Stolgebühren

[59] Stolgebühren (Jura stolae), die nach der Stola (s. d.) benannten Gebühren, welche die Geistlichen für kirchliche Handlungen, namentlich Taufen, Trauungen, Begräbnisse und Verrichtung der urkundlichen Funktionen innerhalb ihres Pfarrsprengels, beziehen. Schon zu Ende des 5. Jahrh. war eine Taxe für alle geistlichen Verrichtungen vorhanden; doch floß das von den Laien dafür in den Opferstock der Kirche gelegte Geld anfangs der Kirchenkasse zu, die davon den Pfarrern ihren Anteil gab. Erst später war jeder Parochus befugt, die S. für sich allein einzunehmen. Auch in die evangelische Kirche sind die S. (als zufällige Einnahmen hier auch Akzidenzien oder noch häufiger Kasualien genannt) übergegangen und haben hier sogar eine noch größere Bedeutung gewonnen. Die Bewegung, die sich in kirchlichen Kreisen namentlich gegen bestimmte Arten der S., wie das in der evangelischen Kirche weitverbreitete Beichtgeld, aber auch gegen die ganze Einrichtung, entwickelt hat, blieb zunächst bei der ungünstigen Vermögenslage der evangelischen Kirche erfolglos, hat aber in neuerer Zeit in vielen Landeskirchen dank dem Entgegenkommen des Staates ihr Ziel erreicht. So in Preußen, wo durch Kirchengesetz vom 28. Juli 1892, geändert durch Kirchengesetz vom 6. Juli 1898 und 1. Febr. 1904 sowie durch das korrespondierende Staatsgesetz vom 3. Sept. 1892, für die Landeskirche der ältern Provinzen die Aufhebung der S. angeordnet wurde und an ihre Stelle eine von den Kirchengemeinden unter gesetzlich garantierter Staatsbeihilfe zu leistende Entschädigung der geistlichen Stellen getreten ist. Ebenso wurden die S. aufgehoben in Schleswig-Holstein 1892, in der evang.-lutherischen Kirche Hannover 1892, in der evang.-reformierten Kirche dortselbst 1893, im Konsistorium Kassel 1893 und im Konsistorium Wiesbaden 1895. Vgl. Benario, Die S. nach bayrischem Staatskirchenrecht (Münch. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 59.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: