[417] Gebühren sind im allgemeinen von der öffentlichen Gewalt (Staat, Gemeinde) einseitig festgestellte Vergütungen, die von den Bürgern (bez. von im Bereich der öffentlichen Gewalt befindlichen Personen) für unmittelbar von ihnen veranlaßte Leistungen (von Beamten oder von für solche zugelassenen Personen) oder auch für Benutzung von öffentlichen (Staats-, Gemeinde-) Anstalten zum Zwecke voller oder auch nur teilweiser Kostendeckung erhoben werden; im engern Sinne nur für begehrte Leistungen, auch für erzwungene Benutzungen, aus denen dem Einzelnen ein Vorteil erwächst, im weitern Sinn auch für Beschränkungen; man spricht sogar von Strafgebühren. Ihre Rechtfertigung finden die G. in der Billigkeit, da jeder für von ihm besonders veranlaßte Kosten auch aufkommen soll, dann darin, daß ohne Zahlung häufig zu hohe Anforderungen gestellt würden. Nach der meist vertretenen Auffassung sind nur solche Abgaben G., welche die Kosten der Leistung nicht überschreiten (die gesamten G. von einer Gattung die Gesamtkosten der entsprechenden Leistungen), wobei die Einzelgebühren[417] freilich verschieden abgestuft sein können; sie sollen in der Regel die Kosten deswegen nicht erreichen, weil auch die Gesamtheit von solchen öffentlichen Leistungen Vorteil zieht. Die Grenzen zwischen allgemeinen und Sonderinteressen wären von Fall zu Fall zuziehen. In der Wirklichkeit übersteigen aber die G. vielfach jene Kosten, sie sind in nicht seltenen Fällen nicht nach der Kostenverschiedenheit der Leistungen, sondern nach der Zahlungsfähigkeit der Pflichtigen abgestuft; dann wird den letztern häufig gar kein Vorteil zugewendet, oder es steht dieser zur Gebühr in keinem dem Begriff der letztern entsprechenden Verhältnis. Die G. nehmen dann Steuercharakter an, und man spricht demgemäß auch von Steuergebühren oder Gebührensteuern. Da sie in besondern Fällen gezahlt werden, während die Steuern allgemein aufgelegt sind, nannte man die G. auch früher besondere Steuern. In der Praxis und in den Etats werden die G. gewöhnlich zu den indirekten Steuern gestellt. In der Wirklichkeit sind sie auch von den Steuern, insbes. von den Verkehrssteuern, nicht immer leicht zu unterscheiden, da sie häufig mit Steuern verbunden sind oder durch ihre Höhe den Charakter von Steuern annehmen. Die G. fließen heute meist in die Staatskasse (Fiskusgebühren), z. T. aber auch, was früher mehr der Fall war, in die Tasche der Funktionäre (Dienergebühren), wie die Sporteln oder »Kosten« für Akte der Gerichtsbarkeit (heute insbes. die G. der Rechtsanwalte, Notare und Gerichtsvollzieher, vgl. Gerichtskosten) oder die Stolgebühren und Akzidenzien der Geistlichkeit. Auch werden die Vergütungen, die Zeugen und Sachverständige beziehen, und die für das Deutsche Reich durch die Gebührenordnung für Zeugen etc. vom 30. Juni 1878 geregelt sind, G. genannt. Gebührenbefreiung, die teils sachlich ist, teils persönlich (bestimmten Personen eingeräumt), ist am Platze zur Schonung wirtschaftlich Schwacher und wenn der zu belastende Gegenstand dem öffentlichen Interesse dient. Ost steht den Behörden das Recht zu, Befreiungen zu gewähren oder G. auch auszulegen, wo keine allgemeine gesetzliche Gebührenpflicht besteht, z. B. bei mutwilliger Veranlassung einer amtlichen Tätigkeit. Die Gebührensätze sind teils feste, für alle Fälle gleiche (so bei dem Fixstempel), teils veränderliche, wie die Rahmengebühren (das Gesetz stellt Maximum und Minimum fest und überläßt die nähere Bestimmung der G. dem Ermessen der Behörden) und die Gradationsgebühren mit Abstufung nach den Kosten (Raum-, Zeiteinheiten) oder nach Werteinheiten mit genauerer Anpassung an die Summe in jedem Einzelfall (Prozentualgebühren) oder mit Klassenbildung (Klassengebühren). Pauschgebühren werden in Einem Satz mit Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände für eine Gesamtheit von Handlungen bemessen, während die Einzelgebühren spezifiziert berechnet werden. Ferner sind die G. besondere oder allgemeine. Die letztern werden bei jeder Inanspruchnahme von staatlichen Behörden durch Private ohne Rücksicht auf die besondere Veranlassung (so namentlich bei den amtlichen Schriftstücken aller Art) erhoben. Die Erhebung der G. kann erfolgen in Form von Beiträgen durch die Interessenten (Pauschalierung, Abfindung) oder in Anknüpfung an die einzelnen Vorkommnisse, bei denen Gebührenpflicht eintritt. In letzterm Fall kann die Gebühr direkt durch die Behörde bemessen und eingezogen werden (reine Offizialgebühren). Diese direkte Einziehung ist besonders am Platz, wenn der gebührenpflichtige Akt ohnedies vor die Behörde kommt und der Gebührentarif sehr verwickelt ist. Sie erleichtert dann die Kontrolle und schützt gegen Irrtum und Hinterziehung. Oder die Erhebung erfolgt außeramtlich durch den Pflichtigen selbst, wenn die Bemessung einfach ist und Umgebungen leicht zu verhüten sind, oder durch Dritte (Delegierte), die vorschußweise oder nachträglich zahlen, wenn sich bei ihnen gebührenpflichtige Akte konzentrieren. Zur Erleichterung der Erhebung und zur Sicherung des Eingangs dienen die Formalisierung (Registrierung, Stempelung), die Kontrolle mit Kassierung der Stempel und die Strafandrohung (Weiteres s. Stempel). In der Praxis werden G. bei allen möglichen Vorkommnissen erhoben, so im Gebiete der Rechtspflege (der Kriminalrechtspflege, der streitigen Zivilgerichtsbarkeit wie der freiwilligen Rechtspflege) bei allen Handlungen und Ereignissen, die den Einzelnen mit dem Richter in Berührung bringen, ebenso im Gebiete der innern Verwaltung (Erteilung von Legitimationspapieren, Attesten, Patenten, Konzessionen, Beglaubigungen, Zahlungen für Benutzung von Staatsanstalten, wie Schulen [Schulgeld], Verkehrs-, Heilanstalten etc., Taxen für Anstellung und Beförderung, für Erteilung von Würden und Auszeichnungen), endlich im Gebiete der Finanz- und Militärverwaltung. Nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 352) wird die wissentliche Erhebung von G., die überhaupt nicht oder nur in einem geringern Betrag geschuldet wurden, mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft und, wenn die widerrechtliche Erhebung solcher G. angeblich zu einer öffentlichen Kasse erfolgte, die G. aber ganz oder z. T. nicht zur Kasse gebracht wurden, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren und nicht unter drei Monaten (§ 353). Vgl. A. Wagner, Gebührenlehre (2. Teil, 1. Abt. der »Finanzwissenschaft«, 2. Aufl., Leipz. 1890).