Dagobert Siegmund Graf von Wurmser

[438] Dagobert Siegmund Graf von Wurmser, kaiserlich königlicher wirklicher geheimer Rath und Kämmerer, des militärischen Theresien-Ordens Großkreuz, General-Feldmarschall und Chef eines Husaren-Regiments, einer der verdienstvollsten Oestreichischen Generale des 18ten Jahrhunderts, war im Elsaß 1724 geboren, wo seine Familie ansehnliche Güter besaß. Er wollte sich anfangs den Wissenschaften widmen, trat aber bald in Oestreichische Kriegsdienste, und wohnte dem ganzen siebenjährigen Kriege bei, in dem er sich durch Diensteifer, Tapferkeit und Menschenliebe so auszeichnete, daß er bei Beendigung des Krieges bereits bis zum Generalfeld-Wachtmeister gestiegen war. Im Jahr 1773 erhielt er von Marien Theresien ein eignes Husarenregiment, und 1778 vor Ausbruche des Bayerschen Erbfolgekrieges die Stelle eines Feldmarschall-Lieutenants, commandirte auch in diesem Kriege ein eignes Corps in Böhmen, mit dem er sich bei mehreren Gelegenheiten gegen die Preußen sehr tapfer bewies. Nachdem er mehrere andere Stellen bekleidet hatte, ward er commandirender General in Gallicien, 1787 bei dem Ausbruche des Türkenkriegs General der Cavallerie, erhielt jedoch bei diesem Feldzuge selbst kein Commando, weil Joseph II. auf den Fall, daß Oestreich noch in einen andern Krieg verwickelt werden sollte, sich seiner bedienen wollte. Desto wichtiger wurde der Antheil, den Wurmser am Französischen Revolutionskriege nahm. Er trat zuerst nach der Schlacht bei Neerwinden auf dem Kampfplatze auf, ging am 30sten März 1793 über den Rhein, und nahm sein Hauptquartier zu Speier. Von hier aus drängte er schon am 2ten April die Franzosen im Elsaß aus Germersheim und ihren Linien an der Queich, und bereitete sich nun vor, auf Landau (s. dies. Art.) loszugehen, um durch dessen Eroberung den ganzen Feldzug am Oberrhein zu entscheiden. Um dieß zu bewirken, und die schon eine Zeit lang blockirte Festung Landau zu erobern, mußten zuvor die Französischen Verschanzungen bei Weissenburg oder die so genannten Weissenburger (Baubaus) Linien [438] erobert werden. Wurmser griff sie am 13ten October von vorn an, während der Herzog von Braunschweig solche im Rücken angriff; und beide nöthigten die Franzosen, diese für unüberwindlich gehaltenen Verschanzungen zu verlassen und sich hinter Hagenau zurückzuziehen. Allein der 22te December 1793 (s. den Art. Landau) vernichtete die Früchte des ganzen Feldzugs. Denn da Wurmsers Armee durch die täglichen Gefechte und durch die rauhe Jahreszeit immer mehr geschwächt wurde, so gelang es an diesem Tage Hoche und Pichegrü (s. diese Art.) die Oestreichischen Linien an der Motter zu durchbrechen, u. Wurmsern mit seiner Armee zum Rückzuge über den Rhein zu nöthigen. Wurmser verließ die Armee, ging nach Wien zurück, und kam erst im August 1795 wieder zur Armee. Die Franzosen, welche nach und nach bis aufs rechte Rheinufer vorgerückt waren, und Mannheim durch Capitulation erobert hatten, griff Wurmser am 18ten October in ihrem verschanzten Lager vor Mannheim an, eroberte es, und schloß Mannheim auf dem rechten Rheinufer ein. Da gleich darauf auch Clairfait am 29ten Octbr. Pichegrüʼn auf dem linken Rheinufer zurückschlug, so konnten die Oestreicher einen neuen Angriff auf Mannheim wagen, welches sich auch schon am 21ten Novbr. an Wurmsers Armee ergeben mußte. Da zu Anfange des Feldzugs 1796 die Oestreichische Armee am Rheine sich in zwei Armeen, in die Ober-Rhein-Armee und in die Nieder-Rhein-Armee, theilte, und erstere, von Wurmser commandirt, an die letztere (deren Chef Erzherzog Carlwar) und die Oestreichische Armee in Italien sehr viele Verstärkung, und an letztere allein 20,000 Mann, abgeben mußte; so war sie gleich vom Anfange des Feldzugs so geschwächt, daß sie bloß auf Vertheidigung sich einschränken und, nach einem Angriff des General Moreau (s. dies. Art.), am 14ten Juni sich unter die Kanonen der Rheinschanze von Mannheim zurückziehen mußte. Bonaparteʼs Eroberungen in Italien, welcher die den Oestreichern einzig gelassene Residenz Mantua selbst blockirte, nöthigten Oestreich, für die Erhaltung dieser Residenz besorgt zu sein, um dadurch die Französische Armee in Italien von einer Vereinigung mit den übrigen Französischen [439] Armeen abzuhalten, und besonders durch einen glücklichen Kampf in Italien dem Kriege eine andere Wendung zu geben. Wurmser erhielt an Beaulieus Stelle jetzt das Commando in Italien zu Ende des Juni 1796. Ansehnlich mit Truppen verstärkt, brach er am 24ten Juli mit seiner Armee aus Tirol auf. Anstatt daß Bonaparte das Schicksal Mantuaʼs durch eine Schlacht entscheiden wollte, hatte Wurmser die Absicht, nicht allein diese Festung zu entsetzen, sondern auch zugleich die Französische Armee in Italien in den Flanken und im Rücken anzugreifen. Am 24ten Juli machte er daher einen allgemeinen Angriff auf die ganze Französische Armee bei Mantua; es gelang ihm wirklich, nicht allein diese durch zwei Corps seiner Armee auf beiden Seiten einzuschließen, sondern noch ein drittes Corps in Rücken derselben zu senden. Bonaparte, der das Gefährliche seiner Lage sah, hob nun sogleich die Belagerung von Mantua in der Nacht vom 31ten Juli zum 1ten August auf, und zog sich mit Zurücklassung seines ganzen Belagerungsgeschützes und Munition über den Po zurück. Ihm lag alles daran, die Vereinigung des Oestreichischen Corps unter Quosdanovich mit der Wurmserschen Armee zu verhindern. Schon am 2ten August gerieth in dieser Absicht das Französische Corps mit Wurmser in Kampf; und da jenes zum Theil sich zurückzog, so war diese gefürchtete Vereinigung nicht mehr entfernt. Allein am 3ten griff Bonaparte mit Tagesanbruch Quosdanovichʼs Corps bei Castiglione an, während Augereau mit dem Vortrab von Wurmsers Corps kämpfte. Quosdanovichs Corps litt eine völlige Niederlage; Bonaparte wandte sich nun gegen Wurmsern selbst: ein Angriff folgte dem andern, bis Wurmser, der sich anfangs auf Mantua zurückzog, endlich nach Tirol zurückmarschiren mußte. Mantua wurde von den Franzosen von neuem blockirt, und Bonaparte brach schon am 2ten September gegen Tirol vor. Nachdem er den Davidovich bei Roveredo geschlagen, (6ten Sept.) und durch eine unvermuthete Wendung auch den Quosdanovich angegriffen und ebenfalls (8ten Sept) bei Bassano geschlagen hatte, so blieb nun Wurmsern – der gleich anfangs eine Colonne nach Vicenza ins Venetianische Gebiet abgesendet hatte, um Bonaparten, [440] wenn er in Tirol eindränge, in Rücken zu fallen, und ihn entweder ins Mantuanische zurückzudrängen, oder in Tirol abzuschneiden –, da er eben zu diesem Corps in Vicenza vor der Schlacht bei Bassano selbst gestoßen war, nunmehr, von seinen beiden Flügeln abgeschnitten, nichts übrig, als in schnellen Märschen Mantua zu erreichen, und sich mit den Truppen dieser Festung zu vereinigen. Bonaparte that zwar alles, um ihm den Weg nach Mantua abzuschneiden; allein Wurmser schlug die ihm entgegen rückende Avantgarde von Massenaʼs Division, ehe sie sich mit dessen Division vereinigen konnte, setzte seinen Marsch in der Nacht (vom 11 – 12 Sept.) mit großer Geschwindigkeit fort, schlug ein andres Französisches Corps, das ihn aufhalten wollte, zurück, und hatte nun seine Vereinigung mit der Besatzung von Mantua bewirkt. Die Franzosen mußten jetzt die Blockade von Mantua von neuem aufheben, da das Wurmserische Corps einen weitern Bezirk um diese Festung in Besitz hatte. Mehrere Versuche, ihn zurückzutreiben, von Seiten Massenaʼs (13ten Sept.) sowohl als Bonaparteʼs selbst, mißlangen; und nur erst am 29ten Sept. war der letzte entscheidende Angriff, der Wurmsern nöthigte, sich nach Mantua zu ziehen. Von jetzt an begann Mantuas Blockade von neuem. Alle Bemühungen Oestreichs zum Entsatz dieser Festung (s. den Art. Mantua) waren vergebens; und Wurmser mußte endlich, durch Hunger und Krankheiten seiner Truppen genöthiget, am 2ten Febr 1797 an den Französischen General Serrürier die Festung übergeben. Er selbst ging nach Wien zurück, starb aber schon am 22ten August desselben Jahres in einem Alter von 73 Jahren. – Es wäre überflüssig, auf Wurmsers Feldherrngröße, nach dieser kurzen Skizze seiner Thaten, aufmerksam zu machen. Selbst Bonaparte erkannte sie in seinen Berichten an das Pariser Directorium und selbst durch die Capitulaton, die er ihm zugestand, an. Was würde dieser Mann gethan haben, wenn er nicht meistens mit einer viel schwächern Truppenzahl gegen seinen Feind hätte kämpfen müssen! Aber nicht bloß der Ruhm kriegerischer Größe bleibt Wurmsern, sondern auch der, eines edelmüthigen und freigebigen Mannes. So gab er z. B. einen schonen Beweis seiner Toleranz [441] dadurch: daß er in Prag zuerst einen Lutherischen Gottesdienst für das Mililair einrichten ließ, ehe noch die dasigen Lutheraner ihren eignen Gottesdienst hatten.

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Brockhaus Conversations-Lexikon Bd. 6. Amsterdam 1809, S. 438-442.
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