Orlamünde

[124] Orlamünde, Stadt im sachsen-altenburg. Verwaltungsbezirk Roda, an der Mündung der Orla in die Saale, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Großheringen-Saalfeld und O.-Oppurg, 181 m ü. M., hat eine evang. Kirche, Ruinen des alten Residenzschlosses der ehemaligen Grafen von O., Reste der Stadtbefestigung und eines alten Klosters, einen Bismarckturm, Spielwaren- und Zigarrenfabrikation, Beerweinkelterei und mit der unmittelbar am Fluß liegenden Vorstadt Naschhausen (1905) 1650 evang. Einwohner. – Stammvater der Grafen von O. ist [124] Graf Wilhelm 1. von Weimar (gest. 963); zuerst nach O. genannt wird dessen Urenkel Otto, der, wie vorher sein Bruder Wilhelm IV., Markgraf von Meißen war. Nach Ottos Tode (1067) ging durch seine Tochter Adelheid O. auf die Grafen von Ballenstedt über, während Weimar unter den Nachkommen von Ottos Bruder Poppo weitererbte, bis diese Nebenlinie 1112 ausstarb. Ihre Hinterlassenschaft behauptete in langem Kampfe mit Kaiser Heinrich V. die Ballenstedter Linie, die 1140 erlosch. Darauf fiel ihr ganzer Besitz, also auch O., an Markgraf Albrecht den Bär (s. Albrecht 6), einen Enkel der Adelheid von O. Albrecht vererbte diesen neuen Besitz an seinen zweiten Sohn, Hermann I., dessen Nachkommen ihn bis zur Mitte des 13. Jahrh. ungeteilt besaßen. Albrecht II, Hermanns I. Enkel, Sohn einer dänischen Königstochter, spielte in der nordalbingischen Geschichte unter König Waldemar II. bis 1225 eine bedeutende Rolle. Als dessen Bruder Hermann II. 1247 starb, spaltete sich das Grafenhaus in zwei Linien, die osterländische Hermanns III., die O. besaß, und die thüringische Ottos III., dem Weimar, Rudolstadt und die Herrschaft Plassenburg zufiel. Bis in die ersten Jahrzehnte des 14. Jahrh. standen nun die Grafen von O. in erster Reihe unter den gegen die Landgrafen von Thüringen frondierenden Dynasten. Finanziell heruntergekommen, verhandelte 1342 Heinrich IV. Schloß und Grafschaft O. an Landgraf Friedrich II. und übergab seinem Sohne Heinrich V., dessen Nachkommen gegen Ende des 15. Jahrh. ausstarben, nur die Herrschaft Schauenforst. Wider den Verkauf von O. an den Landgrafen erhoben sich die Grafen der Weimarer Linie mit andern thüringischen Grafen und Herren, aber vergeblich. Der Landgraf siegte im »Grafenkrieg«, und 1346 mußten die Weimarer alles Eigengut vom Landgrafen auf Lebenszeit zu Lehen nehmen; 1373 fiel ihr Besitz an die Landgrafschaft. – Geschichtlich nicht unterzubringen ist die unheimliche Gestalt der mit dem Blut ihrer ermordeten Kinder befleckten Gräfin Agnes von O. (s. Agnes 4). – In den Jahren 1523–24 gründete Karlstadt in O. eine schwarmgeistige Gemeinde, bis er vom Kurfürsten ausgewiesen wurde. Bei der Teilung der Ernestinischen Lande 1603 fiel O. an Altenburg und blieb bei den folgenden Teilungen mit diesem vereinigt. Vgl. Lommer, Orlamünde, ein Heimatsbild (Orlam. 1878); Michelsen, Urkundlicher Ausgang der Grafschaft O. (Jena 1856); Reitzenstein, Regesten der Grafen von O. (Bayr. 1871); Jovius, Chronik der Grafen von O. (hrsg. von Mitzschke, Leipz. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 124-125.
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