und-Verteilung«), die kleinen Wasserkraftmaschinen (s. Wasserräder und Wassersäulenmaschinen) und die elektrischen Kraftmaschinen (Elektromotoren). Man unterscheidet selbständige K., die an jeder beliebigen Stelle unabhängig von einem besondern Leitungsnetz für den Kraftträger aufgestellt werden können, und abhängige K., für deren Verwendung ein solches Leitungsnetz Vorbedingung ist. Die erstere Gruppe wird gebildet von den Heißluft- und Feuerluftmaschinen, den Dampfmaschinen mit eignem Kessel (eigentliche Kleindampfmaschine), den Petroleum-, Benzin- und Spirituskraftmaschinen und den Gaskraftmaschinen[120] mit eignem Gaserzeuger. Für die Maschinen der zweiten Gruppe ist eine zentrale Kraftentwickelungsanlage (zentrale Dampfkesselanlage, Gasanstalt, Anstalt zur Erzeugung von Druckluft und Druckwasser, Elektrizitätswerk) das gemeinsame Merkmal. Sie umfaßt somit die Dampfmaschinen mit zentraler Kesselanlage, die Gaskraftmaschinen ohne eignen Gaserzeuger, die kleinen Wasserkraftmaschinen, die Luftkraftmaschinen und die Elektromotoren.

Eine gute Kleinkraftmaschine soll möglichst folgende Eigenschaften in sich vereinen: Geringer Raumbedarf, um den im Kleinbetriebe verfügbaren Arbeitsraum nicht zu sehr zu beschränken, unbeschränkte Anwendbarkeit, leichte Ausstellung ohne teure Fundamente auch unter oder über bewohnten Räumen ohne Bauerlaubnis und Revisionen seitens der Behörden, einfache Bauart und infolge davon leicht auseinander zu nehmen und wieder zusammenzubauen, leichte Wartung ohne besonderes Personal sowie seltene Reparaturbedürftigkeit, ferner keine Feuers-, Explosions- oder sonstige Leben, Gesundheit und Besitz bedrohende Gefahr, keine Belästigung des Arbeitsraumes und der Umgebung durch Geräusch, Geruch oder Schmutz, stete Betriebsbereitschaft und vor allem Lieferung billiger Betriebskraft, also geringe Anschaffungs- und Betriebskosten, wobei mit Rücksicht auf die Arbeitsweise im Kleinbetrieb bei Betriebsunterbrechungen keine besondern Kosten für die Wiederingangsetzung entstehen dürfen. Wenn nun auch keine der vorhandenen K. alle diese Eigenschaften in gleichem Maß aufweist, so sind doch verschiedene in so hohem Grade entwickelt, daß sie für bestimmte Verhältnisse einen großen Verbreitungskreis gewonnen haben.

Der Bedingung unbeschränkter Anwendbarkeit genügt nur die Gruppe der selbständigen K. Von diesen sind die Heißluft- und Feuerluftmaschinen fast vollständig vom Markte verschwunden. Die Kleindampfmaschinen werden immer mehr zurückgedrängt durch die Gas-, Petroleum-, Benzin- und Spiritusmotoren. Von den Gasmotoren mit eignem Gaserzeuger kommen für das Kleingewerbe besonders die Sauggasanlagen (s. Tafel »Gaskraftmaschinen II«) in Betracht, die neuerdings einen hohen Aufschwung genommen haben. In ländlichen, bez. landwirtschaftlichen Betrieben finden oft Petroleum-, Benzin- oder Spiritusmotoren Verwendung.

Für alle die Fälle, in denen eine größere Anzahl von Kleinbetrieben innerhalb eines nicht zu großen Gebietes liegen, wie in Städten und Hausindustriebezirken, wird die Kraftversorgung von einer Zentrale aus die natürlichste Lösung der Kleinkraftmaschinenfrage sein. Die Kraftverteilung durch Dampfleitungen ist wegen der Wärmeverluste an ziemlich enge Grenzen gebunden und findet sich zu den Zwecken der Kleinindustrie verwendet in einigen Städten Amerikas. In einer Zentrale erzeugtes Druckwasser eignet sich hauptsächlich zum Betrieb von Hebevorrichtungen, ist aber im allgemeinen zum Betrieb von eigentlichen Kleinmotoren zu teuer. Die Kleinwassermotoren finden deshalb mit wenig Ausnahmen (in Zürich, Genf) nur sehr selten Verwendung. Anlagen zur Erzeugung verdichteter Luft (Druckluft) oder verdünnter Luft sind wenig vorhanden (Paris, Birmingham, Offenbach a. M.), weshalb die Luftkraftmaschinen eine allgemeine Bedeutung nicht haben erlangen können. Als die wichtigsten Motoren für die Kleinindustrie haben von den abhängigen K. zurzeit die Gaskraftmaschinen und die Elektromotoren zu gelten. Auf die Verbreitung der Gaskraftmaschine hat der Umstand günstig gewirkt, daß bei der Einführung dieser K. Gasleitungen schon vorhanden waren, und daß dieselben Leitungen der Beleuchtung, Heizung und dem Motorenbetriebe dienen. Auch die elektrischen Leitungen bieten den Vorteil, daß sie zugleich Kraft und Licht verteilen.

Allgemein zutreffende Angaben über die Betriebskosten der einzelnen K., das sind die Kosten für Verzinsung des Anlagekapitals, für Abschreibung und Unterhaltung, für das Kraftmittel, für Schmier- und Putzmaterial, für Wartung und Reinigung, für Miete des Maschinenraumes, sind nicht wohl möglich, da an den verschiedenen Orten und unter den verschiedenen Verhältnissen die Kosten insbes. für das Kraftmittel sehr verschieden sind. Ebenso läßt sich die Frage, welche Art von K. die beste sei, allgemein nicht entscheiden. Die Wahl einer Kleinkraftmaschine hat sich vielmehr in jedem besondern Falle nach den lokalen Verhältnissen, der Art des Betriebes und den Nebenzwecken, zu denen das Kraftmittel etwa noch verwendet werden soll, zu richten. Die Entwickelung der K. ist von nicht unwesentlicher wirtschaftlicher Bedeutung; denn von der Möglichkeit der Beschaffung billiger Betriebskraft für das Kleingewerbe ist zum großen Teil dessen Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Großindustrie abhängig. Vgl. Knoke, Die Kraftmaschinen des Kleingewerbes (2. Aufl., Berl. 1899); Kosak, Einrichtung, Betriebs- und Anschaffungskosten der wichtigsten Motoren für Kleinindustrie (Wien 1894); Musil, Die Motoren für Gewerbe und Industrie (3. Aufl., das. 1897); Bork, Die Kraftmaschinen für das Kleingewerbe (Berl. 1880); Claussen, Die Kleinmotoren, ihre wirtschaftliche Bedeutung, ihre Konstruktion und Kosten (2. Aufl., das. 1903); Reuleaux, Die Maschine in der Arbeiterfrage (Minden 1885).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 120-121.
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