Kiew

[479] Kiew (Kijew polnisch Kijow), russisches Gouvernement in Kleinrußland, 913, 69 QM. u. (1851) 1, 636, 839 meist griechische Ew., doch auch viele Juden; Klima angenehm, doch ist der Winter hart, der Sommer oft regenlos; Boden: wellenförmig, mehr flach, doch durch das Dnieprgebirg etwas gebirgig; sehr fruchtbar; Fluß: Dniepr, welcher hier den Pripet, Teterew, Irpen, Stugena, Roß, Tiasmin u. m. a. aufnimmt; ferner der Bug mit Dimuka u. Wyß; Producte: sehr viel Getreide, Flachs, Hanf, Tabak, Hirse, Gartenbau (Gemüse, Melonen), viel Waldungen, bes. schöne Fichtenwälder für den Schiffsbau; Viehzucht (großes Rindvieh, kleine., doch gute Pferde, viel Schafe u. Schweine); Füchse häufen, weniger Wölfe u. Bären; Eisen, Thon, Kreide Fabrikwesen unbedeutend, Handel mit Landesproducten gegen Salz, Metalle, Colonialwaalder Verkehr ist fast ausschließlich in den Händen der zahlreichen Juden. Eingetheilt ist das Gouvernement in 12 Kreise u. die Kiewschen Militär-Ansiedelungen. Seit 1782 Statthalterschaft, genommen aus der Ukraine u. der ehemaligen Woiwodschaft K.; Wappen: weißer Engel mit Strahlenglanz in goldenem Felde, hält in der rechten Hand ein Schwert, in der linken die Scheide dazu mit der Spitze nach der Erde. Die Geschichte s.u. Rußland (Gesch.). 2) Kreis darin, am Dniepr, Irpen u. Zelwïce; waldig, gut angebaut; hat 150,000 Ew. 3) Hauptstadt des Kreises u. der Provinz, am Dniepr; Sitz der Oberbehörden, theilt sich in vier Theile, Alt- (Sophien-) stadt, mit einigen Festungswerken, sonst Residenz des Fürsten von K., mit Erzbischof, Kathedrale; Unterstadt (Podol), auch mit Erdwällen umgeben, darin kaiserliches Schloß, Collegium, Invalidenhaus u. m.; Wladimirstadt, von Katharina II. angelegt; Petscher (Petschersk), eigentliche Festung, mit dem Regierungs-Gouverneurspalast, Kasernen, Magazinen, Zeughaus u. Gräbern, worin viele Merkwerkwürdigkeiten aufbewahrt werden (Iwans Begräbniß, zu welchem jährlich viele Pilger wallfahrten). K. hat 27 (im 11. Jahrh. 300 u. im 12. Jahrh. 600) Kirchen mehrer Consessionen, viele Kapellen, Klöster u. milde Anstalten, griechisch-geistliche Akademie (seit 1588) im Kloster Petscherskaja, dem berühmtesten Kloster Rußlands, u. einige Bibliotheken, seit 1834 Universität (St. Wladimir-Universität), Bibliothek, Münzcabinet, mineralogische, physikalische u. zoologische Sammlungen, Maschinencabinet, Gemäldegallerie, Botanischen Garten, Chemisches Laboratorium u.a.; Gerberei, Glockengießerei, Fayencefabrik, Handel mit Talg, gefrorenem Wein, Zuckerwaaren etc.; 50,000 Ew. – K. ist nach Einigen schon v. Chr. von Griechen od. Skythen gegründet, nach Anderen 430 n.Chr. von Slawen (Polänen) erbaut; es war in der vorchristlichen Zeit der Ort, wo die meisten Gottheiten der Skythen u. dann der Slawen verehrt wurden. 880 eroberte es der Großfürst Oletz von Nowgorod u. nahm hier, wie auch Wladimir der Große seit 998, seine Residenz; 1037 wurde es zur Hauptstadt des Russischen Reiches erhoben. Unter dem Großfürst Mistislaw wurde K. 1169 von Andreas, Großfürsten von Weißrußland, erobert u. hörte von da auf die Hauptstadt des Russischen Reiches zu sein. 1240 wurde es von den Tataren erobert u. verwüstet; 1320 von den Lithanern unter Großfürst Gedymin erobert; 1340 u. 1416 von den Tataren verwüstet. Es blieb nun unter lithanischer u. polnischer Herrschaft, u. erst 1660 gewannen es die Russen wieder; 1834 wurde die Universität gegründet, im Januar 1839 aber auf ein Jahr suspendirt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 479.
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