Vitalismus

[195] Vitalismus, die Annahme besonderer Kräfte, die nur in den lebenden Organismen wirken, und deren Besonderheiten gegenüber den unbelebten Körpern bedingen. Nachdem die durch Stahl begründete Lehre von einer das Geschehen im Organismus regelnden Lebenskraft mehrere Jahrzehnte hindurch die organischen Naturwissenschaften beherrscht hatte, erhielt sie einen starken Stoß durch den zuerst von Wöhler geführten Nachweis, daß sich Verbindungen, die normalerweise nur im lebenden Körper entstehen, auch außerhalb desselben synthetisch darstellen lassen. Der Darstellung des Harnstoffes durch Wöhler (1828) sind seitdem zahlreiche Synthesen andrer Verbindungen, die sonst nur als Produkte lebender Organismen bekannt sind, gefolgt. Durch den bereits in vielen Fällen gelungenen Nachweis, daß im Organismus sich abspielende Vorgänge auf physikalischen und chemischen Prozessen beruhen, wurde der V. mehr und mehr verdrängt und machte einer mehr mechanistischen Erklärung derselben Platz. In neuerer Zeit hat er jedoch wieder Anhänger gefunden, die in der Zweckmäßigkeit (s. d.) des Baues der Organismen einen gewichtigen Grund gegen die rein mechanistische Auffassung der Lebensvorgänge erblicken (s. Neovitalismus).

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 195.
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