Die eigentümlichen Verhältnisse des russischen Reiches, seine große Ausdehnung und die dadurch bedingte verschiedene Bedrohung der Grenzen, die hiermit zusammenhängende Gestaltung der Landesbefestigung, politische Verhältnisse im Innern, die verschiedene militärische Brauchbarkeit und Zuverlässigkeit der verschiedenen Nationen, polizeiliche Rücksichten, geschichtlich überkommene Zustände haben dahin geführt, daß das Heer viel weniger homogen ist als in andern Ländern. Es existieren in Rußland folgende Arten von Truppen:
1) Infanterie: a) Feldinfanterie, der unsrigen in Zweck, Ausbildung und Verwendung entsprechend; b) Schützen, Elitetruppe nach Art unsrer Jäger; c) Reserveinfanterie, Kadres zur Aufstellung möglichst zahlreicher Formationen aus Reservisten im Kriegsfalle, vereinfachen wohl die Mobilmachung, brauchen aber auch viel Ausbildungspersonal, das sonst der eigentlichen Feldinfanterie zugute käme; d) Festungsinfanterie, Kadres zur schnellen Mobilmachung der Festungsbesatzungen; e) Ersatzinfanterie, nur im Kriege zum Ersatz der Verluste aufgestellt; f) Lokalinfanterie, wie Feldinfanterie ergänzt, für den Garnisondienst, besonders in entlegenen Gebieten ohne sonstige Garnisonen, den Lokalmilitärbehörden (s.S. III) unterstehend.
2) Kavallerie: a) reguläre Kavallerie, die entweder aktive oder Feldkavallerie oder Ersatzkavallerie (in gesonderten Verbänden, nicht, wie in andern Heeren, den aktiven Regimentern angegliedert), der Ersatzinfanterie entsprechend, ist; b) Kosaken (s.d.), die entweder mit regulärer Kavallerie zusammen in demselben Verband oder in selbständigen Verbänden verwendet werden, wobei ihre zweite und dritte Kategorie den Charakter von Reservekavallerie trägt.
3) Artillerie: a) Feldartillerie (in Rußland Fußartillerie genannt), meist den Divisionen im Kriege zugeteilt; zu ihr gehört auch die Feldmörserartillerie und die Gebirgsartillerie; b) reitende Artillerie für die Kavalleriedivisionen; c) Reserveartillerie, Kadres zur Aufstellung der im Kriege den Reservedivisionen bei zugebenden Feldartillerie, der Reserveinfanterie entsprechend; d) Ersatzartillerie, schon im Frieden bestehende Kadres zur Ergänzung der Feldartillerie; e) Artillerieparke, Kadres zur Aufstellung der für den Munitionsersatz nötigen Formationen; f) Festungsartillerie und Belagerungsbataillone sowie Ausfallbatterien für den Festungskrieg.
4) Technische Truppen: a) Feldtruppen, Sappeure und Pontoniere (s. Pioniere, S. 895); b) Reservetruppen, Kadres zur Aufstellung der im Kriege nötigen neuen und Ersatzformationen; c) Festungstruppen, Sappeure, Mineure, Luftschiffer, Telegraphentruppen; d) Lehrtruppen, Luftschifferschulpark und elektrotechnische Lehrkompanie; e) Eisenbahntruppen, seit 1905 als selbständige Truppe betrachtet und nicht zum Genie gezählt.
5) Train: a) erste Kategorie oder Train erster Linie, von den Truppen im Felde mitgeführte Fahrzeuge, wofür im Frieden Kadres fast gar nicht bestehen; b) zweite Kategorie oder Divisionstrain, Kolonnen für Verpflegung und Munitionsersatz zur Verfügung der Divisionen, Kadres im Frieden nicht vorhanden; c) dritte Kategorie oder die Kriegstransporte, wofür Kadres in den Trainbataillonen bestehen, umfassen den Etappentrain.
6) Grenzwache: Truppe für den Grenzschutz, dem Finanzministerium unterstehend, kann bei der Mobilmachung militärisch verwendet werden, rekrutiert sich wie die sonstigen Feldtruppen und ist teils beritten, teils unberitten.
7) Feldgendarmen für Feldpolizeizwecke, in Schwadronen und Festungskommandos formiert, dem Kriegsminister unterstellt und aus gut gedienten Unteroffizieren rekrutiert.
8) Opoltschenie (Reichswehr), soweit sie in besondern Abteilungen formiert wird, sind ganz geringe Kadres im Frieden vorhanden.
9) Kosaken (s.d.); außer den oben erwähnten berittenen Kosakentruppen existieren noch Bataillone und Batterien.
Umstehende Tabelle (S. II) zeigt die Einteilung in Militärbezirke etc. und die höhern Truppenverbände.
Friedensstärken 1906 (die Zahlen ändern sich alljährlich nicht unbedeutend):
Infanterie: 12 Garde-, 16 Grenadier-, 180 Infanterieregimenter zu je 4 Bataillonen zu 4 oder 5 Kompanien = 832 Bataillone, 177 Reserve-, 246 Schützen-, 6 Kuban-Plastun-(Fußkosaken-)Bataillone, Summe 1260; 23 Lokalbrigaden und 612 Kreis- und Bezirksmilitärchefsverwaltungen.
Maschinengewehrformationen: Je 1 Maschinengewehrkommando von 2, im Kriege 4 Gewehren bei jedem Infanterie-, Schützen- und Reserveinfanterieregiment und selbständigen Bataillon.
Train: 5 Kadrebataillone zu 4, 1 zu 2 Kompanien.
Kavallerie: 10 Gardekavallerie-, 68 Kavallerieregimenter (einschl. 9 Elrsatzregimentern), 6 Halbregimenter, 3 Gardekosaken-, 51 Kosakenregimenter, 811 Eskadrons, bez. Sotnien, 64 reitende Maschinengewehrkommandos.
Feldartillerie: 7 Gardeartilleriedivisionen (Division entspricht der deutschen Abteilung, der Regimentsverband existiert nur beim Finnländischen Artillerieregiment, 23 Divisionen bilden 1 Brigade), 2 reitende Gardeartilleriedivisionen, 9 Grenadier artilleriedivisionen, 106 Artilleriedivisionen mit zusammen 350 Fuß-, 4 Gebirgs-, 5 reitenden, 1 Kosakenbatterie, ferner das finnländische Artillerieregiment zu 4 Fußbatterien, 2 turkistanische Artilleriebrigaden (9 Fuß-, 2 Gebirgs- und 1 Mörserbatterie), 1 westsibirische Artilleriedivision mit 1 Fuß-, 1 Gebirgsbatterie, 1 Gardeschützenartilleriedivision mit 2 Fußbatterien, 5 Schützenartilleriedivisionen mit 15 Fußbatterien, 1 kaukasische Schützenartilleriedivision mit 2 Fuß-, 1 Gebirgsbatterie, 9 ostsibirische Schützenartilleriebrigaden zu 2 Divisionen mit zusammen 54 Fußbatterien, 3 Gebirgsartilleriedivisionen (davon 2 kaukasische) mit 7 Batterien, 8 ostsibirische Gebirgsartilleriedivisionen zu 2 Batterien, 12 reitende Artilleriedivisionen mit 23 Batterien, 2 reitende Gebirgsartilleriedivisionen mit 4 Batterien, 13 Don-, 1 Orenburger Kosakenartilleriedivisionen zu 2 Batterien, 1 Kuban reitende Artilleriebrigade mit 5 Batterien, 4 selbständige und reitende Kosakenbatterien, 13 Feldmörserdivisionen (davon 1 kaukasische und 5 ostsibirische) mit 26 Batterien, 6 reitende Gebirgsbatterien der Transamurgrenzwache. Reserveartillerie (teils im Brigade- oder Divisionsverband): 51 Fuß-, 1 reitende, 3 Gebirgs-, 1 Mörserbatterie.
Ersatzartillerie: 16 fahrende, 1 Batterie und 3 Züge reitende Artillerie, 1 Zug Gebirgsartillerie. Die Batterien haben 48 Geschütze.
Ingenieurtruppen: 15 Brigaden mit 39 Sappeur-, 11 Pontonier-, 13 Eisenbahn-, 2 Telegraphenbataillonen mit 127 Sappeur-, 27 Pontonier-, 51 Telegraphen-, 67 Eisenbahn-, 6 Luftschifferkompanien.
Festungs- und Belagerungstruppen: Infanterie: 22 Regimenter mit 55 Bataillonen und 271 Kompanien; Festungsartillerie: 65 Bataillone mit 276 Kompanien und 5 Ausfallbatterien; Belagerungsartillerie: 16 Bataillone mit 62 Kompanien; Sappeurkompanien 17 und 4 Viertelkompanien; Minenkompanien 17; Telegraphenabteilungen 12; Luftschifferabteilungen 8; Brieftaubenstationen 11.
Grenzwache: in 8 Bezirken 35 Brigaden (zu je 4 Abteilungen zu 34 Detachements zu 46 Posten) und 2 Abteilungen, teils zu Fuß, teils beritten.
Gendarmen: 74 Gouvernements, 28 Eisenbahn-Gendarmerieverwaltungen.
Annähernde Gesamtfriedensstärke 1906: etwa 1,254,000 Mann. Annähernde Kriegsstärke: Feldtruppen in Europa 2 Mill., Mittelasien 90,000, Ostasien 300,000, 260,000 Festungstruppen, 300,000 Ersatztruppen, 700,000 Mann Reichswehr. Die Unübersichtlichkeit der Organisation erklärt sich daraus, daß bei den verschiedenen inner- und außerpolitischen, geographischen und nationalen Verhältnissen des großen Reiches stete Organisationsveränderungen unausbleiblich sind und insbes. die kriegerischen Verwickelungen im fernen Osten und die Möglichkeit ebensolcher in Zentralasien viele allmähliche Neuformationen veranlassen mußten, über die nur allmählich Nachrichten nach außen dringen. Nach Ostasien hat man viele kurzerhand improvisierte Formationen gesandt anstatt fertiger Friedensverbände, von denen wohl das Garde- und das Grenadierkorps in erster Linie auf den Kriegsschauplatz gehört hätten.
Allgemeine Wehrpflicht besteht seit dem 1. (13.) Januar 1874, ohne Loskauf und mit Stellvertretung nur innerhalb derselben Familie. Dienstpflicht, Beginn 21. Lebensjahr: Infanterie und fahrende Artillerie dienen 3 Jahre aktiv, 7 in der ersten, 8 in der zweiten Kategorie der Reserve, die übrigen Waffen 4 Jahre aktiv, 7 in der ersten, 6 in der zweiten Kategorie der Reserve. Dann erfolgt der Übertritt zur Opoltschenie (Reichswehr). Diese enthält alle dienstfähigen Leute, die nicht zum stehenden Heer gehören (Ratniki), und zerfällt in die erste Kategorie (Leute, die gedient haben, noch 4 Jahre nach der zweiten Reservekategorie, also die meisten bis zum 43. Lebensjahr und alle brauchbaren, aber aus irgendwelchen Gründen nicht eingestellten Leute) und die zweite Kategorie (wegen körperlicher Fehler nicht eingestellte, aber noch waffenfähige, und taugliche aus Familienrücksichten). Ausnahmen und Erleichterungen: völlige Befreiung erfolgt wegen körperlicher Leiden, schwieriger Berufs- und Familienverhältnisse; Befreiung nur im Frieden für Ärzte, Veterinäre, Apotheker, Kunstakademiker, Lehrer; Aufschub der Gestellung aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen und zur Vollendung begonnener Berufsbildung; Verkürzung der aktiven Dienstzeit, abgesehen von Reklamationen, bei denen lange Beurlaubung oder Entlassung erfolgt, besteht für die, welche gewisse verschieden bewertete Bildungsgrade nachweisen, und zwar nicht Freiwillige (23 Jahre aktiv, dann 7 Jahre erste, 9, bez. 8 Jahre zweite Reservekategorie oder Weiterdienen auf Beförderung zum Unteroffizier oder Offizier), wie Freiwillige (nur 1 oder 2 Jahre aktiv). Die Junker zählen wie die Freiwilligen, müssen aber für jedes auf der Junkerschule zugebrachte Jahr 11/2 Jahr aktiv dienen. Ochotniki sind eine Art Freiwillige, bis 30, im Krieg bis 40 Jahre alt, deren Dienstzeit und Beförderung von ihrer Bildung abhängt. Für die Kosaken (s.d.) bestehen besondere Bestimmungen; Finnland genoß früher, wie politisch so auch militärisch, eine bevorrechtigte Stellung, die aber beseitigt ist; es bildet jetzt das 22., zum Militärbezirk St. Petersburg gehörende Armeekorps (1905). Besondere Bestimmungen für die Dienstpflicht gelten noch für nichtrussische Völkerschaften in Kaukasien, Turkistan, Astrachan, Archangel, Sibirien etc. Das äußerst verwickelte System der Diensterleichterungen ist durch die Notwendigkeit begründet, den Volkswohlstand und die Bildung zu fördern, um das Reich politisch und weltwirtschaftlich konkurrenzfähig zu erhalten. Die Zahl der Befreiungen vom Dienst erreicht in Rußland den höchsten Prozentsatz unter allen großen Heeren. Trotzdem sind die an die Bildung der Freiwilligen etc. gestellten Anforderungen nach deutschen Begriffen sehr gering. Das Ersatzwesen ist Sache besonderer Behörden, der Lokalbrigadiers, denen die Kreismilitärchefs (etwa den deutschen Bezirkskommandeuren entsprechend) unterstehen, im Gegensatz zu dem vorteilhaftern System andrer Staaten, wo hohe Truppenkommandeure das Ersatzwesen mit versorgen. Jedes Regiment hat seinen Rekrutierungsbezirk, der ihm drei Viertel seiner Rekruten liefert, der Rest wird aus Gebieten mit nichtrussischer Bevölkerung und den Juden entnommen. Der Ersatz an Unteroffizieren genügt wegen schlechter Besoldung und ganz mangelhafter Zivilversorgung nach Ausscheiden aus dem Dienst bei weitem nicht, weder was Zahl noch was Beschaffenheit betrifft, ein Umstand, der bei der mangelhaften Intelligenz des auszubildenden Menschenmaterials höchst bedenklich ist. Doch sind Reformen auf diesem Gebiet im Gange, z.B. sind Löhnung und Kapitulantenprämien erhöht worden, besondere Kapitulantenschulen errichtet etc. Auch an Offizieren herrscht Mangel, der bei dem raschen Verbrauch im Krieg gegen Japan erst recht fühlbar wurde und dazu führte, daß man die Anforderungen an die wissenschaftliche Ausbildung der Praporschtschiki (unterster Reserveoffiziersrang) zunächst nur für die Kriegszeit herabsetzte, was später wieder bedenkliche Folgen haben kann, als Offiziersdiensttuer in großer Zahl geeignete Feldwebel etc. als Vizefähnriche mit Offiziersabzeichen verwendete etc. Die bedenkliche Ungleichheit der Bildung innerhalb des Offizierskorps wird dadurch freilich wieder erhöht.
Der Krieg gegen Japan hat verschiedene organisatorische Veränderungen in der Armee veranlaßt, die noch in der Durchführung begriffen sind. Oberster Kriegsherr ist der Kaiser. Seine Organe sind:
1) Der Reichsverteidigungsrat (seit 1905), bestehend aus dem Präses, fünf (1906) jährlich vom Zaren ernannten Mitgliedern, außerdem von Amts wegen den Ministern des Krieges und der Marine, den Chefs des Generalstabs des Heeres und der Marine, den Generalinspekteuren der einzelnen Waffengattungen und nach Bedarf von Fall zu Fall beigezogenen hohen Kommandeuren; sein Zweck ist, die Entwickelung der bewaffneten Macht zu fördern und die Tätigkeit der dabei beteiligten Behörden in Übereinstimmung zu bringen, wobei jedoch die Exekutivgewalt den Ressortministern verbleibt.
2) Der Kriegsminister (s. Kriegsministerium, S. 673), dessen früher allein ausschlaggebende Stellung jetzt durch den Reichsverteidigungsrat und die selbständigere Stellung des Generalstabs beschränkt ist. Eine Änderung derart, daß dem Generalstab größere Selbständigkeit, Unabhängigkeit vom Kriegsminister und direkte Unterstellung unter den Kaiser zusteht, ist 1905, jedenfalls veranlaßt durch die Erfahrungen der Mobilmachung und des Krieges gegen Japan, eingetreten, womit auch eine Neugliederung des Hauptstabs (Hauptteil des Kriegsministeriums) verbunden ist.
Der Hauptverwaltung des Generalstabs unterstehen nunmehr:
1) Der Generalquartiermeister und diesem 4 Oberquartiermeister: a) Oberquartiermeister (unter diesem die Abteilung für Allgemeines, Festungen, Mobilmachung und Organisation, Dislokation und Ausbildung, Nachrichtenwesen); b) Oberquartiermeister (die europäische Front mit 4 operativen, 2 militärstatistischen Sektionen); c) Oberquartiermeister, die asiatische Front, mit derselben Einteilung; d) Oberquartiermeister, mit den Abteilungen für Kriegsgeschichte (Archiv, Bibliothek), Generalstabsdienst und Nikolaus-Generalstabsakademie, Personalien und Wirtschaftsangelegenheiten des Generalstabs.
2) Die Verwaltung der militärischen Verbindungen (der deutschen Eisenbahnabteilung entsprechend).
3) Die militärtopographische Verwaltung.
4) Die Verwaltung der Verkehrstruppen;
außerdem das Korps der Generalstabsoffiziere, das Korps der Militärtopographen.
Dem Kriegsminister, als dem unmittelbaren Organ des obersten Kriegsherrn, unterstehen faktisch unter andern auch die Kommandierenden der territorialen Militärbezirke, die in ihrem Gebiet militärisch, territorial, wirtschaftlich wie auch politisch und für die Zivilverwaltung die höchste Instanz bilden, wohl auch für den Kriegsfall als Armeeführer ausersehen sind und daher ganz besonders sorgfältig ausgewählte Persönlichkeiten sein müssen. Zu den Behörden, die dem Kriegsministerium unterstehen (s. Kriegsministerium, S. 673), ist 1905/06 noch eine Generalinspektion der Infanterie, Artillerie und des Genies zur Überwachung der Ausbildung getreten, ebenso ein Komitee für Truppenausbildung (beim Hauptstab), in dem die Generalinspekteure, der Generalstab etc. vertreten sind.
Die Infanterie führt das Dreiliniengewehr (7,62 mm) M/91 mit stets aufgepflanztem Bajonett, die Kavallerie Säbel und 7,62 mm-Kosakenkarabiner, ein Teil der Kosaken Lanze. Die Feldartillerie hat das 76,2 mm-Feldgeschütz M/1900 mit beschränktem Rohrrücklauf, das M/02 mit langem Rohrrücklauf, hydraulischer Bremse mit Vorholfeder, Schutzschilder und Panoramafernrohr sowie ein 7,62 cm-Rohrrücklaufgebirgsgeschütz M/04 werden eingeführt. Vertreten ist auch das 87 mm-Feldgeschütz M 92/96. Die Mörserartillerie führt den 152 mm-Mörser M/86 und entspricht somit der deutschen schweren Feldhaubitze. In der Festungs- artillerie kommen neu zur Einführung 22-und 75,5 cm-Mörser, 15- und 20 cm-Haubitze. Offiziere etc. führen den 7,62 mm-Revolver.
Militärschulen: a) Vorbereitungsanstalten: 1 Kadettenvorschule, 27 Kadettenkorps, 1 Militärschule (für zurückgebliebene Kadetten); b) Mittlere Lehranstalten: 4 Infanteriekriegsschulen, 2 Kavalleriekriegsschulen, 2 Artilleriekriegsschulen, 1 Ingenieurkriegsschule, 1 Pagenkorps, 7 Infanteriejunkerschulen, 1 Kavalleriejunkerschule, 2 Kosakenjunkerschulen, 1 Militärtopographenschule. Die Junkerschulen stehen allen Ständen offen, die Kadettenkorps und Kriegsschulen nicht; letztere bildeten bisher in erster Linie für die Garde und die Spezialwaffen Offiziere aus. c) Höhere Lehranstalten: Nikolaus-Generalstabsakademie, Michael-Artillerieakademie, Nikolaus-Ingenieurakademie, Militärmedizinische Akademie, Alexander-(militärjuristische) Akademie, Intendanturkursus, alle in St. Petersburg. d) Lehrtruppen: Offiziersschießschule, Offizierskavallerieschule, Offiziersartillerieschule, Elektrotechnische Schule, Lehrluftschifferpark, Unteroffizierlehrbataillon.
Heeresanstalten: 1) 19 Bezirksartilleriedepots mit 9 Filialen, jedes bestehend aus Artillerie-, Pulver-, Handwaffen- und Munitionsabteilung, Artilleriewerkstatt und Laboratorium; Munitionsdepot in St. Petersburg. 2) 11 Bezirksingenieurdepots, 1 Zentralingenieurdepot Bobruisk. 3) 16 Montierungsdepots, 1 Filiale, 2 Depots für Hospitalsachen. 4) 5 Train-, 2 Montierungswerkstätten, 1 Ingenieurwerkstatt. 5) 7 Verpflegungsintendanturanstalten, aus Mühle, Bäckerei, Zwiebackfabrik und Verpflegungsmagazin bestehend, 316 Verpflegungsmagazine, 17 Mühlen, 6 Bäckereien, 1 Heupresse. 6) Militärhospitäler und Lokallazarette in den Garnisonen; Apothekenmagazine. Heeresbudget für 1907: 380,379,847, Grenzwache 13,136,232 Rubel. Vgl. auch Artikel Gewehrfabriken; ferner Artikel Remonte und Uniform.
Der Russe ist ein guter Soldat, jedoch ist die Intelligenz der Massen für einen wirksamen Gebrauch der modernen, die Urteilskraft des einzelnen Mannes stark in Anspruch nehmenden Bewaffnung noch nicht genügend entwickelt. Auch genügt die Ausbildung, wenn sie sich auch formell an westeuropäische Grundsätze anlehnt, noch keineswegs. In erster Linie ist man nach den schweren Schäden des Krieges gegen Japan an eine Hebung des Offizierkorps gegangen, das weder in seiner wissenschaftlichen Bildung, noch in seinen erzieherischen Eigenschaften eine Gewähr für eine Ausbildung und Führung lieferte, wie sie zu einem erfolgreichen Feldzug nötig ist. Die Führung im Kriege hat bei den Russen den Japanern gegenüber insofern versagt, als an sich gut konzipierte strategische Ideen nur schwächlich durchgeführt wurden, weil der offensive Gedanke den Führern noch nicht zur zweiten Natur geworden und die Leitung großer Heere offenbar generalstabstechnisch nicht genügend geübt ist. Der Dienst auf den rückwärtigen Verbindungen im Kriege muß, wenn auch eine schwere Korruption der Verwaltung nicht zu leugnen sein mag, doch Vortreffliches geleistet haben.
Westgrenze: Kowno (große Fortfestung), Olita (behelfsmäßiger Brückenkopf), Grodno (desgleichen), Ossowiec (Sperrfestung), Lomźa, Ostrolenka, Roźan, Pultusk (behelfsmäßige Brückenköpfe), Zegrze, Nowogeorgiewsk, Warschau (als Weichsel-Narew-Waffenplatz oder befestigter Rayon von Warschau bezeichnet), Iwangorod, Brest-Litowsk (große Fortfestungen), Luzk, Rowno (behelfsmäßig verschanzte Lager), Dubno (Sperrfort). Ostsee: Libau (großer befestigter Kriegshafen), Ust-Dwinsk (Küstenfestung), Reval (Küstenbatterien), Kronstadt (großer befestigter Kriegshafen), Wiborg (Küstenfestung), Sweaborg (Inselbefestigung), Torneå (projektiert). Schwarzes Meer: Otschakow (Küstenfestung), Sebastopol (befestigter Kriegshafen), Kertsch-Jenikale (Küstenfestung), Michailow (Batum, Küstenbatterien). Im Innern: Dwinsk, Bobruisk, Kijew, Benderey (Depotfestungen). Kleinasien: Kars (Fortfestung), Alexandropol (Depotfestung). Zentralasien: Kuschk, Termes (kleine Festungen). Ostasien: Wladiwostok (großer befestigter Kriegshafen), Nikolajewsk (neu befestigt).
Vgl. v. Carlowitz-Maxen, Einteilung und Dislokation der russischen Armee (20. Ausg., Berl. 1907) und die Garnisonkarte von Mitteleuropa (im 4. Bd.); v. Drygalski, Die Organisation der russischen Armee (Leipz. 1902); Die Heere und Flotten der Gegenwart, Bd. 3: Rußland, das Heer, von A.v. Drygalski und Zepelin (Berl. 1898); v. Tettau, Die russische Armee in Einzelschriften (das. 18991902, 2Tle.; 1. Teil in 9 Heften); v. Stein, Geschichte des russischen Heeres (Hannov. 1885); Mahon, L'armée russe après la campagne de 19041905 (Par. 1906).
Das schwimmende Material der Kriegsflotte zerfällt in die Ostseeflotte, die Flotte des Schwarzen Meeres, die sibirische Flotte und die Flotte im Kaspischen Meer. Die Ostseeflotte zählte Anfang 1907 außer einer Anzahl Last- und Hafenfahrzeuge nur 3 Linienschiffe, 2 Panzerkanonenboote, 3 Panzerkreuzer, 5 große, 2 kleine Kreuzer, 84 Torpedofahrzeuge, 62 Torpedoboote und etwa 29 Unterseeboote. Im Bau waren 4 Linienschiffe, 4 Panzerkreuzer, ein kleiner Kreuzer, 15 Kanonenboote, 20 Torpedofahrzeuge. Die Flotte des Schwarzen Meeres bestand Anfang 1907 aus 8 Linienschiffen, 2 großen Kreuzern, 16 Torpedofahrzeugen, 32 Torpedobooten; im Bau waren 2 Linienschiffe und 4 Torpedofahrzeuge. Die sibirische Flotte ist auf den Hafen Wladiwostok angewiesen; sie besteht nur aus veralteten Kreuzern, 7 Torpedofahrzeugen und 21 Torpedobooten; im Bau sind 10 Torpedofahrzeuge. Die Flottille im Kaspischen Meere besteht nur aus mehreren Kanonenbooten._ Schöpfer der russischen Marine war Peter d. Gr., der bei seinem Tode (1725) außer einer starken Galeerenflotte noch 30 größere Kriegsschiffe hinterließ. Katharina II. vermehrte die Zahl der Schiffe und schuf auch eine Flotte für das Schwarze Meer. 1835 bestand die Flotte aus 741 Schiffen mit 9617 Kanonen und beim Beginn des Krimkrieges aus 51 Linienschiffen, 19 Fregatten, 55 Korvetten, Briggs etc., 48 Dampfern und 95 Kanonenbooten. Kriegshäfen sind: Kronstadt, St. Petersburg, Libau, Nikolajew, Wladiwostok, Reval, Sweaborg, Sebastopol, Batum. Im Kriege gegen Japan erfolgte ein erstaunlicher Zusammenbruch der russischen Flotte. Die Schiffsverluste umfaßten 14 Linienschiffe (davon 12 gesunken, 2 genommen), 3 Küstenpanzerschiffe (2 genommen), 2 Panzerkanonenboote, 5 Panzerkreuzer, 2 große, 11 kleine Kreuzer und Kanonenboote, etwa 30 Torpedofahrzeuge. Die Marineausgaben betrugen 1906: 252 Mill. Mk., davon 84,4 Mill. für Schiffsbauten und 9,8 Mill. für den Ausbau von Kriegshäfen. Das russische Marinepersonal zählte 1906 insgesamt: 2187 Seeoffiziere, 528 Ingenieure, 330 Sanitätsoffiziere, 980 Seekadetten, 57,299 Deckoffiziere, Unteroffiziere, Matrosen, Schiffsjungen, Heizer und Handwerker. Vgl. Batsch, Die russische Flotte (in Die Heere und Flotten der Gegenwart, Bd. 3, Berl. 1898); Jane, The Imperial Russian Navy, its past, present and future (2. Ausg., Lond. 1904); Klado, Die russische Seemacht im russisch-japanischen Kriege (deutsch von v. Drygalski, Berl. 1905).
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