Mirditen

[891] Mirditen, volkreichster, angesehenster und streitbarster der mittelalbanesischen Stämme, der, von unbändigem Freiheitsdrange beseelt, fast unabhängig ist und keinen Türken in seiner Mitte duldet. Er bewohnt die südlich vom mittlern Drin liegenden, von den beiden Faniflüssen erfüllten Gebirgsgegenden, die in der Munela bis über 2000 m ansteigen. Ihr von der Landschaft Dukadschin im N., der Valmorkette im O., dem 1714 m hohen Salkota im S. und den Abfällen des Gebirges gegen das Adriatische Meer im W. begrenztes Gebiet, Merdita, umfaßt 1400 qkm mit 19–25,000 Einw., sämtlich Katholiken, die 6000 Bewaffnete stellen können. Städte gibt es nicht, Hauptort ist das Dorf Orosi, mit Schule, großer Kirche und der Residenz des geistlichen Oberhauptes der M., eines infulierten Abtes. Die M. sprechen den gegischen Dialekt (s. Albanesische Sprache). Seit Beginn des 18. Jahrh. stehen sie unter eignen

[891] erblichen Fürsten, sogen. Kapitäns, deren Gründer Dschon Marku war, deren letzter aber schon seit 25 Jahren in der Verbannung lebt. Eingeteilt wird das Land in fünf Barjaks: Orosi, Spači, Kušneni, Fani, Dibri, von denen jedes einen erblichen Varjaktar (»Fahnenträger«) an der Spitze hat, der als Anführer im Kriege gilt und dem Gemeinderäte zur Seite stehen. Über Krieg und Frieden, Verträge mit der Pforte und den Nachbarstämmen entscheidet eine allgemeine Volksversammlung, die jährlich an der Kirche Sen Pal bei Oroši stattfindet. Als Richtschnur im sozialen Leben gelten bei den M. die Kanuni Lek Dukadschinit genannten, bereits 400 Jahre alten Gesetze, deren Verletzung durch Viehkonfiskation bestraft wird, da Vieh bei Mangel an barem Gelde das allgemeine Tauschmittel ist. Daher gelten die M. auch als berüchtige Viehdiebe und Räuber, die den an der Nordgrenze ihres Landes entlang führenden Handelsweg von Skutari nach Prizren ständig beunruhigen und oft wochenlang für jeden Verkehr sperren. Diebstahl außerhalb des eignen Gebietes ist straflos; die Blutrache wird streng gehandhabt. Ihre Beschäftigung sind Ackerbau und Viehzucht. Die Tracht der M. ist die mittelalbanesische: langer weißer Flanellrock, weiße Schaffellmütze, leinene Hosen. Der katholischen Religion sind die M. sehr ergeben, aber nur äußerlich, Fasten und Prozessionen werden streng beobachtet. Ihre armseligen Hütten erbauen sie aus Stein. Von Bildung ist kaum die Rede. Außer in Oroši gibt es Schulen nur noch in Kačinjeti und Spači.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 891-892.
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