Kleinrussland

[566] Kleinrussland, 1) sonst Name für die Ukraine, so weit sie von den Kosaken bewohnt war, zum Theil im ehemaligen Polen gelegen; 4137 QM., 6,125,000 Ew.; begriff die Provinzen Kiew, Nowgorod, Sewersk, Tschernigow, einen Theil von Charkow, Kursk u. Jekaterinoslaw. Im J. 882 war die Residenz des russischen Großfürstenthums von Nowgorod nach Kiew verlegt worden. Bei den Theilungen des Russischen Reiches in: 11. Jahrh. hatte der Großfürst von Kiew gewissermaßen die oberherrliche Gewalt über die andern Großfürstenthümer auszuüben. Doch schon 1157 machte sich der Großfürst von Wlademir unabhängig, Kiew selbst wurde 1240 von den Mongolen erobert u. zerstört. Die Ohnmacht der russischen Großfürsten während der Mongolenherrschaft benutzte nun der Großfürst Gedimin von Lithauen, um ihnen 1320 die Hauptstadt Kiew u. den größten Theil des dazu gehörigen Großfürstenthums zu entreißen. Mit Lithauen kam das Land 1386 an das Königreich Polen, bei dem es bis 1654 blieb. Die Benennung Kleinrußland scheint in der zweiten Hälfte des 14. od. im 15. Jahrh. aufgekommen zu sein, um diese lithauisch-polnische, den Russen abgenommene u. daher auch meist von Russen bewohnte Provinz charakteristisch zu bezeichnen, u. zwar im Gegensatz zu dem eigentlichen, größeren Rußland, für das nun der Name Großrußland entstand. Späterhin sagte man statt K. gewöhnlich Ukraine, was so viel wie Gegensatz bedeutet. Im Russischen heißt K. Malaja Russia, daher wurden die Kleinrussen auch wohl Molorussen genannt. K. ist der Stammsitz der Kosacken, welche stets nach ihrer eigenen militärischen Verfassung gelebt hatten. Als die polnischen Könige diese antasteten, unterwarfen sie sich durch einen zu Pereaslawl 1654 abgeschlossenen Vertrag den Großrussen, u. so kam ihr Land wieder zum Russischen Reiche. Ein heil von K. wurde 1797 zu einer eigenen Statthalterschaft von 1140 QM. u. 1,500,000 Ew. mit der Hauptstadt Tschernigow erhoben, unter dem Kaiser Alexander aber in die Statthalterschaften Tschernigow u. Pultawa getheilt; 2) jetzt die vier Gouvernements Kiew, Tschernigow, Pultawa u. Charkow; umfaßt 3806 QM. mit über 6 Mill. Ew.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 566.
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