Schlupfwespen

[876] Schlupfwespen (Ichneumonen, Ichneumonidae), Familie der Hautflügler, Insekten mit meist dünnem, langgestrecktem Körper, borsten- oder fadenförmigen, vielgliederigen Fühlern, drei Nebenaugen, die Weibchen mit einem oft sehr langen, von zwei seitlichen Klappen umgebenen Legebohrer, der meist frei aus der Hinterleibsspitze hervorragt. Die Weibchen legen ihre Eier in andre Insekten oder deren Eier, Larven, Puppen ab, in denen die fuß- und afterlosen Larven sich entwickeln. Hauptsächlich werden Raupen durch die Larven von S. zugrunde gerichtet, so daß diese im Haushalt der Natur eine sehr wichtige Rolle spielen und durch Vertilgung schädlicher Raupen nützlich werden. Viele S. sind auf bestimmte Insektenfamilien, [876] Gattungen und Arten angewiesen. Die Larven verzehren in Eiern deren ganzen Inhalt, während sie in Larven wesentlich von deren Fettkörper sich nähren, dabei aber das Gedeihen der Wirte so wenig stören, daß diese völlig auswachsen und sich verpuppen. In letzterm Fall schlüpfen dann aus der Puppe des Wirtes statt des letztern eine oder mehrere S. aus. Ebenso häufig erliegt aber die Larve den Parasiten, indem diese sich aus der Haut derselben hervorbohren und die Leiche ihrer Ernäherin mit den alsbald gefertigten Kokons bedecken (s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 30). Sehr häufig schmarotzen auch S. in andern S. Der Legestachel der Weibchen ist kurz bei den Arten, die frei lebende, glatte Raupen anstechen, dagegen sehr lang bei denjenigen, welche die Raupen in Bohrlöchern aufsuchen. Man teilt die S. in fünf Gruppen: Ichneumonen (Ichneumones), mit niedergedrücktem, lanzettförmigem, gestieltem Hinterleib, verborgenem Bohrer, sehr bunt, legen in Raupen nur ein Ei, und die Wespe schlüpft aus der Puppe aus; Kryptiden (Cryptides), mit gestieltem Hinterleib und hervortretendem Bohrer; Pimplarier (Pimplariae), mit sitzendem, niedergedrücktem Hinterleib und oft sehr langem Bohrer; Sichelwespen (Ophionidae), mit meist geradstieligem, seitlich zusammengedrücktem Hinterleib und kaum hervorragendem Bohrer; Tryphoniden (Tryphonides), mit sitzendem oder gestieltem, drehrundem, nach hinten etwas verdicktem Hinterleib mit kaum sichtbarem Bohrer oder durch Fühler- und Flügelbildung von den übrigen Gruppen abweichend. Die Zahl der bekannten Arten beträgt gegen 5000, die über die ganze Erde verbreitet sind. Die Kiefernspinnersichelwespe (Anomalon circumflexum L., s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 7), 2–3 cm lang, mit gelbrotem, schwarz gespitztem Hinterleib, rötlichgelben Beinen mit hellern Schenkelringen, schwarzen Hüften, an den hintern mit schwarzen Schenkelspitzen und Schienen, braunroten Fühlern, rotgelb geflecktem Kopf und gelbem Schild, legt ihre Eier in Kiefernspinnerraupen, in denen sich die Larven entwickeln und verpuppen, wenn sich die Raupe verpuppt, so daß sich die Wespe erst aus der abgestorbenen Puppe des Wirtes herausfrißt. Die Larve von Rhyssa persuasoria schmarotzt in den Larven der Holzwespe, und das Weibchen bohrt seinen Legestachel etwa 6 cm tief in gesundes Holz, um jene Larve zu erreichen. Die Ephialtes-Arten (s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 12) dagegen, die ebenfalls ihre Eier in Larven legen, die im Holz wohnen, schieben den Legestachel durch ein Bohrloch ein. Die Weichwespen (Schlupfwespenverwandten, Brakoniden, Braconidae), kleinere Wespen mit auf dem Rücken verwachsenen zweiten und dritten Hinterleibsringen, langen, geraden, faden- oder borstenförmigen vielgliederigen Fühlern und nur einer rücklaufenden Ader im Vorderflügel. Die sehr zahlreichen Arten der Gattung Microgaster Latr, (mit sehr kurzem Hinterleib) legen fast sämtlich ihre Eier in Schmetterlingsraupen, besonders in behaarte, aus denen sich die entwickelten Larven herausbohren, um sich sofort in Kokons einzuspinnen, die nach kurzer Zeit Wespen liefern. M. nemorum L. (s. Tafel »Hautflügler I«, Fig. 3), 0,75 cm breit, glänzend schwarz. an den Hinterrändern der beiden ersten Hinterleibsglieder licht-, an den Beinen, mit Ausschluß der schwarzen Hinterfüße, rötlichgelb, schmarotzt im Kiefernspinner; in den Mikrogasterlarven aber schmarotzen wieder kleine Pteromalinen. Vgl. Gravenhorst, Ichneumonologia europaea (Bresl. 1829, 3 Bde.), dazu als Fortsetzung Nees v. Esenbeck, Hymenopterorum Ichneumonibus affinium monographiae (Stuttg. 1834, 2 Bde.); Ratzeburg, Die Ichneumonen der Forstinsekten (Berl. 1844–52, 3 Bde.); Schmiedeknecht, Opuscula ichneumonologica (Blankenburg i. Thür. 1902 ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 876-877.
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