Schimmelreiter

* Es ist ein Schimmelreiter.

Diese im österreichischen Beamtenleben übliche Redensart wird von Wurzbach (Glimpf und Schimpf, 3-8) gar ansprechend erläutert. Danach versteht man unter Schimmel nicht etwa ein Pferd, sondern ein oder einige Bogen beschriebenes Papier, einen sogenannten Voract, in welchem bereits eine Angelegenheit, ein Simile, ähnlich jener, die eben wieder einem Beamten zur Erledigung gegeben, behandelt ist. Ein solcher Voract, der dem neuen Acte in Form, Inhalt und Ausführung als Richtschnur dient, ein solches Simile (= ähnlicher Fall) ist von dem Humor der Kanzleien in einen (Simel, Schimel) Schimmel verwandelt worden, er hat also viel Aehnlichkeit mit dem, was man sonst auch »fauler Hund« nennt. Ein Beamter, der die ihm zugetheilten Actenstücke nicht nach seinem Kopfe, sondern nach einem als Schema bearbeiteten ähnlichen Fall bearbeitet, heisst ein Schimmelreiter. In dieser Schimmelreiterei findet Wurzbach oft den einzigen Grund für manchen Bescheid, der wie eine Faust aufs Auge passt.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 184.
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