[430] Amphiktyōnen (v. gr., wahrscheinlich ursprünglich Amphiktiŏnes, d.i. die Umwohnenden), 1) Griechenlands ältestes Bundesgericht (Amphiktyonengericht), aus den Abgeordneten der verschiedenen Völkerstämme bestehend. Diese Völker werden von den Alten, bes. von Äschines u. Pausanias, verschieden angegeben, Tittmann vereinigt diese abweichenden Ansichten so: Thessaler, Böoter, Dorer, Joner, Perrhäber, Magneten, Lokrer, Ötäer od. Änianer, Phthiotische Achäer, Malier, Phoker, Delpher. Gestiftet angeblich von Amphiktyon, nach And. von Akrisios, zum Schutz der beiden Heiligthümer zu Delphi u. Anthele in ihren Rechten u. Besitzungen, auch zur Aufrechthaltung einiger aus religiösen Ideen hervorgegangenen völkerrechtlichen Grundsätze. Wenn man daran in den Zusammenkünften auch Berathschlagungen politischer Art knüpfte, so war doch die Thätigkeit der A. nicht politisch im eigentlichen Sinne. Genau kennt man das A-gericht erst aus der Zeit der Perserkriege u. des Königs Philippos von Macedonien, wo es folgendermaßen eingerichtet war: Jährlich 2 Zusammenkünfte (Pylää), die besuchtere im Frühling, am delphischen Tempel, u. im Herbst zu Anthele an dem Tempel der Demeter u. Artemis, die in Form eines Marktes, mit feierlichen Aufzügen, gehalten wurden. Von der Menge war geschieden das eigentliche Synedrion der A. (Amphiktyonĭa, Amphiktyonenrath). Dieses bestand aus den Stellvertretern der 12, zuletzt 30 Städte od. Staaten (Amphiktyonĭdes). Jede Völkerschaft sendete 2 Personen, einen Pylagoras (Redner) u. einen od. mehrere Hieromnemonen (Schreiber, aus Priestern gewählt), meist bestand so der Bundesrath aus 24 Personen. Die Pylagoren allein hatten aber das Stimmrecht, die Hieromnemonen konnten nur mit berathen. Aus diesen allein scheint der Hiereus (Priester) gewählt worden zu sein, unter dessen Namen der Beschluß auf eherne Tafeln gegraben u. im Tempel zu Delphi aufgestellt ward. Die Beschlüsse bezogen sich auf Schlichtung der Streitigkeiten der Bundesglieder, Strafen für Verbrechen gegen den delphischen Tempel, od. Verletzung des Völkerrechts, Ausschließung unwürdiger Mitglieder etc. Das A-gericht bestand noch im 2. Jahrb. v. Chr. u. endigte mit dem Verfall des Delphischen Orakels. Vgl. van Dale, De concilo Amphictyonum, Amsterd. 1702; Tittmann, Über den Bund der Amphiktyonen, Berlin 1812 (Preisschrift); Heinsberg, De concilio Amphictyonum. Leobsch. 1828. 2) Auch andere Bünde hellenischer Stämme, so: Bund der um Delos wohnenden Kykladeninsulaner u. der benachbarten Joner, welche ein an den Apollocultus geknüpftes 4jähriges Bundesfest feierten, 426 v. Chr. von den Athenern wieder hergestellt u. geleitet; Bund der um die Insel Kalauria wohnenden Griechen, sein Sitz war Kalauria, sein Zweck ebenfalls religiös, die Verehrung des Poseidon; Bund der argivischen Städte, an der Spitze Argos, zur Vereinigung der Kräfte des Landes gegen die Anmaßungen der Dorer, wahrscheinlich gebunden an das Heiligthum des Apollo Pytháos, bestand noch 516 v. Chr.