[536] Tierarzt (Veterinärarzt, früher auch Roßarzt), der sich mit der Behandlung von Tierkrankheiten beschäftigende Arzt. Früher hatten die Tierärzte[536] eine niedere Ausbildung (etwa wie die ehemaligen Wundärzte), waren namentlich im Heere hauptsächlich mit dem Hufbeschlag befaßt und hießen Kurschmiede (s. Militärveterinärwesen). Mit der Entwickelung der Tiermedizin zu einer Wissenschaft gestaltete sich auch die Ausbildung der Tierärzte (s. Tierärztliche Hochschulen) völlig um, sie entspricht heute in Deutschland und fast allen Kulturstaaten im allgemeinen der Ausbildung des Menschenarztes. Die Tierärzte bedürfen in Deutschland, wie die Ärzte, nach der Reichsgewerbeordnung einer Approbation, die nur durch die Erledigung des Studiums und der Prüfungen an einer tierärztlichen Hochschule erlangt werden kann. Personen, die sich ohne solche Approbation T. oder ähnlich nennen, werden bestraft. Die Tierärzte beschäftigen sich teils lediglich mit Ausübung der privaten ärztlichen Praxis, teils befinden sie sich in staatlichen, kommunalamtlichen oder halbamtlichen Stellungen. Den im Staatsdienst angestellten Tierärzten liegt in erster Linie die Veterinärpolizei (s. d. und Viehseuchengesetz) ob, ferner in Deutschland die Kontrolle über die allgemeine Fleischbeschau sowie großenteils in Süddeutschland und Sachsen ausschließlich die Ausführung der staatlichen Maßnahmen zur Hebung der Viehzucht, namentlich der Rindviehzucht. In Preußen ist für jeden Kreis ein Kreistierarzt angestellt, dem in den andern deutschen Bundesstaaten ein Bezirkstierarzt (Bayern und Sachsen), Oberamtstierarzt (Württemberg), Kreisveterinärarzt (Hessen) entspricht. Ferner hat in Preußen jede Bezirksregierung einen Departementstierarzt (die dementsprechenden Kreisregierungen in Bayern je einen Kreistierarzt), und endlich besitzen die meisten übrigen Bundesstaaten einen der Ministerialinstanz angehörigen Landestierarzt. In Süddeutschland sind besondere tierärztliche Zuchtinspektoren zur Leitung der Tierzucht innerhalb größerer Bezirke angestellt. In Österreich-Ungarn sind seit 1901 Tierärzte als Referenten bei den Ackerbauministerien angestellt, ferner in Österreich für jedes Kronland ein Landestierarzt, in Ungarn für größere Bezirke Veterinärinspektoren (ebenfalls Organe des Ministeriums) und endlich bei den nachgeordneten Verwaltungsbehörden in Österreich Bezirkstierärzte, in Ungarn königliche Ober-, Munizipal- und Bezirkstierärzte. Über die Tierärzte in der Armee s. Militärveterinärwesen. Den Tierärzten in kommunalamtlicher Stellung liegt in erster Linie die Leitung der städtischen Schlachthöfe und die Ausübung der Fleischbeschau in denselben ob (Sanitätstierärzte). Die Fleischbeschau außerhalb der Schlachthöfe ist in Deutschland großenteils praktischen Tierärzten amtlich übertragen. Da deren Zahl hierzu jedoch nicht ausreichen würde, sind neben ihnen noch sehr viele sogen. Laien-Fleischbeschauer innerhalb bestimmter Grenzen und unter amtstierärztlicher Kontrolle tätig. Zu den Aufgaben aller Tierärzte gehört schlief, lich auch die Tätigkeit als Sachverständige vor Gericht (s. auch Gerichtliche Tiermedizin). In den meisten deutschen Bundesstaaten haben die Tierärzte auch das Recht, die in ihrer Praxis nötigen Arzneien in eignen Hausapotheken herzustellen (Dispensierrecht), wozu sie während des Studiums eine besondere Ausbildung genießen. In Deutschland beträgt die Zahl der Tierärzte rund 5000. Sie besitzen eine freie Standesorganisation in (Landes-, Provinzial- und Spezial-) Vereinen, die für Preußen in der tierärztlichen Zentralvertretung und für ganz Deutschland im deutschen Veterinärrat (s. d.) einen gemeinsamen Zusammenschluß haben.