Motette

[183] Motette (lat. motetus, mutetus, motellus, motecta etc., ital. motetto, franz. u. engl. motet), seit Jahrhunderten Bezeichnung für mehrstimmige kirchliche Gesänge von mäßiger Ausdehnung, ohne Instrumentalbegleitung; die Texte der Motetten sind Bibelworte (Psalmenverse, Sprüche). Der Name motetus ist einer der ersten für Versuche in mehrstimmigem Tonsatz und zwar für Stücke mit verschiedenem Text in den Einzelstimmen, zunächst (im 12. Jahrh.) die Verkoppelung eines wortreichen weltlichen Textes (Liebeslied) mit einem kirchlichen Tenormotiv in langen Noten, das fortgesetzt wiederholt wird. Eine reiche Auswahl von zwei- bis vierstimmigen Motetten des 12.–13. Jahrh. gibt Coussemakers »L'art harmonique aux XII. et XIII. siècles« (Par. 1865); vgl. auch Gaston Raynauds »Recueil de motets français des XII. et XIII. siècles«, mit einer »Étude sur la musique au siècle de saint Louis« von H. Lavoix (Par. 1882, 2 Bde.) und W. Meyer, »Über den Ursprung der Motetts« (Götting. 1898). In dreistimmigen moteti wurde speziell die Mittelstimme (Alt) motetus genannt. Später verschwinden diese Sonderbarkeiten und erhalten die Stimmen gleiche Texte. Ihre volle Durch bild ung zur Gleichbehandlung aller Stimmen erhält die M. im 15.–16. Jahrh. durch die niederländischen etc. Meister der Polyphonie. Vgl. Musik (Geschichte, III). Die Stimmenzahl blieb lange 4, wurde aber durch die venezianische und römische Schule im 17.–18. Jahrh. bis zu 16,24 und mehr gesteigert. Seit Aufkommen des Generalbasses (um 1600) sind vielfach auch Motetten mit Continuo oder mit mehreren Violen etc., sogar Motetten für eine einzige Stimme (a voce sola) mit Begleitung geschrieben worden; doch blieben diese Fälle Ausnahmen und der a cappella-Stil Regel, auch für die Motettenkomposition der Gegenwart, die in der Hauptsache sich an die Vorbilder der ältern Zeit bis zu Bach hält und nur durch Aufnahme opernhafter Elemente vielfach[183] weichlicher geworden ist. Bach verflocht auch den Choral in die M. Von Motettenkomponisten der Zeit nach Seb. Bach seien genannt Homilius, Schicht, Fr. Schneider, B. Klein, Rungenhagen, Mendelssohn, Grell, Hauptmann, E. F. Richter, Brahms, Rheinberger, Faißt, Wermann, Alb. Becker, G. Schreck, M. Reger. Vgl. Kirchenmusik und Kretzschmar, Führer durch den Konzertsaal, 2. Abt., 1. Teil: Kirchliche Werke (3. Aufl., Leipz. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 183-184.
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